Die Karakum in Turkmenistan gehört zu den trockensten Gegenden der Erde. Mitten in dieser riesigen Wüste befindet sich ein loderndes Loch – der Krater von Derweze. Wenn man in dieses „Tor zur Hölle“ blickt, scheinen sich die Pforten der Unterwelt zu öffnen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Mitten im Nirgendwo der 400 000 Quadratkilometer großen Karakum-Wüste liegt das „Tor zur Hölle“. Ein loderndes Loch mitten im Erdboden, apokalyptisch anzusehen, aus dem permanent Feuer, Flammen und Rauch in den Himmel der Einöde aufsteigen.

 

„Jähenneme açylan gapy“

Bis zur 350-Einwohner-Gemeinde Derweze, etwa 260 Kilometer nördlich der turkmenischen Hauptstadt Aşgabat gelegen, sind es auf der Landstraße ein paar Kilometer. Mit dem Auto oder dem Motorrad eine holprige und staubige Fahrt von nur wenigen Minuten.

Doch kaum jemand würde das unbedeutende Örtchen kennen, gäbe es dort nicht das „Jähenneme açylan gapy“, wie die auf der Erde einmalige Attraktion auf Turkmenisch heißt.

„Tor zur Hölle“ – weder Hades noch Inferno

Das turkmenische „Tor zur Hölle“ ist ein seit 52 Jahren in Flammen stehendes, brennendes Erdgasloch. Foto: Imago/Pond5 Images
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Der Krater von Derweze entstand bei einer Routine-Gasbohrung nach dem fossilen Rohstoff, der in dieser Region in rauen Mengen im Erdboden schlummert. Foto: Imago/Pond5 Images

Wenn Sie beim „Tor zur Hölle“ an die Unterwelt Erebos oder den Hades aus der griechischen und römischen Mythologie oder an das „Inferno“ aus dem epischen Gedicht „Divina Commedia“ („Göttliche Komödie“) des italienischen Renaissance-Schriftstellers Dante Alighieri denken, liegen Sie völlig falsch.

Das turkmenische „Tor zur Hölle“ ist ein seit 52 Jahren in Flammen stehendes, brennendes Erdgasloch. Das auch Krater von Derweze (englisch: Darwaza Gas Crater – The Door to Hell) genannte Loch entstand in Sowjetzeiten bei einer Routine-Bohrung nach dem fossilen Rohstoff, der in dieser Weltgegend in rauen Mengen im Erdboden schlummert.

Bis heute ist der Derweze-Krater öffentlich zugänglich. Foto: Imago/Pond5 Images
Da es aber keine Straßenschilder gibt und die Anreise äußerst beschwerlich ist, hat er sich nicht zu einer Touristenattraktion entwickelt. Foto: Imago/Pond5 Images
Hinzu kommt, dass die turkmenische Regierung versucht, Touristen von der CO2-Schleuder fernzuhalten. Foto: Imago/Pond5 Images

Wie es zu dem Krater von Derweze kam

Am 8. Januar 2022 gab Turkmenistans damaliger Machthaber Gurbanguli Berdimuchamedow bekannt, dass der glühende Schlund gelöscht werden sollte. Nachdem sein Sohn Serdar Berdimuchamedow im März 2022 zum Nachfolger gewählt worden war, ist davon in dem zentralasiatischen Binnenstaat, der mit 488 100 Quadratkilometern Fläche etwa so groß ist wie Spanien, allerdings keine Rede mehr.

Der Krater von Derweze entstand, als sowjetische Experten in der damaligen Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik in einen Hohlraum nach Erdgas bohrten. Als die dünne Erddecke unter dem Gewicht der schweren Bohrplattform einbrach, entstand ein 5350 Quadratmeter großes Loch mit einer Tiefe von 30 Metern und einem Durchmesser von 70 Metern, aus dem bis heute große Mengen Methangas ausströmen.

