Die Jungstörchin Trick stolziert noch immer über die Wiesen rund um Weil der Stadt. Ihre Artgenossen sind längst unterwegs in Richtung Süden. Warum überwintern einzelne Störche in Baden-Württemberg?

Trick ist auf Nahrungssuche und stelzt auf ihren dünnen Beinen an der Würm entlang - anstatt die Aufwinde Richtung Süden zu nutzen. Diese entstehen, wenn die Sonne den Erdboden und damit auch die bodennahe Luft erwärmt. In der Keplerstadt war sie die kleinste und leichteste der Storchen-Drillinge, die im Mai auf dem Storchenturm geboren wurden. Ihre beiden Geschwister haben beide nicht überlebt – einer hat Dämmstoff gefressen und ist verhungert, der andere ist gegen einen unnötig aufgestellten Bauzaun geflogen und verendet.

 

Den kräftezehrenden Flug in wärmere Gebiete schafft Trick nicht im Ruderflug und ohne Thermik. Daher wird ihr Wegzug immer unwahrscheinlicher. „Oft sind solche „Zugverweigerer“ Vögel, die verletzt oder krank sind. Unter unseren fast 800 besenderten Störchen aus Europa fällt mir gerade ein halbes Dutzend ähnlicher Fälle ein. So gibt es bei Bregenz Geschwister, von denen eines seit Jahren in Katalonien überwintert und das andere noch nie die Heimat verlassen hat“, sagt Wolfgang Fiedler, Leiter einer Forschungsgruppe für Tierwanderungen am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell. Der Wissenschaftler hat die drei Jungstörche aus dem Kreis Böblingen im Juni mit Sendern ausgestattet.

Alte, kranke und verletzte Tiere bleiben meist hier

Dank der besenderten Störche werden auch Daten über ihre Zugwege und deren Gefahrenquellen bekannt, so dass diese beseitigt werden können. Rund 70 Prozent der Störche überleben das erste Jahr nicht. „Nach wie vor sind Stromschläge die häufigste Todesursache“, weiß der Wissenschaftler. Daher ist die Isolierung von Mittelspannungsfreileitungen seit Anfang 2000 in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. „Wir beginnen dank der Daten auch zu verstehen, wie die spanischen Müllplätze genutzt werden, auf denen immer mehr Störche überwintern. Wir sind gespannt, was passieren wird, wenn diese Müllplätze, wie geplant, aus Spanien verschwinden.“

Hat Trick den Anschluss verpasst?

Auch wenn inzwischen immer wieder Störche in Baden-Württemberg überwintern, ist Trick wohl eine Ausnahme. „Bei uns überwintern bisher ältere Störche“, erklärt Wolfgang Fiedler. „Unter unseren Senderstörchen in Baden-Württemberg haben wir einen älteren Storch aus Bad Buchau am Federsee. Er hat uns gezeigt, dass er im Notfall, also bei extremer Kälte, innerhalb eines Tages ins Burgund ausweichen kann bis die Kältephase vorbei ist.“ Die Überwinterung hier sei für ein mobiles Tier wie den Storch daher keine so große Sache. Störche hätten einfach verschiedene Strategien, die Nichtbrutzeit zu verbringen, manche würden weit weg ziehen, andere weniger weit und manche nur, wenn es sein müsse. „Sicher ist, dass es oft Entscheidungen sind, die vom Verhalten von Artgenossen abhängig gemacht werden.“ Vielleicht hat Trick einfach den Anschluss an eine Gruppe Jungstörche verpasst, die sich beispielsweise an den Rheinauen in Karlsruhe bilden und der dann Jungstörche entlang der Flugstrecke folgen.

Der Bestand der Störche ist in Baden-Württemberg in den letzten Jahren dank Schutzmaßnahmen angestiegen, so dass sie nicht mehr als gefährdet gelten. „Was jetzt gefragt ist, ist die Hilfe beim möglichst konfliktfreien Zusammenleben mit den Menschen“, betont Fiedler. Das beginne bei der Vermeidung vermeintlicher Nahrung wie Plastik, Dämmmaterial und Gummiringen, an denen Störche verenden können und reiche bis zur Verhinderung von Horsten, die Störche an ungünstigen oder gefährlichen Stellen bauen wollen. Ehrenamtliche Storchenfreunde wie Sabine Holmgeirsson vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) Weil der Stadt unterstützen vor Ort. Sie schaut regelmäßig nach Trick, die inzwischen in einem Horst nächtigt, den ein Landwirt ans Dach seiner Scheune gebaut hat. Wo Trick den Winter verbringen wird, kann man über die App Animal Tracker mitverfolgen.

Zugrouten der Störche

Winter in Spanien
Die Störche aus Südwestdeutschland und somit aus Baden-Württemberg sind sogenannte Westzieher. Mit ihren Artgenossen aus der Schweiz, Frankreich und Spanien fliegen sie über Gibraltar und die Sahara in die westafrikanische Sahelzone. In den letzten Jahren konnte man dank der besenderten Vögel feststellen, dass Entfernungen offenbar abnehmen und Störche in Spanien und Portugal bleiben.

Über den Bosporus
Fast 75 Prozent der deutschen Weißstörche wählen für ihren Zug in die Überwinterungsgebiete die östliche Route, die sie über den Bosporus zunächst bis in den Sudan und dann weiter nach Tansania und sogar nach Südafrika führt. Oft legen sie dabei Strecken von mehr als 10 000 Kilometern zurück.