Deutschland hat 2023 mehr Gas eingespart als im ersten Jahr der Energiekrise. Daten zeigen, welche Rolle die Temperaturen spielen – und wie stark die Sparbemühungen nachgelassen haben.

Digital Desk: Simon Koenigsdorff (sko)

Es sind positive Töne, die die Bundesnetzagentur in Sachen Gasverbrauch für das Jahr 2023 anschlägt: „Deutschland hat viel Gas gespart“, heißt im Rückblick der Behörde auf die Gasversorgung des vergangenen Jahres – wie auch schon ein Jahr zuvor. Insgesamt hat Deutschland laut den Zahlen etwa 810 Terawattstunden (TWh) fossiles Gas verbraucht, das sind etwa fünf Prozent weniger als im Jahr 2022 und rund 17,5 Prozent weniger als im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021.

 

Ein genauer Blick in die Daten legt dabei offen: Nicht nur das warme Wetter, sondern auch das Sparverhalten der Verbraucher hat einiges zu diesen Zahlen beigetragen – doch während zu Jahresbeginn noch viel gespart wurde, ist der Gasverbrauch zuletzt wieder deutlich gestiegen.

Haushalte und Industrie sparen mehr Gas als im Vorjahr

Sowohl Industrie als auch Haushalte und Gewerbekunden haben 2023 ihren Verbrauch noch einmal stärker reduziert als im ersten Jahr der Energiekrise. Verbrauchte die Industrie im Jahr 2022 noch 15 Prozent weniger Gas als im Durchschnitt 2018 bis 2021, waren es im vergangenen Jahr 18,3 Prozent. Haushalte und Gewerbekunden verbrauchten 16,4 Prozent weniger (2022: zwölf Prozent).

Zu Beginn der Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte die Bundesnetzagentur ein Gas-Sparziel von 20 Prozent ausgegeben, das nun auch im zweiten Jahr zwar verfehlt wurde. Eine Gasmangellage erscheint jedoch trotzdem weit weg, weil die Gasspeicher sowohl im vergangenen wie auch im aktuellen Winter gut gefüllt blieben und ausreichend Gas importiert werden konnte. Aktuell liegt der Speicherstand in Deutschland bei über 90 Prozent.

Betrachtet man jedoch den Jahresverlauf, so war der Verbrauch nicht durchgehend so niedrig. Er lag vor allem in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 deutlich unter den Werten des Vorjahres. Im Sommer wird generell deutlich weniger Gas verbraucht; ab Oktober verbrauchten sowohl Privathaushalte als auch Industrie wieder deutlich mehr Gas als im Vorjahr, von zwei Wochen im Dezember abgesehen.

Warmes Wetter sorgt für weniger Heizbedarf

Die Bundesnetzagentur betont in ihrem Jahresrückblick, dass das oftmals warme Wetter deutlich „verbrauchsmindernd“ gewirkt habe. 2023 war in Deutschland das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – und dementsprechend im Schnitt auch wärmer als die Gas-Vergleichsjahre 2018 bis 2021.

Besonders bei Privathaushalten, die mit Gas heizen, hängt der Verbrauch stark davon ab, wie kalt es im Herbst und Winter wird. Trotzdem haben sie auch durch ihr eigenes Sparverhalten weniger Gas verbraucht – unabhängig vom Wetter. Das zeigen Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Forscher vergleichen den tatsächlichen Gasverbrauch damit, was anhand der Vorjahresverbräuche und der Temperatur zu erwarten gewesen wäre, und ermitteln daraus sogenannte temperaturbereinigte Einsparungen. Demnach sparten Haushalte und Gewerbe im Jahr 2023 rund 63 TWh Gas ein, doch davon waren nur 14 TWh rein auf die Witterung zurückzuführen.

Im Jahresvergleich zeigen die DIW-Daten deutlich, dass die Haushalte fast in allen Wochen des Jahres 2023 weniger verbraucht haben, als anhand des Wetters zu erwarten gewesen wäre.

Doch auch diese Sparbemühungen fallen in diesem Herbst schwächer aus als im Vorjahr. In den Wochen seit September lag die temperaturbereinigte Einsparung fast durchgehend unter dem jeweiligen Wert des Jahres 2022.

Welche Rolle spielen sinkende Gaspreise?

Ein möglicher Grund für das nachlassende Sparen: Im Unterschied zum vergangenen Winter geht keine Angst mehr vor einer möglichen Gasmangellage um, dazu sind die Gaspreise im Vergleich zu 2022 wieder gesunken. Darauf reagieren gerade auch preissensible Industrie- und Gewerbekunden. Teils wird das Gas zur Stromerzeugung verbrannt, Daten des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme zeigen jedoch, dass 2023 ähnlich viel Erdgas verstromt wurde wie 2022.

Auch für Haushalte sind die Gastarife sowohl in der Grundversorgung als auch für Neukunden inzwischen vielfach wieder gesunken, Bestandskunden zahlen jedoch weiterhin oft über dem Vorkrisenniveau. Beim Heizen zu sparen hat für Privatleute aber Grenzen: „Bei Haushalten kommt die psychologische Komponente hinzu, und auch die Wohnungen benötigen eine gewisse Mindesttemperatur“, erklärte dazu kürzlich Energieexperte Sebastian Gulbis vom Beratungsunternehmen Enervis gegenüber unserer Redaktion.