Die CDU-Kreisvorsitzende Nicole Razavi fährt im Zusammenhang mit Ausschreitungen linker Gegendemonstranten bei einer Nazidemo schwere Geschütze gegen die Konkurrenz auf. Doch was macht der Mann im Thor-Steinar-Hemd am CDU-Stand?
Göppingen - Grüne und SPD trügen eine Mitschuld an den linksautonomen Ausschreitungen, zu denen es am Rande der Nazidemo in Göppingen Anfang Oktober gekommen ist. Dieser Meinung ist die Göppinger CDU-Kreisvorsitzende und Geislinger Landtagsabgeordnete Nicole Razavi. Die CDU habe „als einzige Partei in Deutschland“ den über lange Jahre gültigen antitotalitären Konsens – gegen rechts und links – nicht aufgekündigt, sagte Razavi laut einer Presseerklärung ihres Kreisverbandes. „SPD und Grüne dagegen rollen antifaschistischen Schlägerbanden den roten Teppich aus, indem sie Kooperationen eingehen und Bündnisse mit linksextremen Gruppierungen schließen.“ Die Vorkommnisse bestärkten die CDU in ihrer Haltung, dass sich der Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben lasse.
Der stellvertretende Kreisvorsitzende der Grünen, Alex Maier, zeigte sich entsetzt. „Dass sich ausgerechnet eine Partei, die nichts gegen den Rechtsextremismus getan hat, ein Urteil erlaubt, ist absolut unverschämt“, sagte Maier, der auch als Sprecher des Bündnisses Kreis Göppingen nazifrei fungiert. Darin arbeiten SPD und Grüne mit der örtlichen Antifa zusammen, allerdings auch mit Migrantengruppen, Gewerkschaften und Kirchen. Der evangelische Dekan Rolf Ulmer trat sogar als Redner bei der Kundgebung des Bündnisses auf. Ob Razavi auch ihm eine Mitschuld gibt, sagte sie nicht. Laut der Polizei ist es erst nach der friedlichen Kundgebung zu Auseinandersetzungen mit rund 500 Linksautonomen gekommen.
Razavi: Lösch missbraucht ihr Amt
Razavi attackierte auch die grüne Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch. Sie hatte als Augenzeugin Teile des Polizeieinsatzes als überzogen kritisiert. Lösch missbrauche ihr hohes Amt, um Stimmung gegen die Polizei zu schüren, sagte Razavi. „Es ist höchste Zeit, dass die Grünen ihr Verhältnis zu unserem Rechtsstaat klären.“
Die Grünen-Politikerin nannte den Vorwurf absurd. Landtagspräsidenten seien keine politischen Eunuchen. Das betone auch der zur CDU gehörende Landtagspräsident Guido Wolf regelmäßig. Im Übrigen sei es schade, „dass Frau Razavi nicht selbst bei der Kundgebung war“, sagte Lösch. „Die CDU sollte dringend ihr Verhältnis zum Thema Rechtsextremismus überprüfen.“ Auch der Geislinger SPD-Landtagsabgeordnete Sascha Binder verteidigte seine Landtagskollegin. Zehn Mitglieder der Grünen Jugend seien von der Polizei aus Versehen eingekesselt worden. Da dürfe man schon kritisch nachfragen.
Auch Binder sieht eher bei der CDU Klärungsbedarf. Er erinnerte an die später zurückgezogene sogenannte Eislinger Erklärung. Mit der darin formulierten Polemik gegen Homo-Ehen, den Moscheebau und die Schaffung von Krippenplätzen brachte es die Kreis-JU vor zwei Jahren zu einer lobenden Erwähnung in der rechtsnationalen Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Die CDU habe damit rechte Positionen erst salonfähig gemacht, sagte Binder. „Da stellt sich doch die Frage, wer hier wem den roten Teppich ausrollt.“
Möglicherweise sind Razavis Äußerungen im Zusammenhang mit einem Rechtsruck der Kreis-CDU zu sehen, über den spekuliert wird, seitdem der langjährige Bundestagsabgeordnete Klaus Riegert, der zur Parteilinken gezählt wird, nicht mehr für die nächste Bundestagswahl nominiert, sondern durch den konservativen Landwirt Hermann Färber ersetzt wurde.
Was macht der Mann im Thor-Steinar-Hemd?
Dass es die CDU mit der Abgrenzung nach rechts nicht so ernst nimmt, zeigt ein Vorfall beim Göppinger Stadtfest. Am CDU-Stand hat ein Mann mit verdächtig kurzen Haaren und Thor-Steinar-Hemd bedient. Die Marke gilt laut dem Verfassungsschutz als einschlägiges Erkennungsmerkmal der Naziszene. Bei der CDU hält man jede Nachfrage aber für absurd. Der Helfer sei „definitiv kein Nazi“, betonte die Stadtverbandsvorsitzende Gabriele Keppeler. Ein CDU-Mitglied sei er aber auch nicht. Wie dem auch sei: mit einem Thor-Steinar-T-Shirt dürfte der junge Mann nicht in den Bundestag einziehen. Dort, wie auch in vielen Fußballstadien, ist das Tragen der Marke verboten.