Energiewende in Baden-Württemberg Minister-Zoff um Windräder im Staatswald bahnt sich an

Ein Windpark im Schwarzwald nahe FreiburgFoto: dpa/Rolf Haid Foto:  

Der baden-württembergischen Landesregierung droht ein Streit: Agrarminister Peter Hauk (CDU) lehnt die Festlegung auf 500 Windräder im landeseigenen Forst ab. Diese Marke hatte Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) propagiert.

Stuttgart - Der für Landwirtschaft und Forsten zuständige Minister Peter Hauk (CDU) hat auf Anfrage unserer Zeitung die „besondere Aufgabe“ des Landes als größter Waldbesitzer zur Unterstützung der Klimaschutzziele betont. Laut Hauk arbeitet der landeseigene Betrieb Forst BW derzeit an einem Maßnahmenkatalog, um eine Vermarktung zum Ausbau von Windkraftanlagen im Staatsforst voranzubringen. Gleichzeitig gehen die Fachabteilungen in Hauks Ministerium auf Distanz zur Aussage von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) in einem Interview unserer Zeitung, wonach die Hälfte des Ausbauziels von 1000 Windrädern über den Staatswald zu „realisieren“ sei. Grundsätzlich stünde diese Anzahl an „windhöffigen“ Flächen im Staatswald zur Verfügung: „Wie viele Windräder es aber am Ende des Prozesses sein können, hängt von weiteren nicht durch Forst BW beeinflussten Faktoren ab.“

 

24 Vogel- und 18 Fledermausarten gefährdet durch Rotoren

So seien Städte und Gemeinden, die die Windkraftstandorte in ihre Flächennutzungspläne schreiben müssten, „zentrale Akteure für den Erfolg der Flächenbereitstellung“. Zudem werde erst die Analyse der auf den Flächen häufig bestehenden Restriktionen, vor allem des Artenschutzes, zeigen, welche Standorte tatsächlich für einen Bau infrage kommen. Das werde erst in den Genehmigungsverfahren geklärt. „Wir werden im Staatswald die möglichen Flächen zur Verfügung stellen“, so Minister Peter Hauk „aber der Staatswald macht nur zehn Prozent unserer Landesfläche aus, und mit ihm allein werden wir die gesetzten Ziele nicht erreichen.“ Hauk wortwörtlich: „Es müssen schnellstmöglich in allen Bereichen Flächen eruiert werden, die sich für Windkraft eignen, zumal außerhalb des Waldes die Artenschutzprobleme geringer sind. Dazu muss das Umweltministerium alle Anstrengungen unternehmen.“ Das Landesumweltamt hat analysiert, dass 24 Vogel- und 18 Fledermausarten als „windkraftempfindlich“ gelten, das heißt, sie sind durch die Rotorblätter der Anlagen besonders gefährdet.

Bereits 85 Windräder im Staatswald

Laut Landwirtschaftsministerium drehen sich bereits 85 Windräder im Staatswald von Baden-Württemberg, der eine Fläche von 320 000 Hektar ausmacht. Auch bei den Staatsförstern herrscht durchaus die Einsicht, dass der Wald selbst als Standort für Windkraft etwas beitragen kann zum Klimaschutz und zur sauberen Energieerzeugung: „Abgestorbene und geschwächte Bäume sind für jeden sichtbare Zeichen, dass das Klima sich verändert und der Wald darunter leidet“, teilt das Ministerium mit. Eine nachhaltige regionale Energieversorgung aus Windkraft würde auch „Abhilfe und Linderung für unseren Wald bringen“.

Aber wie groß sind die Eingriffe in den grünen Tann? Laut Ministerium werden für eine Windkraftanlage durchschnittlich 0,5 Hektar Fläche benötigt. Würde man tatsächlich 500 Windräder im Staatsforst verwirklichen, würde das 350 Fußballfeldern entsprechen. Während der Bauphase werden nochmals zwischen 0,2 bis 0,4 Hektar an Waldfläche benötigt, die später wieder aufgeforstet werden. Prinzipiell gilt: „Die für Windkraftanlagen in Anspruch genommene Fläche wird immer durch flächengleiche Ersatzaufforstungen oder Ausgleichsmaßnahmen voll ausgeglichen.“ Selbst auf „sterbenden“ Waldflächen ist die Errichtung von Anlagen möglich, vorgeschädigter Wald ist kein Tabu.

Genehmigungsverfahren dauern bis zu sieben Jahre

Für Landwirtschaftsminister Hauk ist der Hinweis wichtig, dass die Bereitstellung und Verpachtung von Waldflächen des Landes nur ein erster Schritt sein kann. Gerade für die „oft sensiblen Flächen des Waldes“ gelte ein Fakt: „Wenn wir bei den Planungsauflagen und den Genehmigungsverfahren im Bereich Natur- und Artenschutz keine Beschleunigung und Erleichterung hinbekommen, dann hilft uns auch ein rasches Verpachten wenig.“ Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen ziehen sich oft hin, auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat mehrfach moniert, dass sie bis zu sieben Jahre dauern können.

Der Nabu fordert bessere Planungen

Johannes Enssle, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) sieht das ähnlich. „Mit einer guten Planung lassen sich Genehmigungsverfahren beschleunigen“, so Enssle. Wer aber mit schlechten Gutachten ins Verfahren gehe, verzögere den Prozess und eröffne Klagewege. Ein Beispiel für schlechte Planung sei der Harthäuser Wald in Hohenlohe, wo Windräder in einen Mischwald entstanden sind und „massive Probleme“ mit dem Artenschutz aufträten. Bei solchen Planungen müsse man sich nicht wundern, wenn geklagt werde. Dennoch gehören für den Verband der Naturschützer die Energiewende und der Artenschutz zusammen. Ein „naturverträglicher Ausbau der Windenergie“ sei möglich, allerdings müsse es Tabuzonen für bedrohte Vögel und Fledermäuse geben. Enssle erhofft sich viel von der von Grün-Schwarz vereinbarten Regionalisierung von Mindestflächenzielen für Windkraft- und Fotovoltaikanlagen auf zwei Prozent der Landesfläche. Wäre die Regionalplanung zuständig, so Enssle, könnten Vorranggebiete und zentrale Windparks geschaffen werden, die zwar auch Einbußen für die Natur brächten, die aber anderswo ausgeglichen werden könnten und in der Summe weniger schlimm wären als verstreute Anlagen in jeder Kommune.

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