Nach Ansicht der Verbraucherschützer ist bei einem Umtausch von Dieselautos Vorsicht geboten. Experten empfehlen: Zunächst mal nichts überstürzen. Doch auch das ist problematisch – zumindest für Stuttgarter.

Stuttgart - Nach dem Dieselkompromiss stehen die Fahrer älterer Diesel vor der Frage: Was heißt das jetzt für mein Auto? Experten empfehlen: Zunächst mal nichts überstürzen. Doch auch das ist problematisch – zumindest für Stuttgarter.

 

Was sollen Dieselfahrer jetzt tun?

„Bei Autos handelt es sich um keine Mitnahmeprodukte, man sollte keinen Schnellschuss machen“, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Man solle vor einem etwaigen Umtausch genau nachrechnen, was sich rentiere, sagt Buttler. Teilweise würden die Hersteller die zugesagten Umtauschprämien auf einzelne Baureihen einschränken, so etwa bei BMW. Dazu kommt, dass Händler mitunter auch jetzt schon satte Rabatte bieten – laut Buttler bei Online-Händlern sogar bis zu 30 Prozent. Das könne in Aussicht gestellte Umtauschprämien, die sich in Größenordnungen zwischen 4000 und 10 000 Euro abspielen, weitgehend aufwiegen – also im Endeffekt keinen Unterschied zu einem normalen Autokauf machen. Das hängt allerdings auch davon ab, ob die Umtauschprämie auf reguläre Verkaufsrabatte obendrauf kommt. Und das ist nicht geklärt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) rät auch beim Kauf eines neuen Diesel zur Vorsicht. Die Abgasklasse Euro 6 ist in Unterstufen Euro 6 b, 6 c und 6 d-TEMP unterteilt. Die DUH empfiehlt, nur Euro 6 d-TEMP-Diesel zu kaufen, „und das nur mit der Zusage der Hersteller, dass diese ohne Abschalteinrichtung funktionieren“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Für die Klassen 6 b und 6 c erwartet er Fahrverbote in den nächsten Jahren. Gerade Stuttgarter stehen unter Zeitdruck: Ab Januar 2019 sind Fahrverbote für Euro-4-Diesel geplant. Die Kfz-Innung klagt gegen das geplante Fahrverbot.

Was planen ausländische Autobauer?

Von den ausländischen Autoherstellern hat nach Angaben von Thomas Almeroth, Geschäftsführer beim Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller, bisher nur Renault Umtauschprämien zugesagt. Der Verband rechnet damit, dass sich weitere ausländische Autobauer anschließen. Eine Hardware-Nachrüstung werde dagegen von allen Herstellern aus dem Ausland abgelehnt, erklärt Almeroth. Dies geschehe aus technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen.

Sind Umrüster vorbereitet?

„Der Knackpunkt ist, dass die Regierung sagt, was die neuen Reinigungssysteme für die Abgase können müssen“, sagt Hubert Mangold, Geschäftsführer des Katalysatoren-Herstellers Oberland Mangold im oberbayerischen Eschenlohe. Mangold rüstet in seinem Unternehmen schon seit 30 Jahren Fahrzeuge nach. Er glaubt genug Erfahrung zu besitzen, um seine Systeme für die Abgasreinigung ohne großen Aufwand an die neuen Anforderungen anzupassen. Auch Martin Pley, der Chef eines Ingenieurbüros in Bamberg, hat schon länger Erfahrung mit der Reinigung von Abgasen. Er hofft, noch in diesem Jahr die ersten Betriebszulassungen zu bekommen. Etwa 500 Systeme im Monat könne er selbst bauen. „Geht es in Großserie mit bis zu 20 000 Stück monatlich, dann haben wir ein Netzwerk von Autozulieferern im Hintergrund“, sagt Pley. „Mit den von uns entwickelten Systemen kann dies in der Werkstatt in zwei Stunden geschehen“. Er rechnet damit, dass ab Juni 2019 Systeme in größerer Stückzahl auslieferbar sind. Roland Blind vom Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg sagt, „ein großer Teil der Euro-5-Fahrzeuge sind relativ einfach nachrüstbar“.

Was tun die Kommunen?

Auch wenn nach Ansicht von Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) noch vieles im Diesel-Konzept konkretisiert werden muss, erkennt er auch „positive Entwicklungen“. Dazu zähle die Förderung von Nachrüstungen bei Kommunalfahrzeugen. Wie groß das Potenzial ist, macht allein die Zahl von 800 Autos deutlich, die der Fuhrpark der Stadt Stuttgart umfasst. Er soll schrittweise vollständig auf emissionsfreie oder zumindest emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Derzeit sind acht Hybridfahrzeuge, 20 vollelektrische Pkw, 14-Elektroroller und mehr als 60 Pedelecs im Einsatz. Bis Ende 2018 will die Stadt 30 weitere E-Autos kaufen. Insgesamt sollen 243 Benziner und Diesel durch E- und Hybridautos ersetzt werden. Bei Müllfahrzeugen testet der Abfallwirtschaftsbetrieb gasbetriebene Lkw. Und die SSB, für die mehr als 250 Busse im Stadtgebiet unterwegs sind, will die letzten 30 Euro-3-Norm-Diesel im Frühjahr 2019 durch Euro-Norm-6-Fahrzeuge ersetzen. Insgesamt haben die SSB 50 emissionsarme Busse bestellt.

Reutlingen will ohne Fahrverbote auskommen. Die Kommune hat wie auch andere Städte im Land ein Bündel an Maßnahmen geschnürt. Neben Tempolimits und einem Durchfahrverbot für Lkw wurde auch die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs in Angriff genommen. Die Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft (RSV) rüstet ihre fast 100 Fahrzeuge starke Diesel-Busflotte bis Ende 2018 auf die Abgasnorm Euro 6 um. Erst vor Kurzem wurden elf neue Fahrzeuge gekauft, ein spezielles Förderprogramm für Städte mit starker Luftverschmutzung hat diese Großanschaffung möglich gemacht. Die Stadtverkehrsgesellschaft musste trotz Bezuschussung noch rund 2,6 Millionen Euro für den Kauf zahlen. Geplant ist künftig zudem eine Elektrifizierung der Busse. Bis 2025 soll ein Fünftel der Fahrzeuge elektrisch fahren.