Der Deutsche Tierschutzbund sagt eine Zerreißprobe für die Tierheime voraus und wiederholt eine alte Forderung gegen das Katzenelend: Kastrationspflicht.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Vor einer extremen Katzenflut in den bereits überfüllten Tierheimen warnt der Deutsche Tierschutzbund für die kommenden Monate. Grund seien unkastrierte Freigängerkatzen aus Privathaushalten und Straßenkatzen, die sich ohne Kontrolle fortpflanzen würden.

 

Der Dachverband der Tierheime gehe davon aus, dass in den ohnehin überfüllten Tierheimen die Zahl gefundener, abgegebener oder ausgesetzter ungewollter Katzenjungen in die Höhe schieße, heißt es in der Mitteilung des Tierschutzbundes von Montag (15. April). Parallel dazu steige die Zahl des Katzennachwuchses, der ohne menschliche Fürsorge auf der Straße frühzeitig sterbe.

Bundesregierung erkennt Ernst der Lage nicht“

Der Tierschutzbund erneuert deshalb seine Forderung nach einer bundesweiten Kastrationspflicht für Freigängerkatzen. „Die Bundesregierung hat den Ernst der Lage offenbar nicht erkannt. Es ist enttäuschend, dass das Katzenelend einfach ignoriert wird“, kritisiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

„Die nächsten Monate werden durch die Kätzchen-Schwemme eine extreme Zerreißprobe für die Tierschutzvereine und Tierheime. Diese sind bereits jetzt am Limit und werden mit unzähligen Katzen alleine gelassen.“

Das traurige Leben von Streunerkatzen

Streunerkatzen sind scheue Tiere. Deshalb bekommt man sie auch so selten zu Gesicht. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht in Scharen vor allem in Städten dahinvegetieren. Streunerkatzen sind überall. Nach Angaben von Tierschutzverbänden gibt schätzungsweise zwei Millionen herrenlose Katzen in Deutschland, die früher einmal Hauskatzen waren oder deren Nachkommen sind.

Streunerkatzen sind immer auf der Suche nach Futter - ausgemergelt und verwahrlost, geschwächt und ungeimpft, von Parasiten geplagt. Unheilbare Krankheiten wie der Feline Immunodeficiency Virus (FIV, auch Katzenaids genannt) breiten sich unter streunenden Katzen schnell aus. Auch vor Hauskatzen, die mit Streuern in Kontakt kommen, machen Krankheitserreger nicht Halt.

Kastrationspflicht ist gesetzlich vorgeschrieben

Die Zahl der Streunerkatzen nimmt stetig zu - auch weil verantwortungslose Katzenbesitzer ihre Freigänger nicht kastrieren lassen (wollen) und viele Kommunen nicht willens sind, die gesetzlich vorgeschriebene Kastrationspflicht umzusetzen.

Generell ist die Kastration von frei laufenden Hauskatzen bundesweit verpflichtend. 2013 wurde das Tierschutzgesetz um den Paragrafen 13b, die sogenannte Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen, ergänzt. Wenn davon Gebrauch gemacht werde, entspricht die Regelung „de facto einer Kastrationspflicht für Haus- und Hofkatzen mit Freigang“, heißt es im Tierschutzbericht der Bundesregierung.

Berlin ist Vorreiter beim Katzenschutz

Baden-Württemberg hatte 2013 als erstes Bundesland eine Kastrationspflicht beschlossen. Es folgten weitere Länder wie Bayern, Hessen und Sachsen-Anhalt. Allerdings kann jede Kommune im Südwesten selbst entscheiden, ob sie einen solchen Schritt für notwendig erachtet oder nicht. Bisher nutzen diese laut Landestierschutzbund mehr als 30 kleine Gemeinden von Aidlingen (Kreis Böblingen) bis Wurmberg (Enzkreis).

Im Mai 2021 beschloss der Berliner Senat eine Katzenschutzverordnung, die auch eine Kastrationspflicht für alle freilaufenden Katzen (und nicht nur für Streuner) einschließt. Seitdem dürfen Tierhalter ihre Kater und Katzen nur noch frei herumlaufen lassen, wenn diese kastriert sind. Außerdem müssen die Tiere gekennzeichnet und registriert sein.

Info: Kastration von Katzen

Gebärfreudigkeit
Katzen können zwei- bis drei Mal pro Jahr durchschnittlich fünf bis sechs Kitten zur Welt. Man kann sich also leicht vorstellen, dass eine Population ohne Eingriff des Menschen in nur wenigen Jahren stark anwächst. Sorgenkinder sind vor allem Kater, deren Besitzer oft nur wendig Interesse an einer Kastration haben. Das liegt zum einen an den Kosten: Die Kastration eines Katers kostet rund 100 Euro, die einer Kätzin 150 bis 200 Euro. Zum anderen ist es vielen Kater-Besitzern schlicht egal, ob ihre Tiere unkontrolliert Nachwuchs zeugen.

Kastration
Für verantwortliche Katzenbesitzer ist es selbstverständlich, ihre Tiere, wenn sie geschlechtsreif werden – je nach Rasse ab dem fünften bis zwölften Monat –, kastrieren zu lassen. Das beugt nicht nur ungewollten Schwangerschaften vor , sondern schützt die Katzen auch vor Infektionen, Krankheiten und Verletzungen. Bei einer Kastration wird die weitere Produktion von Geschlechtshormonen unterbunden. Dies geschieht durch die Entfernung der „Keimdrüsen“. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um männliche Keimdrüsen (beide Hoden) oder aber um weibliche Keimdrüsen (Eierstöcke) handelt. Sowohl männliche als auch weibliche Katzen werden kastriert.

Sterilisation
Bei einer Sterilisation bleiben Hoden und Eierstöcke dort, wo sie sind. Es wird nur verhindert, dass Samen- oder Eizellen weiter transportiert werden können. Da die Keimdrüsen nicht entfernt werden, sind Katzen weiterhin rollig und Kater bleiben kampfeslustig und markieren weiterhin mit ihrem übel riechenden Urin.

Rolligkeit
Katzen, die nicht befruchtet oder kastriert werden, sind dauerrollig. Sie sind dann quasi permanent paarungsbereit und großen hormonellen Belastungen ausgesetzt. Wenn sie Freigänger sind, können sie sich – genauso wie Kater – auf der Suche nach einem Geschlechtspartner weit von Zuhause entfernen. Dabei dringen sie nicht nur in die Reviere anderer Katzen ein – was bedeutet: Kampf und Gefahr von Verletzungen –, sondern müssen auch viele gefährliche Straßen queren. Die meisten Katzen werden während der Paarungszeit überfahren.

Verletzungsgefahr
Unkastrierte Kater legen nach Einsetzen der Geschlechtsreife mit fünf, sechs Monaten auf der Suche nach einem Weibchen oft viele Kilometer zurücklegen. In Katerkämpfen kommt es häufig zu Infektionen mit FIV (Katzen-Aids) oder FeLV (Feline Leukämie, auch Leukose genannt) und zu schweren, bisweilen tödlich Verletzungen.