Auf Baiersbronn ist Verlass: Auch im neuen „Guide Michelin“ hat der 15 000 Einwohner zählende Ort im Schwarzwald seine Spitzenposition verteidigt – als einzige Stadt in Deutschland mit zwei Drei-Sterne-Restaurants. Zumal die Schwarzwaldstube und das Restaurant Bareiss dieses Niveau seit Jahren halten. „Wir sind sooo stolz…“, schreibt das Hotel Traube Tonbach auf seiner Facebook-Seite, denn nicht nur der Koch der Schwarzwaldstube, sondern auch der Sommelier Stéphane Gass wurde am Dienstagabend im Hamburg für „sein fundiertes Weinwissen“ mit einem Award geehrt. Für zusätzliche Sterne-Dichte sorgen in Baiersbronn noch die beiden Lokale 1789 und Schlossberg, die ihren einen Stern verteidigt haben. Überhaupt leuchten über ganz Baden-Württemberg viele Sterne, 73 Restaurants werden im neuen „Guide Michelin“ aufgeführt. Jedoch büßte das Land im Gegensatz zu Baiersbronn seine Spitzenposition ein: Bayern hat jetzt sechs Sterne-Restaurants mehr zu bieten.
Neue Ziele nach 30 Jahren im Familienbetrieb
Hochburg nicht bei der Zahl der Sterne, sondern der damit ausgezeichneten Lokale ist in Baden-Württemberg die Landeshauptstadt: Mit dem Restaurant im Hotel zur Weinsteige stieg die Zahl auf neun. „Es ist eine großartige Wertschätzung unserer Arbeit“, freut sich Andreas Scherle, der mit seinem Bruder und Küchenchef Jörg den Familienbetrieb führt. Der Stern ist auch deshalb ein großer Erfolg, weil die beiden sich nach rund 30 Jahren sehr guter gut-bürgerlicher Küche ein neues Ziel setzten. „Alle im Team hatten Lust, mehr Gas zu geben“, sagt Andreas Scherle. Alle anderen Stuttgarter Sterne-Lokale haben nach Ansicht der Tester ihr hohes Niveau gehalten, die Speisemeisterei bleibt bei zwei Sternen. Ein Stern wird dennoch verloren gehen: Das Ritzi ist insolvent.
Am Bodensee gibt es neben dem Ophelia in Konstanz mit „SEO Küchenhandwerk“ in Langenargen eine weitere Zwei-Sterne-Adresse. Zum Mekka für Feinschmecker mausert sich auch Freiburg, das sich mit dem Jacobi über ein weiteres Ein-Stern-Lokal freuen kann. In der Ausgabe 2023 wurden die Restaurants vom Colombi Hotel, Zur Wolfshöhle und Eichhalde für ihre Küche derart ausgezeichnet. Jacobi-Küchenchef Christoph Kaiser erhielt außerdem einen grünen Stern für sein besonders nachhaltiges Konzept – als eines von nur zwei Restaurants bundesweit mit Sternen in zwei Farben.
In die Riege der Ein-Sterne-Lokale aufgestiegen ist auch Deutschlands erstes Bio Fine Dining-Restaurant „1950“ in Hayingen (Kreis Reutlingen): Dort verwendet Koch Simon Tress nur Zutaten aus einem Radius von 25 Kilometern, ausschließlich aus Bio-Anbau. Für die Brüder Tress ist es der zweite Stern, denn auch in ihrem Restaurant Rose wird „feinster Genuss“ serviert. Baden-Württemberg hat mit Cédric Staudenmayer zudem noch einen der jüngsten Sterne-Köche Deutschlands zu bieten: Der 25-Jährige eröffnete erst vor eineinhalb Jahren sein Restaurant Cédric in Weinstadt-Beutelsbach (Rems-Murr-Kreis). Dafür gab es auch den Young Chef Award. „Ich bin sprachlos, dass es wirklich so schnell ging“, sagte er am Dienstagabend. Kuriosum am Rande: Im Prinzip ist der Personalmangel die Ursache für seinen Aufstieg. Weil er keine Mitarbeiter fand, beschränkte er sich auf ein Menü, „das ich alleine stemmen kann und das mir Spaß macht“.
Baden-Württemberg nur noch die Nummer zwei
Bayern hat Baden-Württemberg überholt, weil sich im Land gleich sieben Restaurants von der Sterne-Küche verabschiedet haben. Das seit 2017 mit einem Stern dekorierte Restaurant Siedepunkt im Ulmer Stadtteil Böfingen verlor beispielsweise im Frühjahr seinen Chefkoch Hendrik Friedrich an das Romantik-Hotel Zur Schwane in Volkach. Das Seehotel Villa Linde in Bodman-Ludwigshafen (Kreis Konstanz) hat ihr Bistro s’Äpfle vorübergehend geschlossen ebenso wie das Hotel Hirschgasse in Heidelberg sein Le Gourmet. In Horben bei Freiburg gab Sterne-Koch Steffen Disch sein Gasthaus Zum Raben auf, Jochen Fecht schloss sein Restaurant San Martino in Konstanz, und im Mannheimer Marly wird auch nicht mehr gekocht. Und das Zeit|geist in Weingarten bei Karlsruhe hat den Stern aberkannt bekommen, weil es ein anderes Konzept verfolgt.