Regale voller Lebkuchen im Spätsommer führen jedes Jahr aufs Neue zu kontroversen Reaktionen und viel Kritik. Lebkuchen nur an Weihnachten? Ein deutsches Phänomen.
Stuttgart - Viele Eltern treibt zum Schulstart die Frage um: „Was kommt denn nun in die Schultüte?“ Dabei kann die Antwort doch eigentlich nur lauten: Lebkuchen, Spekulatius und Zimtsterne. Schließlich stapeln sich die Naschereien schon seit Ende August palettenweise in den Supermärkten und ziehen die Blicke von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen an. Die Regale umgehen? Meist aussichtslos.
Die Nachfrage nach Lebkuchen ist schlichtweg da
Rund ein Kilogramm Weihnachtsgebäck essen die Deutschen im Jahr, wie es Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) zeigen. Nicht jeder ist allerdings beim derzeitigen Gang durch den Supermarkt erfreut von den süßen Weihnachtsvorboten. Viele wollen nicht bereits vier Monate vorher durch den Geschmack von Zimt, Nelken und Kardamom an den 24. Dezember erinnert werden und sind empört – auch wenn das Gebäck offiziell als „Herbstgebäck“ und meist noch ohne weihnachtliche Motive verkauft wird.
Doch woher kommt dieser frühe Verkaufsstart, der alle Jahre wieder für hitzige Diskussionen im Freundeskreis und in den sozialen Netzwerken sorgt? Die Antwort ist relativ einleuchtend: Weil die Nachfrage vorhanden ist.
Im Juni beginnt die Vorproduktion
„Regalflächen sind ein kostbares, kostenintensives Gut, die der Handel nicht einfach mal so mit Waren bestücken würde, die nur bedingt nachgefragt werden“, betont Hermann Bühlbecker, Alleingesellschafter des Aachener Gebäckherstellers Lambertz. „Es ist einfach so, dass sich viele Verbraucher freuen, dass diese besonderen Sortimente ab dem meteorologischen Herbstanfang wieder zur Verfügung stehen.“
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Bereits im Juni hat die Vorproduktion in den Werken der Lambertz-Gruppe begonnen, um unter anderem die etwa 720 Millionen Lebkuchenherze, -sterne und -brezeln termingerecht zu beliefern. Trotz globaler Engpässe in den Lieferketten und Problemen in der internationalen Logistik- und Containerwirtschaft sei die Liefersicherheit dieses Jahr gewährleistet, versichert das Unternehmen.
Lebkuchen immer früher im Handel? Ein Irrtum
Die Lust der Deutschen am Herbstgebäck bestätigt auch der Lebensmitteleinzelhandel: Viele Kunden würden bereits vor dem September auf die Artikel warten und sich in den Filialen danach erkundigen, erklärt Aldi Süd auf Anfrage. Auch Rewe zeigt sich überzeugt vom Verkaufsstart im Spätsommer und antwortet einem verärgerten Kunden auf Twitter: „Für uns kann es gar nicht früh genug losgehen.“
Dass die Lebkuchen jedes Jahr noch früher in den Handel kommen, ist allerdings ein Irrtum: Der Verkauf des Herbstgebäcks begann in den vergangenen Jahren immer ab der letzten Augustwoche, versichert Andreas Hock, Pressesprecher des Nürnberger Lebkuchenherstellers Wicklein.
Dreißigjähriger Krieg: Lebkuchen nur auf Weihnachtszeit beschränkt
Das Unternehmen nimmt in der Hauptsaison zwischen Oktober und Dezember gut die Hälfte des Jahresumsatzes von 95 Millionen Euro ein. Der Umsatz des Unternehmens sei signifikant höher, wenn es kalt ist, so Hock. „Wir haben aber damit begonnen, uns breiter aufzustellen und die Ganzjahressortimente auszuweiten, weil wir uns von der Abhängigkeit des Saisongeschäfts auch aufgrund des Klimawandels und veränderter Verbrauchergewohnheiten lösen wollen.“ Erst vergangenes Jahr hat das Nürnberger Unternehmen daher unter dem Motto „Genuss hat immer Saison“ die ersten Lebkuchen für das ganze Jahr auf den Markt gebracht.
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Historisch gesehen war der Verzehr von Lebkuchen in Deutschland ohnehin lange Zeit nicht auf die Weihnachtszeit beschränkt. Erst als während des Dreißigjährigen Krieges zwischen 1618 und 1648 die teilweise exotischen Zutaten zur Mangelware wurden, gab es das Gebäck nur noch zu besonderen Anlässen wie Weihnachten.
Lebkuchen als Lieblinge der Deutschen
Für den Export spielt das Saisongeschäft eine nicht ganz so wichtige Rolle. „Das auf die Weihnachtszeit begrenzte Geschäft mit Lebkuchen ist eher ein Phänomen im deutschsprachigen Raum“, meint Hock. Im nordamerikanischen Raum etwa sei der Verkauf das ganze Jahr über möglich. Auch in osteuropäischen Ländern wie Polen kauft man nicht nur in der Weihnachtszeit Lebkuchen, und in den Niederlanden lassen sich die Menschen Spekulatius bei sommerlichen Temperaturen am Strand schmecken.
Laut des Marktforschungsunternehmens Nielsen sind unter den Weihnachtsgebäcken die Lebkuchen mit einem Anteil von 40 Prozent die Lieblinge der Deutschen. Danach folgen Spekulatius mit 21 Prozent und Stollen mit 20 Prozent.