Der Verkehrswissenschaftler Gerhard Heimerl hält weitere Maßnahmen im Bahnknoten Stuttgart für noch dringlicher als zuvor, wenn beim Flughafen ein Gäubahntunnel gebaut wird. Zusammen mit dem Mobilitätsberater Klaus Amler forderte er jetzt eine schnelle Klärung.
Stuttgart - Der Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU) hat den Bau eines zwölf Kilometer langen Gäubahntunnels beim Flughafen Stuttgart angekündigt – damit wären allerdings gravierende Konsequenzen für den Bahnknoten Stuttgart verbunden, die bisher noch gar nicht diskutiert, geschweige denn gelöst sind. Auf diesen Umstand hat der Verkehrswissenschaftler Gerhard Heimerl hingewiesen, der als Wegbereiter, ja als Erfinder des Projektes Stuttgart 21 gilt.
Der frühere Leiter des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart sagte im Interview mit unserer Zeitung, der Bau dieses Tunnels wäre für die Gäubahn sicherlich von Vorteil. Zusammen mit dem Mobilitätsberater und Grünen-Mitglied Klaus Amler warnte Heimerl in dem Gespräch aber auch vor Negativfolgen für den S-Bahn-Verkehr.
Der Grund: Nach den bisherigen Plänen war zwischen Flughafen und Stuttgart-Vaihingen ein Mischverkehr von Gäubahn und S-Bahn vorgesehen. In Fällen, wenn die S-Bahn-Stammstrecke in Stuttgart nicht zur Verfügung steht, hätten die S-Bahnen wie Gäubahnzüge zwischen dem neuen Hauptbahnhof und dem Bereich S-Bahn-Station Flughafen/Messe verkehren können – durch den Fildertunnel für die Fernzüge von und zum Hauptbahnhof. Das würde jetzt entfallen. Im Fall einer Blockade der S-Bahn-Stammstrecke könnten dann zeitweilig sechs S-Bahn-Stationen, darunter Stuttgart-Vaihingen mit dem Synergiepark und ganz Leinfelden-Echterdingen, vom S-Bahn-Verkehr abgehängt sein. Deswegen sei es umso dringlicher, mit Hilfe der bisherigen Panoramastrecke der Gäubahn in Stuttgart sowie mit neuen Verbindungsbauwerken nördlich des Hauptbahnhofes eine zweite S-Bahn-Stammstrecke zu schaffen. Der Bau des sogenannten Nordkreuzes werde jetzt noch wichtiger, sagten Heimerl und Amler im Interview mit unserer Zeitung.
Heimerl appelliert an Stuttgarts Verwaltungsspitze
Erstmals sprach sich auch Heimerl in dieser Form dafür aus, mit einer sofortigen Machbarkeitsstudie einen unterirdischen Ergänzungsbahnhof für den neuen Hauptbahnhof auszuloten. Dies würde viele Vorteile bieten, um mehr Fahrgäste auf die Schienen zu bringen, wie es sich die Bundes- und die Landesregierung vorgenommen hätten. Heimerl appellierte an Oberbürgermeister Fritz Kuhn, Städtebaubürgermeister Peter Pätzold sowie die Gemeinderatsmehrheit im Stuttgarter Rathaus, „nicht nur an den Wohnungsbau zu denken“, sondern den Weg freizumachen für eine „sorgfältige Prüfung des Ergänzungsbahnhofes“. Erst müsse man klären, was für eine gute Anbindung an den Schienenfern- und -regionalverkehr sowie für ein stabiles S-Bahn-Konzept notwendig sei, dann die Fragen des Wohnungsbaus. Der Ergänzungsbahnhof könnte nach Auffassung von Amler und Heimerl auch die Chance eröffnen, dass die Gäubahn nicht jahrelang vom Hauptbahnhof abgehängt bleibt: wenn der neue Durchgangsbahnhof und die Neubaustrecke nach Ulm in Betrieb sind, die Fertigstellung der Neubauten am Flughafen aber noch Jahre auf sich warten lässt.
Gerhard Heimerl hatte 1988 das Verkehrskonzept für die Schienen-Neubaustrecke Stuttgart-Ulm erarbeitet, aus dem dann das Projekt Stuttgart 21 mit der Anbindung des Flughafens erarbeitet wurde. Der Ergänzungsbedarf rühre von völlig neuen Rahmenbedingungen her, sagte Heimerl jetzt: von den Zielen, das Klima zu schützen, die Zahl der Fahrgäste im Bahnverkehr zu verdoppeln und einen Deutschlandtakt einzurichten mit Verbindungen zwischen größeren Städten im 30-Minuten-Takt. Dieses Ziel soll nach dem Plan der Bundesregierung auch für die Gäubahn (Stuttgart-Zürich) umgesetzt werden.