CO2-Kompensation Zahlen fürs gute Gewissen

Wer von Stuttgart nach Sydney fliegt, ist für den Ausstoß von rund zehn Tonnen CO2 verantwortlich. Bei verschiedenen Organisationen kann man die Emission kompensieren. Was bringt das? Und kann man den Anbietern vertrauen?
Stuttgart - Die Stiftung Warentest hat Kompensationsdienstleister für Flüge verglichen. Drei wurden als sehr gut, zwei als ausreichend bewertet.
Hawaii, die Dominikanische Republik, die Malediven: Die Welt hat viele Orte zu bieten, die dem Bild eines perfekten Urlaubsortes entsprechen. Neben Palmen, Sonne und Traumstränden haben diese aber noch etwas gemeinsam: Von Deutschland aus sind sie fast nur mit dem Flugzeug zu erreichen. Und das ist nicht gut für die Umwelt. Denn das beim Fliegen ausgestoßene Kohlenstoffdioxid (CO2) trägt wesentlich zum Klimawandel bei: Das Treibhausgas verhindert, dass Wärme ins Weltall entweicht. Fliegen fällt dabei besonders stark ins Gewicht: Wer vom Flughafen Stuttgart-Echterdingen nach New York fliegt, pumpt 3721 Kilo CO2 in die Luft. Das ist mehr als doppelt so viel, wie ein Mensch in Indien im Jahr verbraucht: Dort liegt die durchschnittliche Pro-Kopf-Emission bei rund 1600 Kilogramm CO2. In Deutschland liegt der Verbrauch bei etwa 11,5 Tonnen pro Jahr – eine bis zwei Tonnen wären klimaverträglich. Bei einem Flug von Frankfurt nach Sydney fallen sogar rund zehn Tonnen CO2 pro Fluggast an. Das kann man nicht einmal ausgleichen, wenn man sonst nur Bus und Bahn fährt.
Im Internet findet man schnell eine Reihe von Organisationen, die versprechen, das beim Flug angefallene CO2 gegen eine entsprechende Zahlung zu kompensieren. Das bedeutet, dass das Treibhausgas an anderer Stelle eingespart werden soll – etwa durch Projekte mit erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz oder Aufforstprojekte. Die Zahlung macht den CO2-Ausstoß zwar nicht rückgängig, ist aber immer noch besser, als ohne Ausgleich zu fliegen. Doch welchen Anbietern kann man überhaupt vertrauen? In der aktuellen März-Ausgabe ihrer Zeitschrift „Finanztest“ hat die Stiftung Warentest sechs Organisationen verglichen.
Die besten Klimaschutzprojekte bieten der Stiftung Warentest zufolge Atmosfair, die Klima-Kollekte und Primaklima. Sie haben jeweils mit der Note „sehr gut“ abgeschnitten. „Atmosfair ist besonders transparent“, sagt Stefan Fischer von der Stiftung Warentest. „2016 – das war das Jahr, das wir uns für den Test angeschaut haben – hat der Anbieter außerdem nur mit den besonders anspruchsvollen Gold-Standard-CER-Zertifikaten gearbeitet.“ Der Anbieter Myclimate wurde mit der Note „gut“ bedacht. Arktik und die Klimamanufaktur erhielten nur die Note „ausreichend“. Das liegt Fischer zufolge zum einen daran, dass die Anbieter nicht oder kaum in die Entwicklung der von ihnen unterstützten Projekte involviert waren. „Zum anderen war das Zertifikatportfolio nicht so gut wie bei den anderen Anbietern – Arktik hat zum Beispiel auch Ex-ante-Zertifikate verwendet, die wir ablehnen (siehe Infokasten).“ Ein weiteres Manko: die Transparenz. Weder Arktik noch die Klimamanufaktur veröffentlichen einen Jahres- bericht mit Einnahmen und Ausgaben. Die Verbraucher wissen also nicht, wie viel Geld in die einzelnen Projekte geflossen ist.
Das wichtigste Kriterium bei der Benotung war die Qualität der Kompensation: Zum einen wurde darauf geachtet, welche Art von Zertifikat der Anbieter vorzeigen kann, zum anderen, ob er selbst an der Entwicklung der einzelnen Projekte beteiligt ist. Auch die Transparenz der Organisationen und wie sie geführt und kontrolliert sind, ist in die Bewertung mit eingeflossen. Die Preise für die Kompensation wurden nicht berücksichtigt. Sie liegen zwischen 5 Euro pro Tonne CO2 (Klimamanufaktur) und 23 Euro (Atmosfair, Klima-Kollekte). „Es ging uns vor allem um die Qualität der Kompensation“, sagt Stefan Fischer von der Stiftung Warentest. Der Preisunterschied bei den Anbietern hänge unter anderem von der Projektart ab.
Atmosfair und die Klima-Kollekte unterstützen vor allem Projekte mit erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz. Der Testsieger Atmosfair versorgt zum Beispiel Haushalte in Ruanda mit effizienten Öfen. Das spart Brennholz, was gut für die Bevölkerung ist, und schont gleichzeitig die Waldbestände. In einem anderen Projekt hilft die Organisation beim Wiederaufbau von Gasthäusern in Nepal nach dem Erdbeben und stattet sie mit Solaranlagen aus, berichtet der Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. Bei der Klima-Kollekte finden Verbraucher unter anderem Projekte mit Kochstellen, zum Beispiel in Indien, Nicaragua, Kenia und Ruanda. „Wir kombinieren Klimaschutz mit Armutsbekämpfung“, sagt die Geschäftsführerin Olivia Henke. Der Verein Primaklima investiert hingegen ausschließlich in Waldprojekte. Er betreibt zum Beispiel ein Wiederaufforstungsprojekt im Kimbale-Nationalpark in Uganda.
Von den rund 11,5 Tonnen CO2, welche die Deutschen im Schnitt pro Jahr verbrauchen, entfällt der Großteil auf Heizen und Strom (rund 24 Prozent). Es folgen die Mobilität (23 Prozent) und die Ernährung (13 Prozent). Gemessen wird genau genommen nicht nur der CO2-Ausstoß, sondern der sämtlicher Treibhausgase, umgerechnet in sogenannte CO2-Äquivalente. Wer seinen persönlichen ökologischen Fußabdruck berechnen will, kann zum Beispiel den vom Umweltbundesamt zusammen mit Klimaktiv entwickelten CO2-Rechner nutzen: uba.co2-rechner.de. Bei den von der Stiftung Warentest untersuchten Anbietern kann man übrigens nicht nur Flugreisen kompensieren, sondern jede Wunschmenge CO2. Sämtliche Ausgleichszahlungen kann man – außer bei Arktik und bei der Klimamanufaktur – stets als Spende von der Steuer absetzen. Dafür erhält man vom Anbieter eine Spendenbescheinigung.
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