Warum macht er das eigentlich? Darüber muss Adolf Martin Steiner aus Stuttgart-Plieningen dann doch etwas länger nachdenken. Im Alter von über 80 Jahren geht er tagtäglich an die Uni Hohenheim. Weil er nicht anders kann...

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Hohenheim - Zwei Tage später schickt Adolf Martin eine ausführliche E-Mail. Er will sich recht verstanden wissen. Warum er tagein, tagaus in seinem kleinen Büro an der Uni Hohenheim sitzt, obwohl er schon über 80 Jahre alt ist. Vielleicht hatte er vor der Teestunde vor zwei Tagen schon lang nicht mehr darüber nachgedacht, weil es einfach dazugehört wie der Schlaf bei Nacht und die Hose an den Beinen. Adolf Martin Steiner ist mit der Universität verwachsen, er kann nur weitermachen. Ein Workaholic sei er deshalb aber nicht.

 

In der E-Mail, zwei Tage nach dem Tee bei ihm, schreibt er: „Ich arbeite, um zu leben, weil es mir Freude macht. Ich habe so viele Ideen, dass auch die nächsten Jahre noch randvoll sind. Viele werde ich altershalber wohl gar nicht mehr realisieren können, weshalb ich Ideen als Anregungen auch schon weitergebe.“ Und: „So gehe ich abends zufrieden ins Bett und stehe morgens frohgemut wieder auf.“ Weil ein Tagwerk wartet.

Er hat sich häuslich eingerichtet

2002 ist Adolf Martin Steiner in den Ruhestand gegangen, hat das große Büro an der Fruwirthstraße geräumt und die achteinhalb Quadratmeter ganz hinten im Gang bezogen. Er hat sich häuslich eingerichtet, Fotos von den Enkelkindern an die Wand geklebt, die Unterlagen für was auch immer griffbereit. An der Wand lehnt eine Stofftasche mit dem Aufdruck „175 Jahre Universität Hohenheim“. Dieses Jahr ist 200-Jähriges; bei Jubiläen hat er Routine.

Die Kammer, die ihm als Büro dient, nennt er sein Ausgedinge-Zimmer. Im landwirtschaftlichen Sprachgebrauch sei das die Wohnung, in die sich der Altbauer zurückziehe. Ohne das Räumchen wäre er aufgeschmissen. Daheim bringt er doch nichts zustande, weil da so viel anderes auf ihn wartet. Er braucht den Rückzugsort in Hohenheim.

Die Themenliste ist immer lang

Da sitzt er nun, auf dem Drehstuhl in seiner Denkerzelle, und hat auch nach 16 Jahren nicht erfahren, wie sich so ein Ruhestand anfühlt. „Ich habe immer was vor“, sagt er. Hier eine Idee, da ein Konzept und eine üppige Themenliste sowieso. Die Herkunft des Namens Birkach, der Baum des Monats für das Uni-Intranet, Beiträge im Jubiläumsjahr der Universität, er rattert und rattert. Es rattert in ihm.

Es dürfte neben Adolf Martin Steiner wenige bis keine Menschen geben, die mit der Uni Hohenheim gleichermaßen verwoben sind wie mit Plieningen und nach all den Jahren selbst mit Birkach. Er hat den allergrößten Teil seines Lebens an diesen Orten verbracht. Er war nur zwölf Jahre, von 1956 bis 1968, anderswo. Als Junge ist er durch Felder und Wälder rund um Plieningen gestreift. „So sind wir aufgewachsen. Das war eine wunderschöne ungebundene und freie Zeit.“ Er hat die Heimat in sich aufgesogen, sie erkundet noch und nöcher. Und er ist noch lang nicht fertig damit.

An der Uni Hohenheim hat Adolf Martin Steiner das Institut für Pflanzenphysiologie und das Fachgebiet Samenkunde aufgebaut. Doch er hat 2002 das Fachliche gegen Geschichte und Geschichten eingetauscht. „Ich habe die Wissenschaft sofort nach meinem Ruhestand eingestellt“, sagt er. Mit dem Forschen hat er aber nie aufgehört. Es ist seine Triebfeder.

Am liebsten teilt er sein Wissen mit anderen

Er schreibt für die Birkacher Notizen, den Plieninger Boten, Asemwald Intern, und natürlich für die Uni Hohenheim. Er hat sich hineingewühlt in die Historie. Auf seinen achteinhalb Quadratmetern hortet er etliche Faltblätter, Büchlein und Kopien. Am liebsten teilt er sein Wissen mit anderen. Er habe bereits 550 Führungen durch die Hohenheimer Gärten gemacht, mit mehr als 13 000 Besuchern. Seit 2002 ehrenamtlich. „Ich habe mich aus allem, was Hohenheim betrifft, zurückgezogen außer aus den Gärten.“ Weil sie sein Reich sind, der Ort, an dem sich keiner so gut auskennen dürfte wie Adolf Martin Steiner. Er hat die Heimat in der Westentasche.

Eine Begegnung mit ihm ist immer auch eine Geschichtenstunde. Er hat die meisten im Kopf, es sind viele. Und jede erzählt er anders, schmückt sie anders aus, je nachdem wen er bei seinen Führungen durch die Hohenheimer Gärten gerade vor sich hat. Schüler, eine ihm sehr zugetane Frauengruppe aus Riedenberg, den Lions-Club oder Fachleute. Immer mit dabei ist seine Leidenschaft für dieses Fleckchen Erde.

In seiner E-Mail schreibt Adolf Martin Steiner, dass er viele schöne Erinnerungen an die Gegend habe. Im Ruhestand „kann ich etwas davon zurückgeben und dafür tun, dass wertvoll Bleibendes dokumentiert und in die Zukunft mitgenommen wird. Das erfüllt mich mit Zufriedenheit und Freude“.

Führung im Exotischen Garten

Wer Adolf Martin Steiner live erleben will bei einer Führung, hat am Sonntag, 8. April, die Gelegenheit. Von 14 Uhr an hält er einen historischen Rückblick: „Der Exotische Garten um 1950“. Treffpunkt ist am Spielhaus im Exotischen Garten. Die Führung ist kostenlos.