Im Tarifstreit um flexible Arbeitszeitregelungen für ältere Beschäftigte legten zum vierten Mal seit Herbst Beschäftigte der Stadt die Arbeit nieder. Neben Kitas und Horten waren unter anderem auch das Garten- und Friedhofsamt sowie die Abfallwirtschaft betroffen.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Für viele Familien hieß es am Mittwoch wieder: flexibel sein. Homeoffice machen, frei nehmen, Großeltern und Freunde einspannen. Denn viele kommunale Kitas und Schülerhorte blieben ganz oder teilweise geschlossen. Die Gewerkschaft Verdi hatte ihre Mitglieder zum eintägigen Warnstreik aufgerufen. Neben Erzieherinnen und Erziehern legten auch Angestellte in anderen Ämter und in Eigenbetrieben wie der Abfallwirtschaft die Arbeit nieder.

 

Mit 1453 Streikenden war das städtische Jugendamt allerdings am stärksten betroffen. Von den 176 städtischen Kitas waren 24 geöffnet, 109 geschlossen und 42 teilgeöffnet, teilte die Verwaltung am Nachmittag mit. Eine Kita war im Rahmen einer regulären Schließzeit zu. Von neun städtischen Schülerhäusern waren zwei geöffnet, vier geschlossen und drei teilgeöffnet. Zudem seien von 16 Ganztagsschulen acht zu, weiter acht teilgeöffnet, so die Stadt.

Die meisten Streikenden im Jugendamt

Insgesamt gingen laut der städtischen Pressestelle 1857 Personen in den Ausstand. Bei den Bäderbetrieben Stuttgart streikten laut Verwaltung 100 Beschäftigte, „was Einschränkungen im Badebetrieb zur Folge hatte“. Unter den übrigen Ämtern verzeichneten die meisten Streikenden das Garten-, Friedhofs- und Forstamt mit 81 Personen, das Amt für öffentliche Ordnung (52) und das Tiefbauamt (32) und das Schulverwaltungsamt (28). Die Zahl der Streikenden bei der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) lag zunächst noch nicht vor.

Zuletzt war Anfang Dezember an zwei Tagen zum Ausstand aufgerufen worden. Am ersten Tag zählte die Stadt 2227 Streikende, am zweiten 1998. Das Gros kam auch damals aus dem Bereich des Jugendamts.

Höchste Teilnehmerzahl bislang

Vom Rathaus, wo die Demonstrierenden die Mitglieder des Verwaltungsausschusses im Gebäude mit Pfiffen und Gesang empfingen, ging der Zug zum Verdi-Gewerkschaftshaus. Die Aktion im Rathaus sei keine anmeldepflichtige Demo, sondern eine spontane „Aktion“ gewesen, um Stadträte mit einem Flugblatt zu versorgen. Die Sitzung sei weder gestört oder blockiert worden, betont die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Hanna Binder. „Wir gehen von 3000 Teilnehmenden an der Demo aus“, so Gewerkschaftssekretärin Ariane Raad. Damit habe die Zahl höher gelegen als an den bisherigen drei Streiktagen im November und Dezember.

Mit der Aktion versucht Verdi, den Druck auf den Kommunalen Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV) zu verstärken. Der will bisher keinen landesbezirklichen Tarifvertrag zur Altersteilzeit aushandeln. Die war bis 2023 bundesweit geregelt, fiel aber bei den Verhandlungen zum neuen Gehaltstarif unter den Tisch. Die Arbeitgeberverbände hatten das Thema abgelehnt, ein Beharren darauf hätte Verdi „einen sehr hohen Preis“ gekostet, sagt Raad. Soll heißen: Die Beschäftigten hätten als Kompromiss dafür wohl Abstriche bei der Inflationsprämie oder der Erhöhung des Tabellenentgelts hinnehmen müssen. Der Kompromiss wäre „überbezahlt gewesen“, sagt Binder. Nun streitet man auch um Zuständigkeiten und in Stuttgart um einen Haustarif. Womöglich bis 2025, dann könnte das Thema wieder bundesweit aufgerufen werden.

Durch den jahrelangen Personalmangel sei eine große Arbeitsverdichtung entstanden, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter körperlich und psychisch sehr belaste, heißt es von der Gewerkschaft. Gerade unter jungen Erzieherinnen sei der Unmut groß, sagt Raad. Auf der Demo hörte sie viele, die sich nicht vorstellen können, den anstrengenden Beruf bis 67 zu machen. „Wir fordern den Gemeinderat auf, sich mit einer tarifierten Regelung zur Altersteilzeit zu beschäftigen und die Verwaltung aufzufordern, eine gute tarifierte Altersteilzeitregelung mit Verdi zu vereinbaren“, heißt es in einem Flyer, den die Streikenden morgens im Rathaus verteilten.

Viele wollen nicht bis 67 arbeiten

In dem Papier sprechen sie auch einen Beschluss der Ratsmehrheit zum Doppelhaushalt 2024/25 der Stadt an. Diese hatten zugestimmt, ihren Angestellten künftig eine so genannte Stuttgart-Zulage von 150 Euro brutto monatlich zu bezahlen. Eine Forderung unter anderem von Verdi.

Zunächst hatte es in den Haushaltsverhandlungen so ausgesehen, als würde der Betrag zusätzlich zu bereits bestehenden Zulagen ausgeschüttet. So bekommen Erzieherinnen und Erzieher in Stuttgart bereits ein Tarifplus von 100 Euro. Am Ende allerdings stimmte eine Mehrheit dafür, die Stuttgart-Zulage damit zu verrechnen, sodass unterm Strich nur 50 Euro brutto mehr bleiben sollen.

Entscheidung über weitere Streiks im Februar

Für Ariane Raad ist das „eine Unverschämtheit“. Sie fragt sich, wie es mit den Bemühungen der Stadt um das dringend benötigte Personal für Kitas und Horte zusammen passen soll. Auch das Linksbündnis hatten den Beschuss kritisiert. Raad kündigte an, man werde Mitte Februar über eventuelle weitere Warnstreiks beraten.