Der Gründer der Eventus-Genossenschaft muss wegen Millionenbetrugs in Haft. Doch das Landgericht nimmt in seinem Urteil noch einen weiteren Verantwortlichen ins Visier: den für die Prüfung zuständigen Verband.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Gründer und Chef der insolventen Wohnungsgenossenschaft Eventus, Marco T., muss für sieben Jahre in Haft. Mit diesem Urteil hat das Landgericht Stuttgart jetzt den Prozess um einen bundesweit beachteten Millionenbetrug beendet. Mit dem Strafmaß blieb die 6. Große Wirtschaftsstrafkammer zwischen den Anträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger. Zugleich sprach sie 60 geschädigten Anlegern Forderungen gegen den Verurteilten zu, die jedoch mangels Geld kaum realisiert werden dürften.

 

Bei der Urteilsverkündung vor vielen Geschädigten beschrieb der Vorsitzende Richter den Betrugsfall als äußerst ungewöhnlich. Der Eventus-Gründer T. sei ein „exzellenter Verkäufer“, aber auch ein „Lügner und Täuscher“, wie ihn selbst Gerichte selten erlebten. Das Ausmaß der gefälschten Unterlagen etwa sei beispiellos. Der Finanzberater hatte von Anlegern fast zehn Millionen Euro eingesammelt, angeblich um damit Immobilien in deutschen Städten zu bauen, kaufen oder zu sanieren.

Richter spricht von Selbstbedienungsladen

Laut dem Richter hat das Geschäftsmodell der 2012 gestarteten Genossenschaft aber nie funktioniert. Tatsächlich seien kaum Immobilien erworben worden, kein einziges Projekt habe Eventus erfolgreich durchgeführt. Zum Teil sei das Geld durch hohe Kosten aufgezehrt worden – etwa für Geschäftsräume am Killesberg oder aufwändige Werbung. Mehr als drei Millionen Euro habe T. zudem für private Zwecke entnommen. Eventus sei für ihn ein „Selbstbedienungsladen“ gewesen, mit dem er sich ein Leben im Luxus finanziert habe.

Bei Eventus habe es sich nur vordergründig um eine Genossenschaft gehandelt, sagte der Richter. In Wahrheit sei es eine „Ein-Mann-Gesellschaft“ gewesen, die von Marco T. „total gelenkt und beherrscht“ wurde. Gremien habe er mit Angehörigen besetzt, ein Aufsichtsrat sei sogar frei erfunden gewesen. Als sein Vater als Kontrolleur bemängelt wurde, entsandte er seine Mutter, die einen anderen Nachnamen trägt. Protokolle von Versammlungen habe T. ebenso dreist wie plump gefälscht, viele hätten überhaupt nicht stattgefunden. Spätestens seit 2015 sei Eventus ein „glasklares Schneeballsystem“ gewesen, bei dem Erträge nur noch von neuen Einlagen finanziert worden seien.

„Genossenschaft“ war das Schlüsselwort

Die Anerkennung als Genossenschaft war laut dem Urteil der „Türöffner“ und das „Schlüsselwort“. Darauf habe das gesamte Betrugsmodell aufgebaut. Äußerst kritisch setzte sich der Richter mit dem zuständigen Prüfverband auseinander, dem Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen, VBW. „Eventus hätte niemals an den Start gehen dürfen“, sagte er, mit der Rechtsform einer Genossenschaft seien die Aktivitäten „unvereinbar“ gewesen. Dabei stützte er sich auf ein vom Landeswirtschaftsministerium bestelltes Gutachten, das „absolut vernichtend“ ausgefallen sei. Auch in den Folgejahren habe der VBW seine Pflichten verletzt oder viel zu spät erfüllt; so hätte auffallen müssen, dass es „kaum Aktivitäten im Immobilienbereich“ gab. Mehrfach wäre eine außerordentliche Generalversammlung angezeigt gewesen, die der Prüfverband aber nicht veranlasst habe. Verurteilt wurde Marco T. auch wegen Betrugs mit einer frei erfundenen Aktienanleihe (Schaden: 600 000 Euro) zu Lasten einer Volksbank.

Vom VBW war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten; der Verband schweigt seit langem zu Eventus. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) ließ erklären, man arbeite „mit Hochdruck“ an dem aufsichtsrechtlichen Verfahren; ein Abschluss sei im April zu erwarten. Das Gutachten kam laut einer Sprecherin des Ressorts zu dem Befund, der VBW sei seinen „Pflichten nicht in vollem Umfang nachgekommen“.