Am 29. Mai 1953 stand Edmund Hillary als erster Mensch auf dem Gipfel des Mount Everest. Damit war er zu einem der großen Abenteurer des 20. Jahrhunderts geworden. Doch Heldenverehrung war dem Neuseeländer stets suspekt. Am 20. Juli wäre Hillary 100 Jahre alt geworden.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Auckland - Man wüsste schon gern, was Edmund Hillary dazu sagen würde, wie es heute auf dem Mount Everest zugeht. Vor allem, was er von dem Foto des nepalesischen Bergsteigers Nirmal Purma hielte, das vor ein paar Wochen die Runde machte: Mehr als 300 Bergsteiger, die Schlange stehen mussten, bevor sie die letzten Meter bis zum Gipfel des höchsten Bergs der Welt im Himalaya überwinden konnten.

 

Mount Everest, 29. Mai 1953, 11.30 Uhr

Als Hillary dort oben war, 8848 Meter über dem Meer, war so etwas fern jeder Vorstellung. An jenem 29. Mai 1953, vormittags um 11.30 Uhr, schrieb der Neuseeländer Menschheitsgeschichte: Als erster auf dem Dach der Welt, das vielen bis dahin als unbezwingbar gegolten hatte.

Zur Seite hatte er nur den nepalesischen Sherpa Tenzing Norgay. An diesem Samstag (20. Juli) wäre Edmund Hillary 100 Jahre alt geworden.

Gipfelpioniere Hillary und Tenzing

Dass Sir Edmund und Tenzing zu Gipfelpionieren wurden, war eine Laune des Zufalls. Die beiden gehörten in jenem Frühjahr 1953 zu einer großen Expedition der Royal Geographic Society, die ein Dutzend Bergsteiger, 35 Sherpas und 350 Träger umfasste. Als erste versuchten die beiden Briten Tom Bourdillon und Charles Evans den Aufstieg. Sie mussten knapp hundert Meter unter dem Gipfel aufgeben.

Der Neuseeländer und der Nepalese hatten mehr Glück – auch weil sie zwei Sauerstoffflaschen benutzen konnten, die die Briten zurückgelassen hatten. Hillary machte das einzige Foto, das von dem historischen Ereignis existiert. Es zeigt Tenzing Norgay.

Als der Sherpa ihn auch fotografieren wollte, lehnte er ab. Tenzing habe nie zuvor eine Kamera benutzt. „Und der Gipfel des Everest war wohl kaum der richtige Ort, um ihm zu zeigen, wie es geht.“

„Wir haben den Bastard endlich erledigt“

Nach 15 Minuten machte sich das Zweierteam an den Abstieg. Im Basislager meinte Hillary: „We finally knocked the bastard off“ – „Wir haben den Bastard endlich erledigt.“ Er bezwang danach noch mehr als zwei Dutzend weitere Gipfel.

1958 leitete er eine Südpol-Expedition. 1985 landete er zusammen mit Neil Armstrong – dem ersten Menschen auf dem Mond – am Nordpol. Dann wurde er Neuseelands Botschafter in Indien.

Auf den Everest kehrte Hillary nie zurück. Nach Nepal kam er immer wieder, 2006 ein letztes Mal. Dort stürzte er, wovon er sich nie mehr richtig erholte. Anfang 2008 starb er im Alter von 88 Jahren in seiner Heimatstadt Auckland.

Seine Asche wurde im Golf von Hauraki verstreut, direkt vor seiner Haustür. Aber nicht alles: Ein kleiner Teil davon ruht nun in einer Gedenkstätte auf einem Hügel im Himalaya-Dorf Khumjung. Mit Blick auf den Mount Everest.

Everest-Besteigung – 1924: Mallory und Irvine

Nepalesen und Tibeter wären nie auf die Idee gekommen, den Mount Everest zu erklimmen und dabei ihr Leben zu riskieren. Das taten erst die Europäer – herausragende Bergsteiger wie der Brite George Mallory. Von 1922 bis 1924 erkundete er mit im Rahmen von drei britischen Expeditionen die Khumbu-Region um den Everest.

Am 8. Juni 1924 wurde er und sein Weggefährte Andrew Irvine auf einer Höhe von 8500 Meter zum letzten Mal am Nordostgrat gesehen. 75 Jahre später, am 1. Mai 1999, wurde Mallorys konservierte Leiche in 8150 Meter Höhe entdeckt. Bis heute ist umstritten, ob sie nicht schon 1924 als erste über die Nordroute den Gipfel erreichten.

1953: Hillary und Tenzing

Erst die neunte britische Everest-Expedition hatte Erfolg. Am 29. Mai 1953 brachen der Neuseeländer Edmund Hillary und der Sherpa Tenzing Norgay um 6.30 Uhr vom letzten Lager auf 8510 Meter auf.

88 Meter unterhalb des Gipfels tat sich vor ihnen auf dem südöstlichen Grat eine zwölf Meter und über 70 Grad steile Felsstufe auf. Der „Hillary Step“, das letzte Hindernis auf dem Weg zum Gipfel. Um 11.30 Uhr hissten sie die britische Flagge auf dem Dritten Pol.

1960/1975: Die Chinesen kommen

1960 und 1975 wurde der Everest erstmals von chinesischer Seite über den Nord- und Nordostgrat von einer Seilmannschaft aus dem Reich der Mitte bestiegen. Die Nord- und Südroute werden heute von den meisten Expeditionen begangen.

1976: Die erste Frau auf dem Everest

Am 16. Mai 1976 stand mit der Japanerin Junko Tabei die erste Frau auf dem Everest.

1978: Messner und Habeler

Am 8. Mai 1978 erreichten Reinhold Messner und Peter Habeler den Gipfel erstmals ohne zusätzlichen Sauerstoff.

1980: Cichy und Wielicki

Zwei Jahre später, am 17. Februar 1980 bestiegen die beiden Polen Lezek Cichy und Krzysztof Wielicki das Massiv erstmals im Winter. Temperaturen von minus 45 Grad Celsius und Windgeschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern kosteten sie fast das Leben.

1980: Messner-Solo

Als größte bergsteigerische Leistung am Everest gilt die Alleinbegehung des Berges durch Messner im Alpinstil. Ohne Fremdhilfe, ohne vorher präparierte Route und in einem Zug vom Basislager zum Gipfel stieg der damals 36-Jährige die 3500 Höhenmeter.

Für seine Solobesteigung wählte er die Nordroute, querte oberhalb des Nordsattels in die Norton Couloir, eine Steilschlucht in der Nordwand, die bis 150 Meter unter den Gipfel führt.