Annette Schavan hat für ihre Bildungspolitik viel Prügel einstecken müssen. Doch die Zeichen deuten darauf hin, dass es wieder aufwärts geht.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Freiburg - Der Satz fiel gegen Ende ihres Auftritts in Freiburg. "Ich bin irgendwie prügelresistent", verkündete Annette Schavan da vom Podium herab und lächelte ihr selbstsicheres Schavan-Lächeln. Prügel hatte die Bundesbildungsministerin wegen ihres Schulkonzepts wahrlich genug eingesteckt. Der CDU-Landesparteitag in Ludwigsburg verweigerte ihr demonstrativ den Beifall, ihr eigener Kreisverband nominierte sie nur als Ersatzdelegierte für den Bundeskonvent, und der neue Südwest-Parteichef Thomas Strobl ging sie hart an. Ein "Desaster" sei die Kommunikation des Bildungskonzepts, eine "Katastrophe" die Schlagzeile "Bundes-CDU schafft Hauptschule ab".

 

Ausgerechnet aus ihrem Heimatland Baden-Württemberg schlug Schavan die schärfste Kritik entgegen. Im Wahlkampf hatten die Christdemokraten noch das dreigliedrige Schulsystem hochleben lassen, nun wollte die einstige Kultusministerin Hauptschule und Realschule unterm Dach einer "Oberschule" vereinen - das war, nach anderen Wenden, für viele CDU-Leute eine Wende zu viel. Ihr erster Auftritt im Südwesten, bei dem sie ihre Pläne zur Diskussion stellte, drohte mithin ungemütlich zu werden.

Doch die Wut der Parteibasis, die Strobl auch zur Mobilisierung im Wahlkampf um den Parteivorsitz angefacht hatte, scheint ziemlich verraucht zu sein. Beim Bezirksparteitag der Südbaden-CDU wurde Schavan nicht nur persönlich freundlich aufgenommen; Beifall erntete sie reichlich, Widerworte nur vereinzelt. Auch in der Sache schienen sich die Mitglieder zusehends mit ihrem Konzept anzufreunden - wenn auch eher zähneknirschend als begeistert. Auf den Schülerschwund, so der Tenor, müsse man eben irgendwie reagieren. Am Ende konnte die Ministerin abreisen in der Gewissheit, dass der unionsinterne Schulstreit seinen Höhepunkt überschritten hat.

 Haupt- und Realschulabschluss bleibt erhalten

In ihrer Eingangsrede stellte sie die Kontroverse als großes Missverständnis dar. CDU schafft Hauptschule ab? Mit ihrem Bildungspapier habe diese Schlagzeile "wenig zu tun", so funktionierten eben die Medien. Haupt- und Realschule sollten verschmelzen? Unsinn, die beiden Abschlüsse blieben erhalten, aber künftig in einer Schule. Ob die nun Oberschule oder - wie in Baden-Württemberg - Werkrealschule heiße, sei ihr "schnurzegal"; den Namen könne man "in der Lotterie ziehen". In ihrem Papier, konzedierte Schavan, sei manches vielleicht "ungenügend formuliert"; da müsse man noch nachbessern.

Bei den Mitgliedern fand die Ministerin ganz überwiegend Verständnis. Man müsse zur Kenntnis nehmen, hieß es etwa, dass viele Eltern die Hauptschule einfach nicht wollten; unterm Dach einer gemeinsamen Schule werde die Akzeptanz vielleicht größer. Sie sehe ein, "dass man sich den demografischen Gegebenheiten beugen muss", gestand eine bisher überzeugte Verfechterin der Hauptschule.

Und ein ehemaliger Schulleiter berichtete, wie er im Schwarzwald schon vor Jahren eine Schule nur durch die Zusammenlegung mit einer anderen erhalten konnte. "Wir retten den ländlichen Raum, Freunde", rief er in den Saal. Man müsse nur aufpassen, mahnte ein anderer Ex-Direktor, dass die Oberschule der CDU nicht mit der grün-roten Gemeinschaftsschule "in einen Topf geschmissen wird". Wären die Pläne besser erklärt worden, hätte der Streit nie so hochkochen müssen, bilanzierte ein Redner.

 Schavan zeigt sich offensiv

Das wollte Schavan so nicht auf sich sitzen lassen. Seit Monaten werde das Papier in den CDU-Gremien diskutiert, überall seien auch Baden-Württemberger dabeigesessen, aber kein Einziger habe aufgemuckt. Das werde sie "jedem der lieben Kollegen" sagen, die sich, kaum gab es Krach, "in die Büsche geschlagen" hätten. Offensiv konterte Schavan die Kritik, sie solle sich als Bundesministerin aus der Ländersache Schule heraushalten; als CDU-Vizechefin "geht mich alles was an".

Und der Föderalismus sei zwar im Grundsatz richtig, werde aber nicht mehr zeitgemäß praktiziert. Es sei "ein Treppenwitz, dass ein Lehrer aus Ulm kaum nach Neu-Ulm wechseln kann", echauffierte sich Schavan. In einer zunehmend mobilen Gesellschaft dürfe die Vielfalt der Schulen nicht zur "Mobilitätsbremse" werden. Sie werde nicht hinnehmen, dass jede Landesregierung die Bildungspolitik als ihr "höchstpersönliches Eigentum" betrachte, wetterte die einstige Landesministerin.

Ihr Fazit der Schuldebatte: "In Harmonie bewegt sich nichts." Manchmal brauche es eben zu Beginn einen Krach, damit eine fruchtbare Diskussion in Gang komme. Angesichts der neuen Einigkeit fragte sich ein CDU-Landesvorständler bereits, wofür die Südwest-Partei am 15.Oktober noch einen Sonderparteitag mit Schavan zur Bildungspolitik benötige; die Luft sei doch raus aus dem Thema. Vielleicht, so sein Vorschlag, solle man dort besser über den Euro reden.

Streit über wenige Zeilen im CDU-Bildungspapier

Problem Es sind nur wenige Zeilen im CDU-Papier "Bildungsrepublik Deutschland", die in der Partei eine heftige Debatte ausgelöst haben. In der aktuellen Fassung lauten sie wie folgt: "Ständige Schulstrukturänderungen, je nach Land und Partei, lichten dieses Dickicht nicht. Deshalb treten wir für eine Reduzierung der Schulformen und die Einführung des Zwei-Wege-Modells in allen Ländern ein: Gymnasium und Oberschule."

Lösung Die Oberschule, heißt es weiter, sei eine Schule, die "Hauptschul - und Realschulgang miteinander verbindet". Sie solle "beide Bildungswege und - abschlüsse" ermöglichen und den Weg zur beruflichen Bildung oder zur allgemeinen Hochschulreife öffnen. "Daneben respektieren wir integrative Systeme und funktionierende Haupt- und Realschulen vor Ort, wo dies dem Elternwillen entspricht."