Insgesamt 26 074 Unfälle hat es 2016 in Stuttgart gegeben. Dabei sind acht Menschen ums Leben gekommen. Vor allem die Fußgänger bereiten dem Polizeipäsidenten große Sorgen.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Noch nie hat es in der Landeshauptstadt so häufig gekracht wie im vergangenen Jahr: 26 704 Unfälle sind ein neuer trauriger Rekord. Dabei kamen acht Menschen ums Leben. 300 Schwerverletzte sind knapp 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Leichtverletzten ging dagegen um elf Prozent zurück, die Polizei registrierte 2229 Verkehrsteilnehmer mit Blessuren.

 

Beim Blick in die Verkehrsunfallstatistik für 2016, die am Donnerstag von Polizeipräsident Franz Lutz vorgelegt wurde, bereiten vor allem die Fußgänger große Sorgen. Die Zahl der Unfälle mit Passanten ist um über 15 Prozent gestiegen, außerdem gab es ein Drittel mehr Schwerverletzte. Fünf Passanten kamen im vergangenen Jahr ums Leben – mehr als die Hälfte der Verkehrsopfer. Dabei sei die Bereitschaft vieler Passanten, sich regelkonform zu verhalten, „leider nicht sehr ausgeprägt“, so die schonungslose Analyse. Die Polizei gibt sich weitgehend hilflos: „Sanktionen zeigen aufgrund der geringen Höhe des Verwarnungsgeldes kaum Wirkung.“

Jeder dritte verunglückte Passant missachtete Rotlicht

Dabei würde mehr Aufmerksamkeit und weniger Ablenkung durch Smartphones oder Musik im Ohr viel helfen. In 51 Prozent der Unfälle hatte der Fußgänger schlicht das herannahende Auto übersehen oder falsch eingeschätzt. In 30 Prozent wurde eine rote Ampel missachtet. Viel könnte es auch helfen, bei Dunkelheit bessere Kleidung zu tragen. Studien zeigen, dass dunkel gekleidete Passanten erst in 25 Meter Entfernung sichtbar sind, mit heller Kleidung bereits in 80 Metern.

Einen negativen Trend gibt es auch bei Unfällen im Stadtbahnnetz. Die Zahl kletterte über die Hundertermarke – auf 108 Unfälle. Dabei ist nicht einmal in jedem zehnten Fall der Stadtbahnfahrer schuld. Besonders problematisch sind unachtsame Autofahrer, die verbotenerweise über die Gleise wenden wollen – das macht 70 Prozent der Ursachen aus. Auch Fußgänger bringen sich immer wieder in Gefahr, weil sie das Tempo und den Bremsweg des 50-Tonnen-Zuges unterschätzen.

Der neue traurige Rekordwert von 26 704 Unfällen ist für Lutz leicht erklärbar. Eine hohe Einwohnerdichte, ein gedrängter Berufsverkehr, bei dem drei Viertel der Pendler aus den Landkreisen in die Stadt fahren, aber nur ein Viertel hinaus, Baustellen, Unaufmerksamkeit. Die Vorfahrt nicht beachtet, beim Wenden nicht aufgepasst: Deshalb kracht es in Stuttgartmeist. Der Anteil der Tempoverstöße als Hauptunfallursache liegt bei nur zwei Prozent. Lutz hat für Autofahrer ein Patentrezept: „Gegenseitige Rücksichtnahme und ein Mehr an Gelassenheit.“

Gute Nachricht: Weniger Kinder und Senioren betroffen

Die Stuttgarter Unfallbilanz bietet aber auch eine Reihe erfreulicher Nachrichten: 19 Schulwegunfälle sind ein deutliches Minus – im Gegensatz zum Landestrend. Es gab auch weniger Kinderunfälle in der Landeshauptstadt. Zudem verunglückten weniger ältere Verkehrsteilnehmer: 1422 verunglückte Senioren sind immerhin ein leichtes Minus, während es im Land mehr Verunglückte gab. Besonders unterschiedlich ist die Entwicklung bei Elektro-Fahrrädern: Während es im Land 26 Prozent mehr E-Bike-Unfälle gab, was mit einer steigenden Zahl von Rädern erklärbar wäre. In Stuttgart sank die Zahl aber um knapp fünf Prozent.

Die Autofahrer scheinen im vergangenen Jahr vernünftiger mit dem Alkohol umgegangen zu sein. Die Zahl der Unfälle mit benebelten Fahrern ging leicht zurück – auf 245 Karambolagen. Allerdings: Die Polizei entdeckte auch knapp 1000 folgenlose Trunkenheitsfahrten. Und dabei hatten 43 Prozent der Erwischten mehr als 1,1 Promille. Die neue Chefin der Verkehrspolizei, Claudia Rohde, kommentiert trocken: „Wir haben es nicht nur mit betrunkenen Autofahrern zu tun, sondern zunehmend auch mit autofahrenden Trinkern.“