Vor einem Jahr ist während zweier fataler Nächte ein Großteil der Obsternte zerstört worden. Erzeuger fordern mittlerweile eine Frost- und Hageleversicherung mit Steuerbeteiligung. Im Herbst könnte der Landtag über Zuzahlungen entscheiden.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Nach aktuellen Wetterprognosen verläuft die Obst- und Weinblüte unter günstigen Bedingungen. Aber den 20. und 21. April 2017 vergisst die Landwirtschaft im Südwesten wohl nie mehr. Nach einem milden Februar und einer viel zu frühen Blüte Ende März machten Minustemperaturen die Ernte von Äpfeln, Steinobst und teilweise auch Wein zunichte. Bloß keine Wiederholung dieser Naturkatastrophe, sagen die Bauern. Doch was lässt sich unternehmen?

 

Die Landwirte

Die millionenschweren Landeshilfen retteten auch schwer angeschlagene Obstbauern vor der Pleite, sagt Kathrin Walter, die Geschäftsführerin des Landesverbands Erwerbsobstbau, in dem knapp 3000 südwestdeutsche Betriebe organisiert sind. „Die Betriebe sind so weit liquide, dass sie wirtschaften können.“ Weniger glimpflich wirkte sich der Frost auf die württembergischen Weinbauern aus. „Alle werden sich nicht retten können“, sagt Hermann Hohl, der Präsident des Weinbauverbandes Württemberg mit seinen 15 000 Mitgliedsbetrieben. Im vergangenen Herbst sind im Württembergischen nur 83 Millionen Liter Wein erzeugt worden. Möglich wären in Spitzenjahren 120 Millionen Liter. Der Jahrhundertfrost habe den Strukturwandel rapide beschleunigt. „Viele ältere Kollegen haben gesagt: ,Jetzt höre ich auf.“

Die Verbraucher

Wer jetzt noch deutsche Äpfel kaufen kann, braucht ein glückliches Händchen und muss meist mehr bezahlen. Denn die Kühllager, aus denen die Märkte übers Jahr beliefert werden, sind leer – aufgrund der verschwindend geringen Ernten 2017. „Wie mir die Kollegen sagen, sind die Lager auf null“, sagt die Verbandsgeschäftsführerin Walter. Das gelte vor allem für Bodenseeäpfel. Es bleibt Ware aus Übersee. Anders ist die Lage beim Wein. Die badischen Winzer sind nach Angabe von Peter Wohlfahrt, dem Geschäftsführer des badischen Winzerverbandes (17 000 Mitglieder), bis kommenden Herbst weiter lieferfähig. „Wir hatten ja 2016 mengenmäßig und qualitativ einen guten Jahrgang.“ 60 Prozent der Produktion aus Baden sind Weißwein. Aber noch so ein Frost, sagt Wohlfahrt, dann käme es zum Drama. Wer nicht liefere, werde von den großen Handelsketten ausgelistet. „Wenn man mal raus ist aus dem Regal, braucht man mindestens fünf Jahre, bis man dieses Niveau wieder erreicht hat.“ Und an der Preisschraube lässt sich aufgrund des internationalen Angebots und des Preisdrucks kaum drehen.

Die Technik

Nächtliche Holzfeuer in den Plantagen, Helikopter, die Luft aus höheren, wärmeren Schichten Richtung Boden drücken, Frostberegnungsanlagen, die Blüten mit einem schützenden Eispanzer umgeben, Heizdrähte – all das sind Lösungen, die in den Köpfen von Bauern schwirren. Allerdings: Bei Frösten wie vor einem Jahr hilft alle Technik nichts. Der Aufbau eines Systems mit Heizdrähten im Weinbau kostet laut Präsident Hohl rund 15 000 Euro pro Hektar – zu viel für einen Durchschnittsbetrieb. Am konkretesten sind derzeit Überlegungen, Regenauffangbecken für Frostberegnungsanlagen anzulegen. Am Bodensee, im Raum Ludwigsburg oder im Kreis Heilbronn treiben Landwirte zusammen mit Wasserschutzbehörden Gemeinschaftsprojekte voran. Es handle sich allerdings um „Generationenaufgaben“, so Verbandschefin Walter. Die badischen Winzer wollen zum Preis von 120 000 Euro ein drittes Hagelflugzeug kaufen, das ab Herbst im Bereich des Tunibergs (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) stationiert wird.

Die Versicherungslösung

Versicherungen wie die Vereinigte Hagel bieten Absicherungen auch gegen Frostschäden an. Allerdings gelten die Policen unter Bauern als unrentabel. Die aktuelle Forderung: Der Staat soll sich, wie zum Beispiel in Österreich, an einer „Mehrgefahrenversicherung“ beteiligen, die auch Hagelschäden einschließt. Die Idee ist, dass die Landwirte 50 Prozent der Beiträge zahlen, Land und Bund jeweils 25 Prozent. Der Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) befürwortet den Plan. „Hierzu laufen aktuell intensive Gespräche mit der Versicherungswirtschaft, den Erzeugerverbänden und dem Bund“, sagt er. Im Herbst will Hauk dem Landtag eine Konzeption zur besseren Risikovorsorge für Landwirte vorlegen – dann auch einschließlich einer Kostenrechnung.