Beim EU-Gipfel macht sich Erleichterung breit, dass Donald Trump den Handelskrieg mit Europa vorerst abgeblasen hat. Allerdings ist die Sorge groß, dass er es sich anders überlegen könnte. Peking wiederum reagiert selbstbewusst.

Brüssel/Peking - US-Präsident Donald Trump hat es geschafft, die Gipfelregie gründlich durcheinanderzubringen. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron wollte eigentlich über Reformen in der Eurozone reden, stattdessen standen in Brüssel die Strafzölle auf Stahl und Aluminium im Fokus. Und als Trump die EU vorerst von den Zöllen ausnahm, mussten die Spitzen der EU die Handelsbeschlüsse von Donnerstagabend auf Freitag verabschieden. „Wir warten noch auf die formale Bestätigung aus den USA“, sagte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz entnervt zu Beginn des zweiten Gipfeltages. Ohne ein Dokument aus Washington konnte der Gipfel nicht Stellung nehmen. Gegen zehn Uhr trudelte das Papier endlich ein.

 

Die Staats- und Regierungschefs brauchten nur wenige Minuten, um sich auf eine gemeinsame Antwort zu einigen. Zölle seien „nicht mit nationalen Sicherheitsbedürfnissen“ der USA zu „rechtfertigen“. Man nehme „zur Kenntnis“, dass EU-Exporte „vorübergehend ausgenommen“ würden, und verlange, dass „die Ausnahme dauerhaft“ gemacht wird, hieß es unterkühlt. Das dürfte nach Trumps Geschmack sein: Die EU darf sich nicht sicher fühlen, faktisch hat sie nur eine Galgenfrist bekommen.

Hat die EU der US-Regierung einen Deal angeboten?

Daher bleibt die EU auch dabei, Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Die Klage der EU bei der WTO gegen die aus EU-Sicht ungerechtfertigten Zölle ist nicht vom Tisch. Auch die Liste von Zöllen, die die EU bei der WTO im Gegenzug auf US-Produkte einreichen würde, bleibt aktuell. Die EU, auch das ist offizieller Gipfelbeschluss, ist aber dafür, mit den USA in den „Dialog über Handelsangelegenheiten, die beide Seiten betreffen“, zu treten. Viele treibt die Frage um, was dazu geführt hat, dass Trump sich auf China konzentriert und die EU von den Strafzöllen vorerst ausgenommen hat. Klar ist, dass einflussreiche US-Politiker der republikanischen Partei versucht haben, mäßigend auf Trump einzuwirken. Spekuliert wird, ob die EU der US-Regierung einen Deal angeboten hat. Höhere Rüstungsausgaben, Aufträge für die US-Rüstungsindustrie? Ein hoher EU-Diplomat sagte: „Nach meiner Kenntnis gibt es keine Vorbedingungen.“ Ob vielleicht der Besuch von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström den Ausschlag gegeben hat? Oder der des deutschen Wirtschaftsministers Peter Altmaier? Merkel dankte in ihrer Abschlusspressekonferenz jedenfalls Malmström: Ihrem Einsatz sei zu verdanken, „dass wir nun weitere Gespräche mit den Amerikanern führen können“. Malmström selbst machte deutlich, dass die EU bereit sei, gemeinsam mit den USA gegen die vor allem von China verursachten Überkapazitäten auf dem Stahl- und Aluminiummarkt vorzugehen.

Pekings Reaktion ist zunächst vorsichtig dosiert

Peking gab sich am Freitag selbstbewusst: „Wir fordern die USA auf, nicht den Schritt in den Abgrund zu tun.“ Den Worten folgten noch am Nachmittag die ersten Taten: China hat seinerseits Pläne für neue Zölle auf die Einfuhr von 128 Produktgruppen aus den USA vorgestellt. Die höchsten Zölle von 25 Prozent verhängte Peking gegen Schweinefleisch und wiederverwertetes Aluminium. Ebenfalls betroffen sind Stahlrohre, Früchte, Nüsse und Wein. Experten schätzen den jährlichen Handelswert dieser Waren auf rund drei Milliarden Dollar. Trumps Zölle betreffen Produkte im Wert von über 50 Milliarden Dollar. Pekings Reaktion ist also zunächst vorsichtig dosiert. Die Zölle treten zudem nicht gleich in Kraft, während Trumps Erstschlag ab sofort gilt. China ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass ein Gegenschlag möglich ist. Unterdessen nahmen die Märkte in Asien den ersten Schlagabtausch des beginnenden Handelskriegs bitterernst. Der Dollar fiel gegenüber den asiatischen Währungen wie dem japanischen Yen und dem chinesischen Yuan im Laufe des Freitags deutlich. Der Tokioter Börsenindex Nikkei verlor vier Prozent – ein spektakulärer Absturz. In Shanghai gab der Leitindex um drei Prozent nach. Sowohl Japan als auch China exportieren ihre Waren mit hohem Gewinn in die USA.

Unternehmen leiden unter dem erzwungenen Techniktransfer

Wirtschaftsvertreter in China und Japan können Trumps Maßnahmenpaket jedoch auch positive Seiten abgewinnen. Besondere Beachtung erhalten hier nicht die Zölle, sondern andere neue Bestimmungen: eine Klage vor der Welthandelsorganisation gegen erzwungenen Techniktransfer in Richtung China. Gerade deutsche und japanische Unternehmen leiden unter dieser Praxis der chinesischen Regierung, dass der Markt nur jenen Firmen offensteht, die ihre Geheimnisse preisgeben. Das Paradebeispiel ist die Autoindustrie: Wer in China Fahrzeuge produzieren und anbieten will, muss ein Gemeinschaftsunternehmen mit einer chinesischen Firma gründen. Zuletzt macht die Vorgabe für Unternehmen Furore, alle Daten wie Kundendateien, Baupläne und Forschungsergebnisse auf Netzrechnern in China vorzuhalten und die Verschlüsselung für die chinesischen Behörden zu öffnen.

Bevor Trump die Initiative ergriffen hat, haben sich Chinas Handelspartner mehr oder minder in die Praxis des erzwungenen Techniktransfers gefügt. Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel haben das Thema zwar immer wieder auf Staatsbesuchen angesprochen und deutlich gerügt. „Doch Trump ist der Erste, der auch deutlich die Zähne zeigt“, heißt es aus Wirtschaftskreisen in Peking. Er könnte nun auch bestehende Gesetze nutzen, um Investitionen von US-Firmen in China zu blockieren, wenn diese einen Techniktransfer beinhalten. Das würde ein Signal nach Fernost senden – und wäre den US-Unternehmen in der Regel doch nicht recht. Denn der Zugang zu diesem wichtigen Markt mag durch Protektionismus erschwert sein – verzichten will darauf jedoch kein internationaler Konzern.