Die Unesco kann Stätten die begehrte Auszeichnung des Weltkulturerbes verleihen. Sie kann diese aber auch auf die sogenannte Rote Liste setzen – oder ihnen den Status des Weltkulturerbes gar ganz entziehen. Über Sinn und Zweck dieses Prozederes.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Die von der Unesco (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) geführte Liste des Welterbes umfasst aktuell 1157 Stätten von außergewöhnlichem universellen Wert in 167 Ländern, die besonders schützenswert sind. Es handelt sich um Kulturdenkmäler, Naturstätten und solche, die sowohl dem Kultur- als auch dem Naturerbe angehören.

 

Die rechtliche Grundlage

Mit dem Übereinkommen zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (Haager Konvention) wurden 1954 erstmals internationale Normen zur Erhaltung des Kulturerbes gesetzt. Grundlage für den Schutz der nicht nur durch Kriege, sondern auch durch eine Ausbreitung der Zivilisation bedrohten Kulturgüter und Naturstätten ist das in Paris verabschiedete Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, das 1975 in Kraft trat.

In Deutschland wurde es 1977 durch Bundesgesetz ratifiziert. Die beigetretenen Staaten verpflichten sich, das auf ihrem Gebiet befindliche Welterbe selbst zu erfassen, zu schützen und zu erhalten. Gleichzeitig sichern sie sich internationale Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe zu, um diese Aufgaben zu erfüllen. Beigetreten sind bisher 194 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen.

Die aktuelle Lage

Die Unesco überprüft regelmäßig den Zustand der zurzeit 1157 gelisteten Weltkultur- und Weltnaturerbestätten. Bei einem Treffen in Arabiens Hauptstadt Riad im September wird ein Ausschuss aus 21 Unesco-Mitgliedstaaten zu mehr als 200 davon entscheiden, welche auf die Gefahren – oder auch Rote Liste gesetzt werden sollen – zur Debatte steht etwa Venedig in Italien, aber auch etwa die Sophienkathedrale und zugehörige Klosterbauten in Kiew (Ukraine).

In Ausnahmefällen kann einer Stätte auch der Status als Welterbe entzogen werden. Zuletzt verlor die britische Küstenstadt Liverpool 2021 ihre Auszeichnung als Unesco-Weltkulturerbe.

Zugleich sollen 53 neue Anträge für die begehrte Einstufung als Unesco-Welterbe geprüft werden. Als deutsche Stätte steht das jüdisch-mittelalterlichen Erbe in Erfurt auf der Liste der Nominierten zum Kulturdenkmal beziehungsweise zur Naturstätte. Hinzu kommen etwa Gaya-Tumuli in Südkorea, Talatí de Dalt auf der Baleareninsel Menorca, das türkische Gordion sowie der Nationalpark Odzala der Republik Kongo.

Die Liste des gefährdeten Erbes der Welt

Auf die Liste des gefährdeten Erbes der Welt werden Natur- und Kulturerbestätten gesetzt, deren außergewöhnlicher universeller Wert „durch ernste und spezifische Gefahren bedroht“ ist. Dabei kann es sich sowohl um bereits bestehende als auch um mögliche Gefahren handeln. Die Einschreibung in die Liste des gefährdeten Erbes der Welt erfolgt durch das Welterbekomitee anhand einer Reihe von Kriterien.

Gefährdungen

Naturkatastrophen, Klimawandel, bewaffnete Konflikte, unkontrollierte städtische Entwicklungen und Infrastrukturmaßnahmen oder unkontrollierter Tourismus – die Bedrohungen von Welterbestätten sind vielfältig. So waren zum Zeitpunkt der Welterbekomiteesitzung 2018 55 Prozent der Naturerbestätten von illegalen Aktivitäten wie Wilderei, Plünderung und illegalem Handel mit Naturgütern betroffen.

Kulturerbestätten sind wachsendem Siedlungsdruck ausgesetzt – dies traf 2018 auf 46 Prozent der Stätten zu. Laut dem Bericht zum Status des Erhaltungszustands der Welterbestätten verfügen darüber hinaus 74 Prozent aller Welterbestätten weltweit nicht über angemessene Managementsysteme oder -pläne.

Was mit gefährdeten Stätten geschieht

Ziel der Aufnahme in die Liste des gefährdeten Erbes der Welt ist nicht die Abstrafung einer Stätte oder eines Staates, sondern die zügige und effektive Behebung der Gefährdung. Dies soll durch internationale Aufmerksamkeit und Solidarität, finanzielle Unterstützung und die Bereitstellung technischer und fachlicher Expertise erleichtert werden.

Mit der Einschreibung in die Liste des gefährdeten Erbes der Welt verbunden sind konkrete Vorgaben zur Behebung oder Abwendung der Gefährdung, ein Programm für Abhilfemaßnahmen sowie ein verstärktes Monitoring. So werden zu jeder gefährdeten Stätte jährlich Berichte zum Erhaltungszustand vorgelegt und auf den Sitzungen des Welterbekomitees diskutiert. Das Komitee spricht Empfehlungen aus, wie die Gefährdung beseitigt werden kann.

Ein begrenztes Budget steht Staaten, die Gefährdungen nicht mit eigenen Mitteln abwenden können, durch den Welterbefond auf Antrag zur Verfügung. Die Unesco unterstützt den Schutz und Erhalt des gefährdeten Erbe zudem mit umfangreicher fachlicher Expertise.

Gefährdete Stätten können auch parallel zu ihrer Einschreibung in die Unesco-Welterbeliste in die Liste des gefährdeten Erbes der Welt eingetragen werden. Dies war unter anderem der Fall bei der 2016 als Unesco-Welterbe anerkannten Stätte Hebron / Al Khalil Altstadt in den palästinensischen Gebieten im Jahr 2017.

In jüngster Zeit beschloss das Welterbekomitee aufgrund der bewaffneten Konflikte und der daraus resultierenden akuten Bedrohung die Aufnahme aller Welterbestätten eines Staates gesammelt auf die Liste des gefährdeten Erbes, wie beispielsweise 2013 im Fall der Welterbestätten in Syrien sowie 2016 im Fall der Stätten in Libyen.

Streichung von der Liste des gefährdeten Erbes der Welt

Werden die Vorgaben zur Behebung oder Abwendung der Gefährdung einer Stätte erfolgreich umgesetzt und wird sie als nicht mehr bedroht angesehen, kann das Welterbekomitee die Streichung einer Stätte von der Liste des gefährdeten Erbes der Welt entscheiden, so geschehen beispielsweise im Falle des Kölner Doms im Jahr 2006. Dort konnte eine mit dem Welterbestatus verträgliche Lösung für Bauprojekte gefunden werden, die den außergewöhnlichen universellen Wert der Stätte nun nicht beeinträchtigen.

Verliert eine Stätte die Merkmale, die ihren außergewöhnlichen Wert ausmachen, kann sie nach einem in den Paragrafen 192 bis 198 der Richtlinien für die Durchführung des Welterbe-Übereinkommens festgelegten Verfahren von der Unesco-Welterbeliste komplett gestrichen werden.