Verfassungsschutzbericht: Die Sicherheitsbehörden werten den Salafismus als eines der größten Gefahrenpotenziale für den inneren Frieden in Deutschland. Zudem warnen sie vor gewaltbereiten Rechtsextremen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Bis Mai 2012 war Salafismus für die meisten Bundesbürger ein Fremdwort, unter dem sie sich wenig vorstellen konnten. Seit damals verbinden sie es mit brutalen Bildern: Straßengewalt gegen Polizisten, Hassprediger, die gegen westliche Werte und abendländische Gepflogenheiten hetzen. Die Sicherheitsbehörden werten den Salafismus als eines der größten Gefahrenpotenziale für den inneren Frieden in Deutschland. Das belegt auch der neue Verfassungsschutzbericht, den Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, am Dienstag vorgestellt haben.

 

Die Zahl der Fanatiker, die dieser gewaltbereiten islamistischen Szene zurechnen sind, sei im vergangenen Jahr „sprunghaft angestiegen“. 2011 wurden 3800 extreme Muslime zum Milieu der Salafisten gezählt, inzwischen seien es schon 4500. „Nicht jeder Salafist ist bereit, einen Terroranschlag zu begehen“, sagt Maaßen. Diese radikale Denkrichtung des Islam sei aber eine Art „Durchgangsstation“ auf dem Weg in den Terror.

Terrortourismus zwischen Syrien und Deutschland

Insgesamt gab es Ende vergangenen Jahres bundesweit 30 aktive islamistische Organisationen. Die Szene hat generell wachsenden Zulauf: 2011 wurden ihr 38 000 Menschen zugerechnet, 2012 waren es schon 42 550. Der Verfassungsschutz sieht im islamistischen Terrorismus eine der größten Gefahren für die innere Sicherheit in Deutschland. 130 Personen aus diesem Milieu gelten als „ Gefährder“.

Islamisten aus Deutschland reisten nach Ägypten und verstärkt auch nach Syrien, um von dort aus terroristische Aktivitäten zu entfalten. Mehr als 60 Dschihadisten hätten sich in den Bürgerkriegsstaat im Nahen Osten abgesetzt – überwiegend auf dem Landweg über die Türkei. In 17 Fällen habe ein solcher Terrortourismus verhindert werden können. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass mehr als 50 Terrorverdächtige, die eine Kampfausbildung absolviert haben, sich inzwischen wieder in Deutschland aufhalten.

Rechte Gewalt als zweites großes Sicherheitsrisiko

Als zweites großes Sicherheitsrisiko nennt der Bericht gewaltbereite Rechtsextreme. Die Zahl der braunen Gesinnungsgenossen schrumpfe zwar weiter. Zurzeit gebe es davon etwas mehr als 22 000, vor zehn Jahren waren es noch doppelt so viele. Allerdings wachse sowohl die Militanz als auch die Aggressivität in der braunen Szene. Jeder zweite Rechtsextremist gelte als gewaltbereit. „Eine Abwertung und Entmenschlichung von Angehörigen erkannter Feindbilder fördert ein Sinken der Hemmschwelle zur Gewaltanwendung“, heißt es im Verfassungsschutzbericht.

NSU-Terror könnte Nachahmer motivieren

Es gebe eine auffällige „Affinität von Rechtsextremisten zu Waffen und Sprengstoff“. Allerdings werde „rechtsextremistische Gewalt überwiegend spontan verübt“. Dennoch warnen die Verfassungsschützer: Der NSU-Terror könne unter Umständen „potenzielle Nachahmer motivieren“. Der aktuelle Befund lautet: „Im gewaltbereiten rechtsextremistischen Spektrum ist – wenn auch zahlenmäßig eher gering – ein Personenpotenzial vorhanden, das Terrorismus als Handlungsoption in Erwägung zieht.“

Dabei handle es sich jedoch allenfalls um Einzeltäter. Es seien freilich auch „Personen, die man im Auge behalten muss“. Einschlägige Strukturen seien nicht bekannt. Von konkreten Anschlagsplänen wüssten die Behörden nichts. Es gebe „nichts Handfestes“, so urteilt ein Sicherheitsexperte. Hans-Georg Maaßen, der Chef des Verfassungsschutzes, sagt: „Es gibt keinen Grund, vor Angst in Schockstarre zu verfallen.“