Claus Mai hält an Bewährtem fest, aber frischer Wind, neue Ideen, und ambitionierte Ziele sind mit dem Wechsel an der Aufsichtsratsspitze von Frisch Auf Göppingen verbunden. Ein Alleinstellungsmerkmal möchte er stärker herausstreichen.
Göppingen - An der Garderobe am Eingang zu seinem Büro hängt ein Fan-Schal von Frisch Auf Göppingen, den Kaffee gibt es aus einer Tasse mit dem Emblem von Eintracht Frankfurt. Diese beiden Vereine sind die Lieblingsclubs von Claus Mai. In einem davon ist der gebürtige Hesse nun der einflussreichste Mann: Ende Juli übernahm der 54-Jährige bei Frisch Auf den Aufsichtsratsvorsitz von Ulrich Weiß. Der 76-Jährige stand seit 2005 an der Spitze des Kontrollgremiums. Der Unternehmer unterstützt den Handball-Bundesligisten seit zwei Jahrzehnten mit viel Herzblut, nach wie vor auch finanziell und wird als Ehrenvorsitzender, Gesellschafter und Sponsor den Grün-Weißen erhalten bleiben – in schwierigen Zeiten, in Corona-Zeiten.
„Schönstes Amt der Welt“
Dennoch musste sein Nachfolger nicht eine Sekunde darüber grübeln, das Angebot anzunehmen: „Für mich ist dies das schönste Amt der Welt, da überlegst du nicht lange, wenn du gefragt wirst“, sagt Mai vor dem Saisonstart am 6. Oktober (19 Uhr/EWS-Arena) gegen den HBW Balingen-Weilstetten (das Spiel am 1. Oktober in Essen wurde auf Ende Oktober verlegt). Was ihn daran reizt? Ein Lächeln blitzt auf, als er zur Antwort ansetzt: „Frisch Auf ist einer der letzten Traditionsclubs in der Bundesliga, ich bin sportinteressiert, spreche die Sprache der Sportler und ich finde es spannend, meine Ideen im Team umzusetzen.“
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Seit knapp vier Jahren ist der passionierte Langläufer, der dreimal beim Wasalauf startete, schon Beirats-Vorsitzender der Frisch-Auf-Frauen, die ebenfalls in der Bundesliga am Ball sind. Dieses Alleinstellungsmerkmal in Deutschland mit insgesamt vier Bundesligisten (Männer, Frauen und jeweils beiden A-Jugendteams) will er gemeinsam mit seinen Mitstreitern stärker herausarbeiten und weiterentwickeln. Am besten mit Hilfe eines oder mehrerer finanzstarker strategischen Partner, die sich für die Idee „mit der Kreisstadt Göppingen und Frisch Auf hinaus in die Welt“ begeistert. Die Vision: Irgendwann einmal die Champions League erreichen – mit beiden Teams. „Die Frauen spielen um 17 Uhr gegen Györ, die Männer um 20 Uhr gegen Barcelona – das wär’s“, sagt Mai mit leuchtenden Augen.
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Für manche mag das etwas realitätsfremd klingen. Die Frisch-Auf-Männer haben zwar 2011, 2012, 2016 und 2017 auf der europäischen Bühne den EHF-Pokal geholt, seitdem sind sie wie das Frauenteam (das mit zwei Niederlagen in die Saison startete) über das graue Mittelmaß in der Liga nicht hinausgekommen. Die letzte der insgesamt elf deutschen Meisterschaften datiert aus dem Jahre 1972. Damit kein falscher Verdacht aufkommt: Der frühere Spitzenmanager, der seit knapp einem Jahr als selbstständiger Unternehmensberater tätig ist, gehört nicht zur Kategorie großspuriger Fantast, er ist vielmehr als faktenorientierter Pragmatiker bekannt, der auch gerne Neues probiert und motivieren kann.
Ansprache vor EHF-Cup-Triumph
Vor dem überraschenden EHF-Cup-Triumph 2017 hielt Mai als Aufsichtsratsmitglied die Kabinenansprache an die Mannschaft. „Wenn von zehn Ideen auch nur eine zündet, dann ist doch schon etwas erreicht“, sagt er im Brustton der Überzeugung. Als müsse er seine Worte etwas wirken lassen, nippt er am Kaffee und nennt ein paar Beispiele, die ihm und seinem Team vorschweben: Das reicht vom Erschließen bisher unerreichter Handball-Märkte wie China und den USA (Mai: „Wer dort mit einem schlüssigen Konzept als Erster aufschlägt, hat eine Riesenchance“), bis hin zu 3-D-Brillen für Grundschulkinder, mit denen man ihnen die Faszination Handball virtuell näher bringen kann.
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Er weiß, dass es ein grandioser Irrtum wäre, zu glauben, dass beim Traditionsclub aus dem Filstal alles ganz schnell moderner wird, die Leuchtkraft der Marke Frisch Auf plötzlich wieder hell erstrahlt. Und ob seine Ära von Erfolg gekrönt sein wird, weiß keiner. Doch Claus Mai möchte alles Menschenmögliche dazu beitragen, dass es dazu kommt. „Wer hätte denn gedacht, dass Frankfurt 2018 den DFB-Pokal gegen die Bayern gewinnt und ins Europa-League-Halbfinale einzieht“, sagt er mit Blick auf seinen Fußball-Lieblingsclub. „Man muss Träume haben, aber auch hart arbeiten, um sie zu erreichen“, meint er zum Abschied und deutet mit der Eintracht-Tasse in der Hand auf den Frisch-Auf-Schal an der Garderobe seines Büros.