Lieber ein Smartphone statt dem Heiligen Blechle: Immer mehr junge Menschen verzichten auf ein eigenes Auto, dafür punkten Carsharing-Modelle. Die Politik will dieses Angebot ausbauen.

Stuttgart - Die Zahl der Fahrzeughalter zwischen 18 und 25 Jahren hat sich in der Stadt seit 2000 um 63 Prozent verringert. Nicht mehr das Auto gilt jungen Erwachsenen als Statussymbol, sondern Smartphones oder Tablet-PC. Experten halten Zwangssituationen wie zu geringes Einkommen oder fehlende Parkmöglichkeiten, aber auch den gut ausgebauten Nahverkehr und die steigende Zahl von alternativen individuellen Mobilitätsangeboten wie Carsharing und Leihfahrräder für ausschlaggebend für diesen Trend. Auch wenn der wegen des immer noch sehr hohen Fahrzeugaufkommens in der Stadt erst langfristig eine Wirkung entfalten wird, und ein Gegengewicht durch die Zunahme der Gruppe älterer Halterinnen erfährt, sehen sich die Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung aufgefordert zu reagieren. Auch deshalb, weil die Entwicklung, etwa aus ökologischen und städtebaulichen Gründen, in die gewünschte Richtung geht. Für Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) bestätigen die in der StZ veröffentlichten Zahlen „unsere kommunalpolitischen Ansätze“. Dass junge Erwachsene auf ein eigenes Auto verzichteten, wundere ihn nicht. „Ich setze mich seit Jahren ein, diesen Trend zu verstärken.“ Obwohl fast jeder erwachsene Stuttgarter einen Wagen verfügbar habe, nutzten immer mehr Bürger das ÖPNV-Angebot. Deshalb würden für dessen qualitätsvollen Ausbau auch jährlich 100 Millionen Euro investiert.

 

Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gefordert

Für Peter Pätzold, den Grünen-Fraktionschef, sind die Zahlen – hochgerechnet ergibt das Minus von 8000 Autos eingesparten Parkraum von etwa 100.000 Quadratmeter – die Ermutigung, sich weiter für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs einzusetzen und der Carsharing-Alternative zu mehr öffentlichen Parkplätzen zu verhelfen. Er regt zudem eine Debatte über die Änderung einer Verwaltungsvorschrift an, die pro neuer Wohnung einen Stellplatz vorsieht.

Denn für Pätzold steht trotz der aus seiner Sicht erfreulichen rückläufigen Zulassungszahlen bei jungen Erwachsenen fest: „Es gibt immer noch zu viele Stellplätze und zu viel Verkehr in der Stadt.“ Der Grünen-Chef stellt noch einmal den B-10-Rosensteintunnel infrage. Die Zuschüsse für ein Straßenbauwerk, dessen Nutzer immer weniger würden, seien besser in Maßnahmen für E-Mobilität sowie Leihfahrzeuge und Leihräder investiert.

Es gibt einen zu hohen Fahrzeugbestand in der Stadt

Der FDP-Stadtrat Bernd Klingler kontert mit dem Hinweis auf den nach wie vor hohen Fahrzeugbestand in der Stadt. Dem Rückgang von 8000 Fahrzeugen bei den 18- bis 25-Jährigen stehe immerhin eine Gesamtzahl von 278.000 Personenwagen gegenüber. Anders als im gesamten Bundesgebiet, wo der Bestand zwischen 2007 und 2011 um 4,9 Prozent gestiegen ist, sank er in Stuttgart im gleichen Zeitraum allerdings um 1,9 Prozent. Zwischen 2006 und 2011 waren es sogar drei Prozent. Dennoch gebe es in der Stadt kein Überangebot an Parkplätzen, was doch der umweltbelastende Suchverkehr deutlich zeige. „Die Leute lassen sich nicht umerziehen“, so Bernd Klingler. Würden keine Stellplätze ausgewiesen, würden sie zum Einkaufen auf die grüne Wiese fahren. „Der größte Einkaufskorb ist der Kofferraum“, so der FDP-Chef. Er schlägt vor, die Entwicklung zu beobachten. Auch Klingler glaubt, dass sich diese durch das Carsharing beschleunige. Der Autoverleih hat zwar hohe Zuwachsraten, spielt aber in der Gesamtbetrachtung (noch) keine große Rolle. Ende 2011 hatte etwa das Stadtmobil, das neben der DB Rent (Flinkster) den Stuttgarter Markt dominiert, 5179 Kunden. Im Schnitt nutzen 21 Personen jeweils eines der 249 Fahrzeuge. Der Fuhrpark ersetzt 1700 Privatautos, das entspricht gerade einmal einem Prozent des Gesamtbestands.

Der CDU-Chef Alexander Kotz plädiert deshalb – wie die Grünen – für mehr Carsharing-Parkplätze und einer Vernetzung sämtlicher Mobilitätsangebote. Was aber auch er nicht will, ist das Parkplatzangebot reduzieren. Der festgestellte Trend könne lediglich helfen, „dass sich die Verhältnisse in den Wohngebieten entspannen“. Von einem Überangebot an Parkplätzen will Kotz nichts wissen.