Aufsichtsrat und Vorstand des VfB Stuttgart wollen den ehemaligen S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich zum Präsidenten wählen lassen. Der Erstliga-Absteiger startet damit ein gewagtes Projekt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Wenn Wolfgang Dietrich bei einem Fußballclub ins Spiel kommt, dann ist es um den nicht besonders gut bestellt. Früher stieg der Leonberger als Chef der Firma Quattrex finanziell ein – wenn die Banken keine Kredite mehr gegeben haben. Seine Darlehen ließ sich Dietrich, dessen Geschäftsidee auf den steigenden TV-Einnahmen im Profifußball basiert, gut verzinsen. Obwohl der 68-Jährige im Mai seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der Quattrex Sports AG aufgegeben hat, bittet ihn nun wieder ein Krisenverein um Hilfe. Diesmal geht es nicht ums Geld, sondern um das große Ganze.

 

Wolfgang Dietrich soll Präsident des VfB Stuttgart werden und die nach dem Rücktritt von Bernd Wahler vakante Schlüsselposition übernehmen. Das ist der Wunsch von Aufsichtsrat und Vorstand des Erstliga-Absteigers. Die Entscheidung, sich den Mitgliedern bei der Hauptversammlung am 9. Oktober zur Wahl zu stellen, scheint nun allein bei Wolfgang Dietrich zu liegen. Und der will bis kommenden Montag, dem Tag des Zweitligastarts gegen den FC St. Pauli, die abschließenden Gespräche mit dem nominierenden Aufsichtsrat, bestehend aus Martin Schäfer (Würth), Wilfried Porth (Daimler) und Hartmut Jenner (Kärcher), geführt haben.

Hermann Ohlicher steht für den Chefposten nicht zur Verfügung

Im Gegensatz zur derzeitigen Vereinsführung löst der Präsidentschaftskandidat Wolfgang Dietrich bei der VfB-Basis ganz sicher nicht die große Begeisterung aus. Als Sprecher von Stuttgart 21 war Dietrich äußerst umstritten und Feindbild der Projektgegner (siehe dazu der untere Text auf dieser Seite). Auch bei VfB-Angestellten gibt es deshalb die Sorge, dass so ein belastender Konflikt in den Verein hineingetragen wird und der mögliche neue Präsident spaltet und nicht eint.

Die große Konsenslösung ist Dietrich sicher nicht, im Gegensatz zu dem ehemaligen VfB-Spieler und Vereinsidol Hermann Ohlicher. Er steht für das Präsidentenamt, das künftig wieder ein ehrenamtliches sein wird, jedoch auch aus privaten Gründen nicht zur Verfügung. „Es ehrt mich aber, dass in diesem Zusammenhang mein Name fällt“, sagt Ohlicher, der nach StZ-Informationen bald einem erweiterten Aufsichtsrat (zusammen mit Franz Reiner von der Mercedes-Benz-Bank) angehören soll, um die Sportkompetenz in diesem Gremium zu erhöhen.

„Wenn sich jemand findet, der geeigneter ist als ich, würde ich ihn unterstützen“

Nicht nur seine Kontakte in Sport und Wirtschaft sprächen für Wolfgang Dietrich, sagt Hermann Ohlicher, der außerdem das Durchsetzungsvermögen des potenziellen Vereinschefs anführt. Hermann Ohlicher weiß aber ebenso, dass Wolfgang Dietrich „auch polarisieren kann“.

„Wenn sich jemand findet, der geeigneter ist als ich, würde ich diesen Kandidaten unterstützen“, sagt Wolfgang Dietrich gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Ihn selbst reize diese Aufgabe mittlerweile aber sehr. Allen Vorbehalten seiner Person gegenüber zum Trotz. Diese Skepsis hat natürlich auch mit der Firma Quattrex zu tun, die mittlerweile von Dietrichs Sohn Christoph geführt wird. Immer wieder stand der Seniorchef im Verdacht, sich als Geldgeber in die Vereinspolitik der Clubs einzumischen – zum Beispiel bei den Stuttgarter Kickers. Dem widerspricht Wolfgang Dietrich entschieden, ebenso der Vermutung, der Kickers-Manager Michael Zeyer sei sein verlängerter Arm beim Absteiger aus der dritten Liga und müsste sich deshalb keine Gedanken über eine Entlassung machen . „Das ist absoluter Quatsch. Da fragen Sie doch am besten den Präsidenten der Kickers, ob sich die Quattrex in die Vereinspolitik eingemischt hat“, sagt Dietrich. „Wenn jetzt solche Vorwürfe kommen, war das wohl keine gute Idee“, meint er zu dem Umstand, dass das Quattrex-Vorstandsmitglied Tobias Schlauch zeitweise gleichzeitig auch als Schatzmeister der Kickers tätig war.

Die Aktivitäten der Quattrex AG werfen einige Fragen auf

Das Quattrex-Engagement dürfte außerdem die Frage aufwerfen, ob es nicht doch einen Interessenkonflikt gibt, wenn Wolfgang Dietrich VfB-Präsident ist und sein Sohn das Unternehmen leitet. Andererseits liefert die Firma aber auch einen Grund, der für Wolfgang Dietrich spricht. Dank dieser Tätigkeit kennt er sich bestens aus im Fußballgeschäft, ist vernetzt und unterscheidet sich in dieser Beziehung ganz grundlegend von den beiden letzten VfB-Präsidenten Gerd Mäuser und Bernd Wahler. Dietrich weiß, wovon er spricht und mit wem er sprechen muss. Und er vertritt eine Überzeugung, bezieht Stellung. Diese Führungseigenschaften hätten dem VfB zuletzt gefehlt, heißt es im Vorstand.

Was wiederum Erwin Staudt von einem Vereinsboss erwartet, macht der VfB-Ehrenpräsident an diesen Kriterien fest: „Er muss Visionen entwickeln, die Leute mitnehmen und integrieren.“ Den Namen Dietrich will Staudt in diesem Zusammenhang nicht kommentieren.

„Ich bräuchte nicht 90 Prozent bei der Wahl, viel wichtiger wäre es mir, wenn ich nach einem Jahr mit diesem Ergebnis von den Mitgliedern entlastet werden würde“, sagt Wolfgang Dietrich, der die von der Tagesordnung verschwundene Ausgliederung irgendwann wieder dort auftauchen lassen will. „Ich halte das für die bessere Lösung“, sagte er, „aber sicher nicht für die einzige.“ Was den VfB angeht, hatte Wolfgang Dietrich eigentlich auch schon eine persönliche Lösung gefunden. Aus Enttäuschung über den Verein, bei dem er seit 42 Jahren Mitglied ist, weigerte er sich vier Jahre lang, ein Spiel zu besuchen. In der vergangenen Saison kehrte er zurück und sah die Niederlagen gegen Hannover und Mainz. Seitdem habe er für sich entschieden, dass er nicht mehr schimpfen wolle, sondern helfen. Fraglich ist jetzt allerdings, ob die Mitglieder diese Hilfe annehmen wollen.