Der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch stellt in Frage, dass so viele Lehrerstellen wie von Grün-Rot vorgeschlagen, gestrichen werden können. Das bringt ihm viel Zustimmung.

Stuttgart - „Einsparungen im Bildungsbereich dürfen nicht zu Lasten der Qualität gehen.“ Diese Position hat Kultusminister Andreas Stoch (SPD) schon inne, seit er im Amt ist. Nun hat er sie erneut bekräftigt und das Ziel der Koalition infrage gestellt, mittelfristig 11 600 Lehrerstellen zu streichen. „Heute gibt es mehrere Faktoren, die zeigen, der Abbau von 11 600 Lehrerstellen führt zu einer Verschlechterung an den Schulen“, sagte Stoch vor Journalisten. Für die geplanten Bildungsreformen werden zusätzliche Lehrerstellen benötigt. Er nannte ausdrücklich den Ausbau der Ganztagsschule und die schrittweise Umsetzung der Inklusion. Andererseits würden wegen des Schülerrückgangs nicht so viele Stellen frei wie erwartet.

 

Das Land befinde sich in einem Spannungsverhältnis. Zum einen soll das Milliardendefizit im Etat abgebaut werden. An der Bildung zu sparen wäre für Stoch aber an der falschen Stelle gespart. Er wolle auch „keine weiteren Einschränkungen bei den Arbeitsbedingungen der Lehrer“, erklärte der Kultusminister. „Aus heutiger Sicht sehe ich den Abbau von 11 600 Stellen als schwierig an“, sagte Stoch weiter. Ähnlich hatte sich in der vergangenen Woche bereits Claus Schmiedel, der Chef der Landtags-SPD, geäußert. Er hatte nach der Fraktionsklausur infrage gestellt, ob im Doppelhaushalt 2015/16 wie geplant 3500 Stellen abgebaut werden könnten.

Einsparpotenzial bei Stellen überprüfen

Der Koalitionspartner Grüne zieht das noch nicht konkret in Zweifel. Die oppositionelle FDP betrachtet die Äußerungen aus der sozialdemokratischen Ecke denn auch „eher als ein Schattenboxen als einen ernst zu nehmenden Vorstoß“. Der Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke schätzt, „der Mut, die Koalitionsfrage zu stellen, dürfte der SPD abgehen“. Beifall bekommt die SPD von der GEW. Sie begrüßt, dass Stoch und seine Fraktion „die Streichung von 11 600 Lehrerstellen nicht mehr für denkbar halten“. Auch der Baden-Württembergische Handwerkstag regt an, „das tatsächliche Einsparpotenzial“ zu überprüfen.

Bereits im aktuellen Schuljahr wurden 1000 Stellen eingespart. Dennoch habe sich die Unterrichtsversorgung an allen Schularten verbessert, erläuterte Stoch. Der Pflichtunterricht sei vollständig abgedeckt, im Ergänzungsbereich verzeichnet der Minister nach einer statistischen Erhebung vom November Verbesserungen. Die beruflichen Schulen stehen demnach so gut da wie seit Jahren nicht mehr. Ihr strukturelles Defizit liegt laut Kultusministerium jetzt bei 2,2 Prozent nach 2,6 Prozent im Vorjahr. Zuvor konnten über lange Zeit hinweg mehr als vier Prozent der Pflichtstunden an beruflichen Schulen nicht gehalten werden, weil es nicht genug Lehrer gab. Stoch wandte sich angesichts der Zahlen deutlich gegen die Kritik aus der Wirtschaft und den beruflichen Schulen, die Regierung vernachlässige diesen Sektor. „Jeder wird Lügen gestraft, der behauptet, diese Landesregierung respektiere die Bedeutung der beruflichen Schulen nicht“, hielt Stoch fest.

Handwerk und IHK noch nicht zufrieden

Der Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle konzediert, die Regierung nehme die Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung „endlich ernst“. Er fordert aber weitere Verbesserungen. Der Berufsschullehrerverband verweist darauf, dass auch in diesem Jahr 400 neue Lehrer eingestellt werden müssten. Die IHK hält das Defizit unverändert für zu hoch.

Schlecht sieht es dagegen an den Sonderschulen aus. Dort fielen im vergangenen Schuljahr 6,1 Prozent des Unterrichts aus. Stoch zufolge wären 300 bis 400 zusätzliche Stellen notwendig. Teilweise gebe es aber nicht genügend Sonderschullehrer.

Während Stoch an den allgemeinbildenden Schularten Verbesserungen im Ergänzungsbereich verzeichnet, ziehen Bildungsverbände und die Opposition das in Zweifel. Georg Wacker, der bildungspolitische Sprecher der CDU-Opposition, wirft Stoch vor, er rede die Unterrichtsversorgung schön. Die Schulen würden berichten, es gebe praktisch keinen Ergänzungsbereich mehr. Der Minister rechne die aufgestockte Krankheitsvertretung dem Ergänzungsbereich zu. Das sei eine „Mogelpackung“. Auch der Verband Bildung und Erziehung klagt, es fehle an Stütz- und Förderkursen oder Arbeitsgemeinschaften.

Erleichterungen durch Umschichtungen

Die Grund-, Werkreal- und Hauptschulen haben laut Ministerium im Ergänzungsbereich 135 Stellen (12 Prozent) mehr zur Verfügung als im Vorjahr. An den Realschulen sind es 70 (22 Prozent) mehr. Die Situation an den Gymnasien sei unverändert. Für Gemeinschaftschulen gibt es 60 Stellen.

Aus Grund-, Haupt- und Werkrealschulen wurden 728 Stellen umgeschichtet oder Lehrer abgeordnet. 375 Stellen gingen an die Berufsschulen, 163 an Gymnasien, 100 an Realschulen und 90 an Sonderschulen.

Die Prognosen stimmen nicht mit den tatsächlichen Zahlen überein. Laut dem Kultusministerium gibt es zurzeit 1 397 900 Schüler im Land. Prognostiziert waren 1 365 800. Im vergangenen Schuljahr drückten 23 319 Kinder und Jugendliche mehr die Schulbank in Baden-Württemberg als erwartet, ein Jahr zuvor war die Differenz um 11 714 höher.