Kaum ein Ort auf dem Planeten ist so vom Klimawandel betroffen wie Tuvalu. In 100 Jahren könnte das Südsee-Archipel im Meer versunken und in Grönland die Gletscher geschmolzen sein. Durch den Klimawandel ist das Schicksal beider Inseln untrennbar miteinander verknüpft.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

100 Jahre. So lange haben die Menschen des Inselstaats Tuvalu noch maximalZeit, bis ihr Land komplett im Meer verschwunden sein wird. Das Archipel ist vom Anstieg des Meeresspiegels so akut bedroht wie kein anderes Land auf der Erde.

 

Viertkleinster Staat der Welt

Tuvalu besteht aus neun Inseln und ist Mitglied des Commonwealth of Nations. Das Archipel besteht aus Korallenriffen mit flachen Riffinseln und liegt im Südwesten des Pazifischen Ozeans, östlich von Papua-Neuguinea und nördlich von Neuseeland.

Mit einer Fläche von 25,66 Quadratkilometern ist Tuvalu nach der Vatikanstadt (0,44 Quadratkilometer), Monaco (2,02 Quadratkilometer) und Nauru (21,10 Quadratkilometer) der viertkleinste Staat der Welt.

Tuvalu –> Nuuk/Grönland: 12 571 Kilometer

Vom winzig kleinen, tropischen Tuvalu im Südpazifik bis nach Nuuk, der eisigen Hauptstadt Grönlands, der größten Insel der Erde im Nordatlantik und Arktischen Ozean, sind es 12.571 Kilometer Luftlinie.

Was beide Staaten untrennbar miteinander verbindet – außer dass sie Inseln mitten im Ozean sind – und was der Klimawandel damit zu tun hat, erklären wir Ihnen im Folgenden:

In 100 Jahren ist Tuvalu verschwunden

Idylle pur . . . Foto: AFP/Torsten Blackwood
.  .  .  doch nur für Touristen. Foto: AFP/Torsten Blackwood
Die Wirklichkeit sieht so aus: Überschwemmungen auf einer der Inseln Tuvalus. Foto: AFP/Torsten Blackwood

Seit Jahren schon fragen sich die 11 000 Einwohner Tuvalus: Wo sollen wir hin, wenn unsere Inseln überschwemmt sein werden? Seit diesem Freitag kennen sie die Antwort: nach Down Under. Australien will künftig vom Klimawandel betroffene Menschen aus dem Südseestaat aufnehmen und ihnen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht einräumen.

Das historische Abkommen ist am 10. November von Australiens Premier Anthony Albanese und dem Premier von Tuvalu, Kausea Natano, bei einem Treffen von Inselstaaten des Pazifiks in Avarua, der Hauptstadt der Cookinseln im Südpazifik, unterzeichnet worden. Damit biete Australien erstmals einem Staat aufgrund der Bedrohung durch den Klimawandel Aufenthalts- oder Staatsbürgerrechte an, berichtet der Sender ABC.

Tuvalus Existenz ist bedroht

„Als niedrig gelegenes Land ist Tuvalu besonders vom Klimawandel betroffen“, erklärt Albanese. „Seine Existenz ist bedroht. Ich glaube, dass die Industrienationen die Verantwortung haben, Hilfe zu leisten, und genau das tun wir.“

Im Südpazifik steigt der Meeresspiegel im Zuge der globalen Erderwärmung besonders schnell. Tuvalu wird – wie andere Inseln in der Region auch – in den nächsten Jahrzehnten weitgehend überschwemmt werden.

Die Erwärmung der Erde führt dazu, dass der Meeresspiegel steigt. Das liegt unter anderem daran, dass warmes Wasser mehr Platz braucht als kälteres Wasser. Je wärmer die Ozeane werden, desto mehr dehnen sie sich aus.

Anthony Albanese (li.), Premierminister von Australien, und Kausea Natano, Premierminister von Tuvalu, schütteln sich auf One Foot Island (Cookinseln) die Hände. Foto: AAPImage/AP/Mick Tsikas/dpa
Pazifische Staats- und Regierungschefs posieren für ein Gruppenfoto auf One Foot Island nach der Teilnahme an der Klausurtagung der Staats- und Regierungschefs während des Pazifik-Insel-Forums. Foto: AAPImage/AP/Mick Tsikas/dpa

Tuvalu versinkt im Meer, weil Grönlands Gletscher schmelzen

An dieser Stelle kommt Grönland ins Spiel: Denn das Eis der größten Insel des Planeten und in der Antarktis schmilzt. Das sorgt für zusätzliches Wasser in den Meeren. Der Anstieg des Meeresspiegels durch das Abschmelzen der Gletscher in Grönland erreicht schon jetzt Werte, die erst für 2100 vorausgesagt waren. Die Zukunft könnte noch düsterer aussehen als befürchtet, warnen Wissenschaftler. Küstenregionen rund um den Erdball sind bedroht.

