Der frühere FDP-Stadtrat Bernd Klingler sieht in Asylsuchenden Schmarotzer, die nur die Sozialsysteme aussaugen wollten. Ehemalige politische Weggefährten sind vom Rechtsruck des einstigen Liberalen entsetzt.

Stuttgart - Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass der damalige FDP-Fraktionschef im Gemeinderat Bernd Klingler auf den Treppen des Rathauses vor Dutzenden empörter Taxifahrer, die eigentlich auf den grünen OB Fritz Kuhn gewartet hatten, den Volkstribun gab: „Da sieht man, wie die Grünen mit Bürgerrechten umgehen“, rief er ins Mikrofon, weil Kuhn nicht umgehend herbeigeeilt war, um sich den Fragen der erbosten Taxler zu stellen, die sich von der Stadt ungerecht behandelt fühlten. Diese feierten den Stadtrat anschließend mit „Klingler, Klingler“- Sprechchören.

 

Nah bei den Menschen sein, das war schon Bernd Klinglers Devise, als er noch für die Freien Demokraten im Gemeinderat saß. Mittlerweile ist er bekanntlich zur rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) übergelaufen – und hat politisch am Stammtisch Platz genommen. Seine Beteuerungen, er sei „im Herzen ein Liberaler geblieben“, entpuppten sich in der Flüchtlingskrise als Lippenbekenntnis. Der Mann, dem die Stuttgarter Staatsanwaltschaft vorwirft, sich aus der Kasse der FDP selbst bedient zu haben – was er bestreitet – schickt sich an, dem bisherigen Rechtsausleger der AfD-Fraktion Heinrich Fiechtner den Rang abzulaufen.

Keine Spur mehr von liberalem Denken

Dabei hatten ihm selbst Kollegen aus anderen Fraktionen noch zu seinen FDP-Zeiten zwar einen Hang zum Populismus, aber auch Fleiß und Rechtschaffenheit bescheinigt. Dass er mit dem immer gleichen Spruch („Der Kofferraum ist der größte Einkaufskorb der Menschen“) gegen vermeintliche oder tatsächliche Restriktionen für Autofahrer zu Felde zog oder seine Garderobe in den damaligen FDP-Parteifarben gelb und blau zusammenstellte, sorgte allenfalls für Schmunzeln im Gemeinderat und Heiterkeit beim Publikum.

Doch vielen ist das Lachen vergangen, seit Klingler unverhohlen die Ressentiments gegen Asylbewerber bedient, die er als „Eindringlinge“ bezeichnet, die sich im Lande breit machten, „um unsere Sozialsysteme auszusaugen“ (die StZ berichtete). In einer grotesk anmutenden Videobotschaft auf Facebook zum Tag der Deutschen Einheit fügte er, in Strickjacke gewandet und in der ihm eigenen, bisweilen widersprüchlichen Rhetorik hinzu, man müsse „wirklich dagegen kämpfen, dass wir für die Menschen, die unsere Stadt zu dem gemacht haben, was sie ist, unsere Stadt auch erhalten.“ Kein Wort der Differenzierung, kein Ansatz einer konstruktiven Idee – und keine Spur von liberalem Denken. Für ehemalige politische Weggefährten wie den FDP-Kreisvorsitzenden Armin Serwani bringen diese Aussagen das Fass zum Überlaufen: „Damit hat er sich politisch und gesellschaftlich endgültig ins Aus manövriert. Ich bin entsetzt und fassungslos.“ Der katholische Stadtdekan Christian Hermes nennt Klingler einen „zündelnden Rassisten“, der gezielt am rechten Rand fischen wolle.

Manche Stadträte erkennen durchaus eine gewisse Stringenz in Klinglers Haltung: So hatte er schon als FDP-Stadtrat im Oktober 2014 dagegen gewettert, das Vereinsheim der SG Weilimdorf zu Gunsten eines Flüchtlingswohnheims abzureißen. Das sei so, als ob man den Weilimdorfern „das Herz aus dem Leibe reißt“. Bei der AfD hat man sich wohl auch an diese Hyperbel erinnert, nachdem Klingler von den eigenen Fraktionsmitgliedern als Chef abserviert worden war, weil er es offenbar mit den Finanzen nicht so genau genommen haben soll.

Beim Thema Geld sitzt Klingler im Glashaus

Das Angebot, als AfD-Fraktionssprecher seine herausgehobene Stellung im Rat zu behalten und zugleich die vierköpfige FDP-Fraktion zur Gruppe im Gemeinderat zu degradieren, nahm Klingler prompt an, inzwischen bekleidet er auch das Amt des Co-Sprechers der Kreispartei. Mit Kollegen wie dem Arzt Heinrich Fiechtner, der bei der AfD bisher für das Schüren von Vorurteilen gegenüber allem Fremden verantwortlich zeichnete und der aktuell auf Facebook dem Parteifreund umgehend beisprang, wollte sich Klingler aber anfangs auf keinen Fall in einen Topf werfen lassen. Er werde schon dafür sorgen, dass sich Fiechtner im Ton mäßige, versprach er.

Stattdessen ist der Instinktpolitiker mit seinen jüngsten Wortbeiträgen endgültig selbst auf die rechtspopulistische Rhetorik eingeschwenkt. Beflügelt von Wahlumfragen, die für die AfD fünf Prozent bei den Landtagswahlen im März vorhersagen, und wenige Tage vor seiner voraussichtlichen Nominierung als Landtagskandidat für den Wahlkreis Stuttgart-Nord wittert er offenbar die Chance auf ein gut dotiertes Abgeordnetenmandat. Dass er bei seiner Argumentation, den Asylsuchenden gehe es nur ums Geld, im Glashaus sitzt, nimmt er in Kauf: Schließlich soll er es gewesen sein, der sich laut Staatsanwaltschaft offenbar durch den Griff in die FDP-Fraktionskasse aus Steuermitteln bereichern wollte.