Das aus dem Krater ausströmende Methan ist wie Kohlendioxid ein Treibhausgas. Foto: Imago/Pond5 Images
Nur dass der Treibhauseffekt eines Methanmoleküls ungefähr 30-mal so hoch wie der eines CO2-Moleküls. Foto: Imago/Pond5 Images
Da die Verschließung des Kraters zu teuer ist, lassen die Behörden das Gas einfach weiter abbrennen. Foto: Imago/Pond5 Images

Alle Löschversuche sind bisher erfolglos geblieben

Bis heute sind alle Löschversuche erfolglos geblieben, so dass sich der Brand zu einem Dauerfeuer entwickelte. Um zu verhindern, dass sich die gefährlichen Methan-Dämpfe aus dem Erdloch weiter ausbreiteten, beschlossen die Fachleute, das ausströmende Gas einfach abzufackeln. Im Jahr 2018 benannte Berdimuchamedow Senior den Krater zwar in „Das Leuchten von Karakum“ um, doch dem viel griffigeren Namen „Tor zur Hölle“ konnte diese "Schönschwätzerei" nichts anhaben.

Der Geowissenschaftler Ralf Littke von der RWTH Aachen University geht davon aus, dass der Einsturz ein „unglücklicher Zufall“ war. Damals sei offenbar „ein größerer Hohlraum, wie eine Karsthöhle, angebohrt worden. Anders lässt sich die Entstehung eines solchen Kraters nicht erklären.“

Das aus dem Krater ausströmende Methan ist wie Kohlendioxid ein Treibhausgas. Nur dass der Treibhauseffekt eines Methanmoleküls ungefähr 30-mal so hoch wie der eines CO2-Moleküls. Deswegen sei es sinnvoll gewesen nicht Methan, sondern CO2 in die Atmosphäre entweichen zu lassen, erklärt Geologe Littke. „Und deswegen hat man wohl das Gas angezündet.“

Vor allem Nachts ist der Blick auf das lodernde Loch faszinierend. Foto: Imago/Pond5 Images
Im Untergrund gibt es Kanäle – sogenannte Vents –, durch die weiterhin Methan in Richtung Erdoberfläche in den Krater strömen kann. Foto: Imago/Pond5 Images
Solche Ausströmvorgänge können viele Jahrzehnte andauern. Im Fall vom Derweze-Krater schon 32 Jahre. Foto: Imago/Pond5 Images

Jahrzehntelanges Dauerfeuer nach dem Blowout

Normalerweise enthält ein solcher Hohlraum nur in begrenzter Menge Erdgas, sodass einzige Zeit nach einem explosionsartigen Blowout kein Gas mehr nachströmt. Doch im Fall von Derweze existieren offenbar Kanäle – sogenannte Vents – in den Untergrund, durch die weiterhin Methan in Richtung Erdoberfläche in den Krater ströme, wo es dann verbrennt, erklärt der Geowissenschaftler.

„Solche Ausströmvorgänge können viele Jahrzehnte andauern“, so Littke. „Auch die normale Gasförderung aus Reservoirgesteinen ist normalerweise auf 30 bis 70 Jahre ausgelegt. Das Gas strömt also in der Regel sehr langsam in den Gesteinen.“ Zudem sei der Derweze-Krater im Vergleich zu den brennenden Kohlefeldern in Indien und China ökologisch „eine Marginalie“.

Technisch wäre es zwar möglich das Gasloch zu verschließen, doch dies wäre aufwendig und teuer. Für ein relativ armes Land wie Turkmenistan ist das keine Option, sodass man das Höllentor einfach weiter brennen lässt. Erdgas hat Turkmenistan ohnehin in Hülle und Fülle. Das Sieben-Millionen- Einwohner-Land verfügt über die viertgrößten Erdgasvorkommen der Welt.

„Tor zur Hölle“ ist ein Insider-Tipp geblieben

Bis heute ist der Derweze-Krater öffentlich zugänglich. Da es aber keine Straßenschilder gibt und die Anreise auf den häufig nicht asphaltierten Straßen Turkmenistans äußerst beschwerlich ist, hat das lodernde Loch sich nicht zu einer Touristenattraktion entwickelt. Hotels und selbst einfache Übernachtungsmöglichkeiten sucht man in dieser Einöde ohnehin vergebens. Hinzu kommt, dass die Regierung im fernen Aşgabat versucht, Ausländer von der CO2-Schleuder fernzuhalten.

So ist Turkmenistans „Tor zur Hölle“ ein Insider-Tipp für neugierige Forschungsreisende und abenteuerlustige Backpacker geblieben. Und vielleicht ist das auch gut so.