Im Paketpostamt herrscht weiterhin reger Betrieb. Trotzdem sollen die Staatstheater dort unterkommen.

Stuttgart - Der geplante Umzug von Oper und Ballett in das Paketpostamt an der Ehmannstraße ist nicht so leicht möglich wie manche vielleicht meinen. Zwar wird der Verwaltungsrat der Staatstheater am kommenden Montag die Entscheidung über das Übergangsquartier von Oper und Ballett während der fünf bis sieben Jahre währenden Sanierung des Littmann-Baus im Oberen Schlossgarten treffen – und voraussichtlich das Paketpostamt zum Standort küren. Wer aber glaubt, dass Gebäude und Areal bereits in öffentlicher Hand seien, weil es die Stadt 2001 mit den übrigen Bahnarealen erworben worden hätte, um dem Schienenkonzern die Finanzierung von Stuttgart 21 zu ermöglichen, der irrt.

 

Der Erwerb der Grundstücke, um die Planungshoheit für die Entwicklung des Rosensteinviertels zu haben, bezog sich nur auf 117 Hektar Bahngelände – nicht aber auf das strategisch wichtige, rund 45 000 Quadratmeter große Postgelände zuzüglich eines weiteren, etwa 2000 Quadratmeter großen Anteils an der Ehmannstraße. Und nicht alle Hallen stehen leer, sodass der Einzug der Staatstheater und deren Betrieb nicht von vornherein konfliktfrei möglich ist.

Pakete aus Köngen werde im Paketpostamt sortiert

Dort „geht weiter die Post ab“, betonte Postpressesprecher Hugo Gimber bereits 2012, als die Stuttgarter Zeitung erstmals über den noch ausstehenden Kauf durch die Stadt berichtete. An diesem Zustand hat sich nichts geändert. In den Räumen des Paketpostamts werden weiter die mit Lastwagen aus dem Verteilzentrum Köngen angelieferten Pakete für die in der Innenstadt angesiedelten Kunden sortiert und auf kleinere Fahrzeuge – derzeit 25 Elektro-Scooter – umverteilt.

Dort befinden sich auch die Postfächer für Firmen und Einzelpersonen. Der Rentenservice der Post ist an der Ehmannstraße untergebracht, außerdem haben diverse Firmen Logistikflächen angemietet. Und die Gleise würden von privaten Eisenbahnvereinen genutzt.

Kein Bedarf für die Unterbringung von Flüchtlingen

Lediglich die sogenannte Steinle-Halle sowie die Kantinenflächen seien bereits an die öffentliche Hand vermietet. Der Vertrag laufe noch einige Jahre, obwohl mit Beschluss der Landesregierung vom Dezember 2016 der Standort als Flüchtlingseinrichtung aufgegeben worden sei, erklären Post und Regierungspräsidium. Die Post hat übrigens stets die Erwartung geäußert, von der Stadt eine Alternative angeboten zu bekommen, wenn sie das Gebäude aufgeben und das Areal verkaufen solle.

Nun hat die Verwaltung mitgeteilt, dass es für die vorübergehende Nutzung von 2021 oder 2022 an nicht Post oder Oper und Ballett heiße, sondern beides nebeneinander betrieben werden solle. „Nach einer ersten Einschätzung wird nicht die gesamte Fläche benötigt“, sagt Stadtsprecher Sven Matis. Man glaube, dass der 380 Meter lange, von der Post belegte Seitenflügel nicht für das Interim benötigt werde. „Die Experten halten die aktuelle Postnutzung und die angedachte Interimsnutzung für vereinbar.“ Das müsse aber im Verfahren geklärt werden, ebenso der Raumbedarf der Staatstheater.

Noch keine Kaufverhandlungen

Konkrete Verhandlungen zum Erwerb des Paketpostamts nehme die Stadt natürlich erst nach einer Beschlussfassung über den Interimsstandort auf. Man habe sich „dieser Tage ein Bild von den Örtlichkeiten gemacht“. Da dieses Verfahren noch laufe, „können derzeit keine verlässlichen Aussagen zu Kosten getroffen werden“.

Würde der Preis für das ans Postareal angrenzende Gebiet „B“ ein Maßstab sein, das die Stadt 2001 für 90,5 Millionen Euro erwarb und das Ende 2010 einen Verkehrswert von 200 Millionen Euro hatte, müssten mindestens 35 Millionen Euro aus dem Stadthaushalt aufgewendet werden. Der Umbau zur Interimsspielstätte mit Schnürboden, Bühnen und Orchestergraben sowie rund 1400 Zuschauerplätzen ist bisher grob mit weiteren 50 Millionen Euro veranschlagt worden.

Rund ein Jahr lang waren mehrere Standorte verglichen worden, nun sind sich die Fraktionen einig, dem Paketpostamt den Vorzug zu geben. Mittlerweile zeigt sich auch die Intendanz einsichtig und preist die Lösung als zentrumsnah und inspirierend. Alternativ war der Eckensee in unmittelbarer Nachbarschaft zur Oper im Gespräch, sowie ein Areal gegenüber dem Mercedes-Museum im Cannstatter Neckarpark. Diese Fläche hat die Daimler AG einst von der Stadt gekauft, um dort unter anderem ihr Classic-Center und ein Kunstmuseum einzurichten. Derzeit ist ein Teil ein provisorischer Parkplatz, ein anderer ist weiterhin Sportfläche.