Für die Podiumsdiskussion zum Thema „Mobilität der Zukunft“ hat die grüne Landtagsabgeordnete Swantje Sperling mit Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann einen zugkräftigen Ehrengast ins Bürgerzentrum geholt.

Die üppige Menschenansammlung vor dem Waiblinger Bürgerzentrum war beeindruckend. Das Interesse des Großteils der in der Abendsonne Wartenden galt allerdings nicht der Veranstaltung der grünen Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Waiblingen, Swantje Sperling, sondern, wie die Politikerin kurz danach aufklärte, dem humoristischen Programm nebenan im großen Ghibellinensaal mit „Hannes und der Bürgermeister“.

 

Zusätzlich Stühle werden herbeigeschleppt

Allerdings war auch der Zuspruch im deutlich kleineren WN-Studio im Erdgeschoss des Veranstaltungszentrums beachtlich – vermutlich eine Folge des Ehrengasts der von Sperling organisierten Podiumsdiskussion mit vier Teilnehmern. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann war es, der an dem gut zweistündigen Abend zum Thema „Mobilität der Zukunft“ inklusive anschließender Debatte mit dem gut 100-köpfigen Publikum die meisten Fragen zu beantworten hatte.

Ein Thema waren die Schwierigkeiten mit dem Schienenersatzverkehr in Richtung Stuttgart und den 80 aus ganz Deutschland herbeigeholten Bussen, gesteuert von 240 Busfahrern. „In der Summe“, so Hermanns Einschätzung, „ist es nicht so schlimm gekommen wie alle befürchtet haben“. Wobei es auch „ein Ding der Unmöglichkeit“ sei, genauso viele Passagiere wie mit der S-Bahn problemlos auch mit dem Bus zu transportieren. Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), wollte ebenfalls nicht meckern: „Die Busse fahren zuverlässig alle fünf Minuten, je nach Verkehrslage und Stau eben mit der entsprechenden Geschwindigkeit,“ da seien „deutliche Fahrzeitverluste“ halt unvermeidbar. Allerdings fehle am Waiblinger Bahnhof ein übersichtlicher Lageplan für die Bushaltestellen, und die Betreuung könnte auch besser sein: „Alle stürmen in den ersten Bus, statt auf den nächsten zu warten.“

Lob gab es in der Runde für die aktuelle Aufwertung der Fahrradstrecken. „Es ist toll, wie die Stadt Fellbach die Route nach Stuttgart verbessert hat“, mit neuen Pop-up-Radwegen, der Verlagerung der Baustelle beim Schwabenlandtower und den roten Markierungen. „Das war eine gute Idee, die hoffentlich für eine dauerhafte Entwicklung auch bleibt“, so der Minister.

Ähnlich sieht es auch Karen Schäfer, Leiterin der Stabsstelle Radwege des Rems-Murr-Kreises: „Das hat gut geklappt, Waiblingen und Fellbach haben das schnell umgesetzt.“ Sei es doch „sehr schwierig, Markierer zu finden, aber beide Städte haben es geschafft.“ So seien in der Stuttgarter Straße in Waiblingen deutlich mehr Radfahrer als vorher zu sehen. Andreas Schwager, politischer Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) Rems-Murr, hat sich ebenfalls „sehr gefreut, aber warum muss denn erst eine Schienenstrecke gesperrt werden, damit wir solche ausgebauten Radwege bekommen?“ Ein Projekt der näheren Zukunft gerade in der Region sind die speziellen Radschnellwege. 21 dieser Express-Trassen für Radelnde gibt es quer durch Baden-Württemberg. Hermann: „Alle waren begeistert von der Idee, danach kamen die Probleme.“ Denn es müssten „richtig schnelle Fahrten möglich und 2000 bis 2500 Räder täglich dort unterwegs sein“. Doch gerade bei der Routenfindung „wollen alle mitreden, die einen sagen, das muss mitten durch den Ort, die anderen wollen außenrum“, dazu komme noch die Naturschutzproblematik. „Mein Eindruck“, so Hermann flapsig: „Auch Radfahrer sind oft eine Ansammlung von Besserwissern.“

