Mit dem Feinstaubradar können unsere Leserinnen und Leser nachsehen, wie viel Feinstaub ganz aktuell bei ihnen in der Luft ist. Hier erklären wir, wie das funktioniert – und wie man mitmachen kann.
Stuttgart - Mit dem Feinstaubradar können Bürgerinnen und Bürger in der ganzen Region Stuttgart stündlich überprüfen, wie viel Feinstaub in der Luft ist – vor ihrer Haustür. Möglich wird das durch ein dichtes Netz von mehr als 300 Feinstaubsensoren.
Seit Beginn der Feinstaubperiode Mitte Oktober sammeln wir Daten zur Feinstaubbelastung – in Dutzenden Gemeinden in der Region, den Stuttgarter Stadtbezirken sowie in Tübingen, Reutlingen und Heilbronn. Die Daten veröffentlichen wir auf einer stündlich aktualisierten Karte sowie in Textform. Morgens sagen wir voraus, wie die Luft wird – und abends ziehen wir anhand der Messergebnisse Bilanz. Dabei betrachten wir Durchschnittswerte, aber auch Spitzen sowie Zeiten, in denen die Luft besonders gut war – und vergleichen das mit den Werten aus den Tagen davor. Somit lässt sich für jedes Gebiet einschätzen, wie gut oder schlecht die Luft gerade tatsächlich ist.
Feinstaub wird schon seit Jahren gemessen. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) hat Messgeräte im ganzen Bundesland verteilt. Doch die LUBW misst, das ist ihr gesetzlicher Auftrag, vor allem da, wo besonders viel Feinstaub in der Luft ist – bevorzugt an Hauptstraßen. Der bekannteste Ort in diesem Zusammenhang dürfte das Stuttgarter Neckartor sein. Hier werden die von der EU vorgegebenen Grenzwerte regelmäßig überschritten. Darüber hinaus misst die LUBW auch an sogenannten Hintergrundmessstellen, in Stuttgart steht ein solches Gerät an der Gnesener Straße in Bad Cannstatt. Mit den dort gemessenen Werten kann man anhand von Modellen näherungsweise berechnen, wie hoch die Feinstaubbelastung an anderen Stellen in der Stadt ist.
Für die LUBW sind die EU-Grenzwerte relevant – nämlich an wie vielen Tagen an einer Messstelle im Schnitt mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft gemessen und ob übers Jahr gerechnet mehr als 40 Mikrogramm in der Luft sind. Die Weltgesundheitsorganisation nutzt einen anderen Grenzwert. Demnach sind bereits 20 Mikrogramm Feinstaub langfristig schädlich. Während sich die politische Diskussion auch wegen der Dieselaffäre den Stickoxidwerten zugewendet hat, bleibt die Gefahr für die Bürger durch Feinstaub bestehen. Wie viel Feinstaub ist denn am Killesberg in der Luft, wie viel in der Böblinger Innenstadt oder im Remstal? Um das zu klären, messen wir in der Fläche und machen die Informationen allgemein zugänglich.
Wir beziehen die Daten vom OK Lab Stuttgart. Diese Gruppe hat einen günstigen Feinstaubsensor entwickelt, der rund 300 Mal nachgebaut und von Privatleuten in der Region aufgehängt wurde. Wir fassen für jeden Stuttgarter Stadtbezirk und jede Gemeinde die Messwerte der dort aufgehängten Sensoren zusammen und errechnen Stunden-, Tages- und Wochenmittel. So wollen wir ausgleichen, dass die Sensoren mal an der Straße hängen, mal im Hinterhof.
Die Daten visualisieren wir auf einer Livekarte. Dort kann man mithilfe eines Reglers den Verlauf der Belastung am jeweiligen Tag nachvollziehen. Die Feinstaubberichte wiederum lassen wir wegen der großen Menge der Texte (etwa 80 am Tag) automatisiert schreiben – mithilfe der Software von AX Semantics. Das Stuttgarter Unternehmen ist auf datenbasierte Textgenerierung spezialisiert.
Die OK-Lab-Sensoren sind viel einfacher als die teuren Geräte der LUBW. Vergleichsmessungen der LUBW haben jedoch ergeben, dass die Geräte die tatsächliche Feinstaubbelastung relativ gut messen. Nur bei besonders kalter und feuchter die Umgebungsluft melden sie überhöhte Werte. Außerdem neigen sie dazu, vereinzelt sehr hohe Werte zu messen. Dafür hängen die Geräte weniger an stark befahrenen Straßen und häufiger in Wohngebieten – logisch, vor allem Privatleute bringen sie an ihren Hausfassaden an. Somit geben sie ein anderes Bild von der Feinstaubbelastung. Sie zeigen, wie viel Feinstaub da ist, wo die Leute leben.
Bevor wir die Messwerte veröffentlichen, kappen wir die Extremwerte. Sensoren, die dauerhaft extreme Werte senden, fallen raus. Außerdem fassen wir fast überall mehrere Sensoren zusammen. Somit sind die von uns aufbereiteten Daten gegen Ausreißer immun. Sie geben die tatsächliche Feinstaubbelastung in einem Gebiet aber nur näherungsweise wieder, außerdem kann die Belastung innerhalb der Gebiete variieren: Sie ist etwa an einer Hauptstraße höher als in Wohngebieten. Die von uns verarbeiteten Feinstaubwerte dienen daher der Orientierung und der öffentlichen Debatte über die Luftqualität, eignen sich jedoch nicht für den Einsatz in rechtlichen Auseinandersetzungen. Das können nur die amtlichen Messungen der LUBW leisten.
Der Dienst Kachelmannwetter hat ein hochauflösendes Modell entwickelt, das vorhersagt, wie gut Schadstoffe aus der bodennahen Luft entweichen können – ähnlich wie der Stuttgarter Feinstaubalarm, nur eben für die gesamte Region Stuttgart. Feinstaub bleibt natürlich vor allem dort in der Luft, wo er emittiert wird - von Autos, Industrieanlagen oder sogenannten Komfortöfen in den Wohngebieten. Das Modell von Kachelmannwetter sagt voraus, wie gut Feinstaub aus diesen und anderen Quellen, sofern er vorhanden ist, entweichen kann.
Ja, das kann man. Es ist auch sinnvoll, denn jedes weitere Feinstaubgerät verbessert die Aussagekraft der Messungen und damit unserer Berichterstattung. Der Zusammenbau der Messgeräte ist einfach und die Kosten überschaubar (siehe Anleitung auf dieser Seite).
Die Redaktion hat selbst zehn Bausätze für Feinstaubmessgeräte erworben und zusammengebaut. Die Sensoren wurden am Weltkalibrierzentrum Tropos in Leipzig auf ihre Tauglichkeit überprüft und werden in den nächsten Wochen an zentralen Orten in der Region aufgehängt, an denen bisher noch nicht gemessen wird. Zudem werden wir die amtlichen Messwerte der LUBW in unsere Datenbank einspeisen. Anfang 2018 wollen wir außerdem interessierte Bürger, Bastler und Internetexperten bei einem Hackathon zusammenbringen. Dort können sie über weitere Einsatzmöglichkeiten unserer Feinstaubdaten diskutieren.