Experten zufolge betrug der Anstieg während des 20. Jahrhunderts im Schnitt 17 Zentimeter. Im Laufe des 21. Jahrhunderts könnte der Meeresspiegel um über einen Meter steigen, wenn die Menschheit weiterhin so viel Treibhausgas wie bislang ausstößt. „Davon werden Hunderte von Millionen Menschen an den Küsten der Welt betroffen sein, von Miami bis Shanghai“, heißt es in einer im Fachblatt „The Cryosphere“ veröffentlichten Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Weniger Eisberge = höherer Meeresspiegel

Die Gletscher Grönlands schmelzen einer Studie zufolge mit erhöhtem Tempo. Die Geschwindigkeit habe sich in den vergangenen 20 Jahren stellenweise verfünffacht, wie aus einer neuen Studie von Forschern der Universität Kopenhagen im Fachblatt „Nature Climate Change“ hervorgeht.

Vor der Jahrtausendwende sei das Gletschereis im Südwesten Grönlands um etwa fünf Meter pro Jahr zurückgegangen, derzeit seien es 25 Meter. Das sei eine dramatische Zunahme. Besonders stark sei der Rückgang bei Gletschern am Rand Grönlands und an den Eiskappen.

Blick aus einem Flugzeug auf Gletscher bei Grönland. Foto: Imago//Photothek
Eisberge brechen von einem Gletscher in einen Fjord in Grönland. Foto: AP/David Goldman/dpa

Kein Zweifel mehr an den Folgen des Klimawandels möglich

Für diese jetzt veröffentlichte Studie untersuchten die Wissenschaftler gut 1000 der etwa 22 000 Gletscher Grönlands und griffen dabei nicht nur auf Satellitenbilder zurück, sondern werteten auch 200 000 Fotos und Luftaufnahmen aus den vergangenen 130 Jahren aus.

Der an der Analyse beteiligte Geo-Wissenschaftler Anders Bjørk erklärt: Frühere Studien hätten bereits gezeigt, dass die größten Gletscher Grönlands wegen des globalen Klimawandels und steigender Temperaturen unter gewaltigem Druck stünden. Wegen unzureichender Messmethoden habe es aber noch Zweifel am Umfang gegeben. Die neue Studie beseitige alle verbleibenden Zweifel an den Folgen des Klimawandels für die Gletscher Grönlands.

Ein 7,4 Meter höherer Meeresspiegel ist möglich

Knud Rasmussen Glacier, Grönland, Foto: Imago//Danita Dellimont
Sermiligaaq Fjord, Grönland. Foto: Imago//Danita Dellimont

Würde alles Eis von Grönland verschwinden, läge der weltweite Meeresspiegel um 7,4 Meter höher. Die Geschwindigkeit habe sich in den vergangenen 20 Jahren stellenweise verfünffacht, wie aus einer anderen Studie von Forschern der Universität Kopenhagen im Fachblatt „Nature Climate Change“ hervorgeht.

Vor der Jahrtausendwende sei das Gletschereis im Südwesten Grönlands um etwa fünf Meter pro Jahr zurückgegangen, derzeit seien es 25 Meter. Das sei eine dramatische Zunahme. Besonders stark sei der Rückgang bei Gletschern am Rand Grönlands und an den Eiskappen.

Billionen Tonnen an Eis sind bereits geschmolzen

Der Rand des grönländischen Eisschildes endet nahe einer Felslandschaft. Die Gletscher Grönlands schmelzen aufgrund des Klimawandels immer schneller. Foto: J/ason Briner/University At Buffalo/PA Media/dpa
Russell Glacier auf Grönland. Foto: Imago/Wirestock

Der schmelzende Eisschild Grönlands hat den weltweiten Meeresspiegel seit 1992 bereits um 10,6 Millimeter steigen lassen. Das zeigen Ergebnisse einer weiteren Untersuchung im Fachmagazin „Science, die sich auf 26 verschiedene Satellitenmessreihen stützt.

Wie Andrew Shepherd von der University of Leeds (Großbritannien) und Erik Ivins vom Nasa Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (US-Staat Kalifornien) herausgefunden haben, sind von 1992 bis 2018 auf Grönland rund 3800 Milliarden Tonnen Eis geschmolzen und ins Meer geflossen. Bei Fortsetzung dieses Trends könnte das schmelzende Grönlandeis bis 2100 circa 20 Zentimeter zum Anstieg des weltweiten Meeresspiegels beitragen.

„Nach den aktuellen Trends werden durch das Abschmelzen des Eises in Grönland gegen Ende des Jahrhunderts jedes Jahr 100 Millionen Menschen Überschwemmungen erleiden“, erklärt Shepherd. Insgesamt 400 Millionen Menschen würden betroffen sein, wenn auch der Eisverlust in der Antarktis berücksichtigt werde, so Shepherd weiter. Das Grönlandeis entspricht nur etwa zwölf Prozent des Antarktiseises, das aber langsamer schmilzt.