Die Baustelle vor der Ladentür mache das Geschäft kaputt

Die Verzögerungen bei den Radschnellwegen liegen für Karen Schäfer am begrenzten Platz: Um einen Bereich zu stärken, „muss man der anderen Verkehrsart etwas wegnehmen, dann müssen Parkplätze oder eine Baumallee eben wegfallen“. Doch das wecke Widerstände, die Landwirte etwa sagen, „ich kann nicht noch einen Meter Fläche abgeben“, und der Einzelhandel klage bei Planungen für einen großen Radweg: „Wenn ich ein Jahr Baustelle vor der Ladentür habe, ist mein Geschäft kaputt.“

Um mehr Menschen aufs Rad zu bringen, müsse man vor allem „Angebote für jene machen, die mit dem Auto fahren, weil sie sich mit dem Fahrrad nicht sicher fühlen“, erklärte Karen Schäfer. Deshalb, ergänzt Andreas Schwager, „brauchen wir in diesem Bereich massive Fortschritte, denn sonst wird es mit der Verkehrswende schwierig. Weiter aufs Auto zu setzen, sei unsinnig, „die Fahrzeuge stehen 23 Stunden am Tag rum und nehmen Platz weg“, sagte Matthias Lieb. „Doch man muss dem Auto Platz wegnehmen, das ist ein Konflikt, da müssen wir durch.“

Radler zu schnell für den Radweg?

Große Widerworte gab es im bestens gefüllten Studio durch die zumeist grünen Parteifreunde und überzeugten Anhänger der Verkehrswende nicht. Vereinzelt kamen aber doch kritische Stimmen auf. So von einem Fellbacher, der gerne mit dem Auto zwischen Endersbach, Rommelshausen und seiner Heimatstadt unterwegs ist, da könne man zum Glück noch „tolle 100 km/h fahren“. Allerdings werde er öfter von Radlern ausgebremst, die statt auf dem Radweg eben auf der Fahrbahn unterwegs seien. In Fellbach in Nähe des Sonnensegels an der Bühlstraße „habe ich einen von ihnen gestellt“. Dessen Antwort: „Ich fahre zu schnell für den Radweg“, dann habe er ihm den Finger gezeigt und sei über die rote Ampel abgerauscht. „Wie kontrolliert man diese Menschen?“, wollte der Fragesteller wissen.

Hermann entgegnete: „Auch Radfahrer müssen sich an Regeln halten, ich schäme mich manchmal, wenn sie ohne Licht, schwarz angezogen unterwegs sind oder über eine rote Ampel fahren“, und man könne auch nicht „durch den Schlosspark brausen, als wäre es eine Rennstrecke“. Andreas Schwager lakonischer Kommentar zum selben Thema: „Der Rambo-Anteil im Verkehr ist vorhanden, auch unter Radfahrern – aber ein Rambo auf dem Fahrrad ist mir lieber, als wenn er im Auto sitzt.“

Swantjes Sperlings Fazit: Der Abend habe sicher allen zahlreiche Erkenntnisse gebracht und sei hoffentlich „genauso vergnüglich gewesen wie der Hannes nebenan“.

Was tut sich in Sachen Nord-Ost-Ring?

Schnelle Straße
 In der „sehr radlastigen Diskussion“ des Abends im Bürgerzentrum mit dem Verkehrsminister hätte ein Mann aus dem Publikum gerne Neues gewusst zur „Querverbindung übers Schmidener Feld“, den Nord-Ost-Ring: „Kommt das oder nicht, da gibt’s ja auch Ideen wie diesen visionären Tunnel.“

Wenig Druck
 Für Verkehrsminister Winfried Hermann ist der Nord-Ost-Ring „ein ewig wieherndes, totes Pferd, ich habe es mehrfach schon selbst beerdigt“. Denn es sei zu teuer und nicht realisierbar, und „nur noch im Kopf von Herr Stihl, sonst nirgends“ vorhanden, so Hermann mit Blick auf die Pläne von Rüdiger Stihl, die der Gesellschafter des Waiblinger Sägeherstellers unter der Überschrift „Landschaftsmodell Nord-Ost-Ring“ der Öffentlichkeit vorgestellt hatte. In jüngerer Zeit sei von dieser Schnellstraße aber immer weniger zu hören, so Hermann: „Als ich angefangen habe, war der Druck viel größer“, so seine Einschätzung.