Die Firma Tyn-e entwickelt vollelektrische Kompakttransporter und stößt bei Handwerkern auf Interesse. Doch die Überlegungen für den Einsatz dieser Fahrzeuge gehen noch viel weiter.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau : Klaus Köster (kö)

Vier Jahre lang arbeiteten die Beteiligten im Verborgenen an dem Projekt, nun präsentierten sie es in Waiblingen. In der ehemaligen Druckerei des dortigen Zeitungsverlags entsteht die Zentrale eines kleinen Unternehmens mit großen Plänen. Die Firma Tyn-e entwickelt elektrische Kompakt-Lieferwagen und lässt sie von dem chinesischen Unternehmen Shadong Horche bauen. Die ersten drei Modelle hat das Unternehmen nun vorgestellt. Das erste soll bereits im Juni auf den Markt kommen.

 

Tyn-e ist ein Gemeinschaftsunternehmen zweier Eigentümer: Der eine ist die Firma shareX, hinter der der Waiblinger Zeitungsverleger Ullrich Villinger steht; der andere ist die Markdorfer Firma Albert Weber, die Motorblöcke und Zylinderköpfe für die Autoindustrie herstellt. Rechtlich gilt Tyn-e als Autohersteller, der die Fahrzeuge in den Markt bringt und auch die Papiere ausstellt.

Ideen in Zeiten der Transformation

So unterschiedlich die beiden Eigentümerfirmen sind, so sehr sind sie in dem Ziel geeint, für ihre Unternehmen in Zeiten der Transformation eine neue Zukunft zu suchen. Kein Auto mit Verbrennungsmotor kommt ohne Motorblöcke und Zylinderköpfe aus, wie sie Weber herstellt – aber dieses Geschäft geht zurück. „Wir integrieren Stück für Stück elektrische Komponenten“, sagt Eberhard Wizgall, für Technik zuständiger Geschäftsführer des Markdorfer Unternehmens und in vergleichbarer Funktion auch für Tyn-e tätig.

Auch die Zeitungsbranche steht vor einer Transformation hin zu digitalen Inhalten, die mit sinkenden Auflagen der gedruckten Zeitung einhergeht. Der Druck der Zeitungen des Waiblinger Verlags wurde inzwischen an einen anderen Verlag vergeben; nun sucht das Unternehmen neue Geschäftsfelder im Bereich der Logistik, wie sie ein Verlag auch für die Zeitungszustellung benötigt.

Handwerksbetriebe und Kommunen zeigen Interesse

Die ursprüngliche Idee hinter den neuen Unternehmen war der Aufbau einer Citylogistik, sagt Tyn-e-Chef Markus Graf. Gemeint ist damit der Transport von Gütern von Sammelstellen hin zu den Endkunden. Durch die Bündelung, so die Idee, lassen sich nicht nur Kosten sparen, sondern auch die Umwelt entlasten. Während solche Konzepte vielerorts Zukunftsmusik sind, ist das Interesse von anderer Seite schon real: das von Handwerksbetrieben und Kommunen. So nähmen viele Handwerksbetriebe ohnehin nur Aufträge im Umkreis von 30 oder 40 Kilometern an, sagt Graf. Diese hätten großes Interesse an einem auf das Notwendigste reduzierten Fahrzeug – und sie benötigten auch keine große Reichweite. Bis zu 150 Kilometer sind mit den Lithium-Eisenphosphat-Batterien der Fahrzeuge zu schaffen, die mit maximal 11 Kilowatt geladen werden können und ab 20 000 Euro erhältlich sind.

Drei Modelle in verschiedenen Größen, bringt das Unternehmen an den Start – alle haben eines gemeinsamen: dass es keine Sonderausstattungen gibt. Den typischen Einsatzfall beschreibt Graf so: Der Malermeister bekommt einen größeren Auftrag und muss am ersten Tag erst einmal einige größere Gerätschaften zum Kunden bringen. Dafür nutzt er das große Fahrzeug. Ist die Arbeitsstelle erst einmal eingerichtet, schickt er an den Folgetagen seine Mitarbeiter dorthin, die vielleicht noch mal einige Eimer Farbe oder eine kleine Leiter mitnehmen müssen. Dafür reicht dann das kleinere Fahrzeug. Außer Malern hätten sich auch Bäcker, Metzger und sogar ein Tierbestatter gemeldet. Kommunen hätten ebenfalls Interesse an den Fahrzeugen geäußert, etwa für ihre Bauhöfe oder Gartenämter.

1000 Bestellungen aus Spanien

Die ursprüngliche Idee, die Fahrzeuge auch für die Citylogistik einzusetzen, ist damit aber nicht vom Tisch. Erst vor kurzem hat ein Konsortium, dem auch der Waiblinger Zeitungsverlag angehört, die Mehrheit an der Stuttgarter BW-Post übernommen. Für die BW-Post Rems-Murr seien die Fahrzeuge schon heute erfolgreich im Einsatz, sagt Villinger.

Der bisherige Erfolg hat das Unternehmen selbst überrascht. Allein aus Spanien liegen bereits 1000 Bestellungen vor, so Graf. Schon um Händler dort mit Vorführautos auszustatten, würden Hunderte Fahrzeuge benötigt. Läuft es gut, hält er einen Absatz von 20 000 bis 30 000 Fahrzeugen über die nächsten fünf Jahre für machbar.

Trotz der hochfliegenden Pläne will das neue Unternehmen bodenständig bleiben. Ganz wichtig sei ein verlässliches Aftersales-Geschäft, zu dem Reparaturen und die Lieferung von Ersatzteilen gehören. Deshalb arbeitet man auch ganz konventionell mit Händlern zusammen. Dass man Fahrzeuge in den Markt bringt, die dann für längere Zeit herumstehen, dürfe auf keinen Fall passieren. „Wir verkaufen lieber 100 Autos weniger als Fahrzeuge in den Markt zu bringen, bei denen wir den Service nicht sicherstellen können“, sagt Villinger.