Aus dem Normalen was Besonderes machen. Diesen Ansatz seiner Arbeit, sagt Starkoch Johann Lafer, teilt er mit Künstler Tim Bengel. Beim Event im Stadtpalais feiern die beiden mit Gauthier Dance das Kraut – auch eine Sneaker-Edition gibt’s nun zum „Superfood“.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Nur noch ganz selten isst Spitzenkoch Johann Lafer Fleisch und berichtet gern, wie gut ihm das tut. Nahezu ohne Schmerzen lebe er, seit er seine Ernährung umgestellt hat. Zuvor machte dem 65-Jährigen Arthrose schwer zu schaffen. Obendrein habe er durch den weitgehenden Fleisch- und Zuckerverzicht zehn Kilo abgenommen. Vom veganen Künstler Tim Bengel aus Esslingen, dem das Tierwohl sehr wichtig ist, lässt sich der gebürtige Österreicher deshalb gern einladen, um im Stadtpalais ein oft unterschätztes, aber nachhaltiges Gemüse zu zelebrieren. Bei diesem Event gilt: Kraut is the King! „Krauts“ hat man die Deutschen genannt. Die „Krauts“ von Stuttgart sind stolz auf das Comeback ihres Superfoods.

 

Lafer isst Fleisch nur noch ganz selten und zu besonderen Anlässen

„Wenn ich heute Fleisch esse, muss es ein besonderes sein“, sagt Lafer, „dann auch nur in kleinen Mengen und zu besonderen Anlässen.“ An diesem Abend wird auf dem Wasen das Cannstatter Volksfest eröffnet, in der MHP-Arena gewinnt der VfB – und trotzdem ist es proppevoll im Stadtpalais, wo der TV-Koch den geladenen Gästen (Karten konnte man nicht kaufen) zeigt, was sich aus Kraut machen lässt.

Gleichzeitig präsentiert die Schuhfirma Sioux ihre neue Edition von veganen Sneakern, die sie unter dem Namen Superkraut One mit Tim Bengel in einer limitierten Auflage von 999 Paaren am Freitag auf den Online-Markt gebracht hat. So exklusiv sind die Schuhe, dass man sie nicht im Handel kaufen kann, sondern nur im Netz für 149 Euro. Ein Zierstreifen im Krautdesign, von Bengel entworfen, schmückt die Seiten der weißen und schwarzen Sneaker.

Kein Leder wird für die Schuhe verwendet – es sind Traubenreste

Spitzkraut wurde dafür nicht verarbeitet. Was nach Leder aussieht, besteht in Wahrheit aus pflanzlichen Materialien: etwa aus Traubenresten der Weinherstellung, sowie aus Pflanzenölen und Naturfasern aus der Landwirtschaft. Irgendwann könne man dafür auch Kraut von den Fildern verwendet, sagt Sioux-Ceo Lewin Berner.

Die dank Mokassins berühmte Marke Sioux, 1954 im württembergischen Walheim gegründet, will den Spagat schaffen, trendy zu sein und trotzdem die Tradition zu wahren. In der Indianer-Sprache, sagt Berner, könne sein Namen vielleicht „Unruhiger Geist“ heißen. Immer auf dem Sprung sein, lautet seine Devise, um im schwierigen Schuhmarkt nicht unterzugehen. Immer auf dem Sprung ist auch Tim Bengel, der das heimische Kraut zum „Superfood“ erklärt.

Superfoods sind Lebensmittel, die mehr können als andere, die mehr Wirk- und Vitalstoffe liefern als die üblichen Nahrungsmittel. Kraut ist vitamin- und ballaststoffreich, ist obendrein regional und muss nicht hergeflogen werden. Tim Bengel hat das Superkraut-Festival im Stadtpalais mitinitiiert, die Ausstellung kuratiert und eine Kraut-Skulptur vor dem Eingang aufgestellt. Als er einen goldenen Avocado-Bagel schuf, wurde er gefragt, warum er ausgerechnet eine Trendfrucht aus Übersee mit bitterem ökologischen Beigeschmack groß herausbringen müsse. Jetzt also will er dem heimischen Kraut zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Johann Lafer etwa serviert es gerollt – mit umwerfender Füllung. Rotkraut paniert er und brät es wie ein Schnitzel an. Die Gäste sind begeistert.

„Der Sneaker-Boom ist vorbei“

Eigentlich sei der Sneaker-Boom vorbei, erklärt Sioux-Chef Berner. Nach der Pandemie und dem Ende von Homeoffice steige der Umsatz der Business-Schuhe. „Weltweit beherrschen fünf Big Player den Sneakermarkt“, sagt er. Auch wenn die Bengel-Superkraut-Schuhe keinen hohen Gewinn abwerfen, sind sie ihm wichtig In der heutigen Zeit müsse man ein Zeichen für Nachhaltigkeit setzen und zeigen, dass man für die Erde Verantwortung übernimmt.

Die Herstellung der Schuhe erklärt der Sioux-Ceo so: „Unsere Kreppsohlen sind handgefertigt aus 100 Prozent Naturkautschuk, also vollständig biologisch abbaubar. Gewonnen wird dieser aus der Milch des Hevea-Baums. Diese wird mit Essigsäure vermengt, ausgewalzt, getrocknet und verpresst – ganz ohne Chemie. Anschließend werden die Sohlenstreifen ausgestanzt und in Handarbeit verklebt.“

Gauthier Dance tritt in Sneakern auf

Während Lewin Berner dem Publikum das alles erklärt, kommt ein bekanntes Stuttgarter Gesicht auf die Bühne. Eric Gauthier entreißt ihm das Mikrofon und sagt: „Jetzt müssen wir klären, ob die neuen Sneaker was taugen.“ Mit zwei Tänzerinnen und zwei Tänzern von Gauthier Dance schafft er sich Platz im Publikum – nun wird in Sneakern ganz großartig getanzt. Der Österreicher Johann Lafer erlebt an diesem Abend: Die schwäbische Zurückhaltung ist wohl ein Klischee – denn hier beim Krautevent wird richtig stolz und selbstbewusst aufgedreht.