Die SPD ist Opfer eigener Erfolge. Heutzutage sind fast alle Parteien auch ein bisschen sozialdemokratisch. Das Versprechen sozialer Gerechtigkeit ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Von einer historischen Mission ist die SPD jedenfalls weiter entfernt denn je. Ihr neues Führungsduo ist nur ein Symptom dieser Misere, meint StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Sozialdemokraten sollten sich künftig nicht mehr ganz so heftig über Boris Johnson oder Donald Trump ereifern – zumindest jenes Viertel der Genossen nicht, das für die neue Doppelspitze gestimmt hat. Das Votum spiegelt einen Reflex, der an Tendenzen erinnert, denen der Brexit-Premier und der Twitter-Präsident ihre Macht verdanken. Sie wollen einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. So wie es war, sollte es unter keinen Umständen mehr weitergehen, wünschen sich auch viele Genossen. Dieses Denken nennt man neudeutsch disruptiv. Disruption ist das Gegenteil von Tradition. Die SPD, traditionsreichste Partei in Deutschland, erlebt einen disruptiven Moment.