Versprochen ist schnell was: Im Württembergischen Kunstverein erörtern die Kultursprecher der Parteien, was in Stuttgart kulturell Zukunft haben könnte. Hoch- und Subkultur nämlich – aber wie mischt man die?

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Große rhetorische Durchhänger? Zwei Stunden lang im Prinzip wenige. Um vor der Kommunalwahl die Kulturthemen bei den Kandidaten der Gemeinderatsfraktionen abzuklopfen nämlich, hatten die Sachkundigen Bürgerinnen und Bürger im Württembergischen Kunstverein das übliche, oft alle sedierende Procedere ein wenig geändert: Die Reihenfolge der Antwortenden bestimmte ein Los aus einem Hut, die jeweilige Frage ergab sich im Moment, ausformuliert auf einem weiteren Zettel zwar, aber eben zufällig adressiert. Vorbereitungszeit auf die Antwort: fast keine.

 

„Benennen Sie vier Förderkriterien für Künstler“ lautete, verkürzt gesagt, eine anzustellende Überlegung, und Rose von Stein von den Freien Wählern zog sich ähnlich aus der Affäre wie etliche ihr folgende Kandidaten für den in knapp zwei Wochen zu wählenden Gemeinderat: Sie habe, sagte sie, „keine Patentlösungen“, kam dann aber sehr schnell auf einen Punkt, der sich fortan als argumentative Linie durch den Abend zog: Kunstförderung seitens der Stadt dürfe nicht ins „Prekariat“ führen – und Selbstausbeutung (auch in den Staatstheatern) sei zu vermeiden.

Ein auch gefährlicher Konsens

Der wahrlich nicht nur in Finanzfragen aller Art bewanderte, obersachkundige Bürger Andreas Keller rechnete noch einmal vor: 130 Millionen Euro standen ausweislich des letzten Doppelhaushalts für Kultur zu Verfügung (circa vier Prozent des Gesamtbudgets), abzüglich der Beteiligung an der Finanzierung der Staatstheater des Landes. Eine Regelung, die man, wie Tim Hülquist (Die Linke) meinte, auch einmal überdenken könne. Prompte Reaktion: „Bloß nicht“, wie Andreas Winter (Bündnis 90/die Grünen) respektive Jürgen Sauer (CDU) meinten.

Immer wieder erstaunlich, wie über die Jahre hinweg unter den angestammten Kräften im Rathaus doch eine Konsensualität in Kulturfragen über Parteigrenzen hinweg entstanden ist, die man einerseits als „angenehm“ (Keller), andererseits aber auch als, sagen wir, Innovationshemmschuh wahrnehmen kann. Auffällig jedenfalls, dass einen ganzen Abend lang nur einmal punktuell davon die Rede war, was Migrationskinder und -enkel der Kultur, ob Hoch-, ob Sub-, werden abgewinnen können, wenn ihr Geld dafür reicht.

Überhaupt: Taugen die einschlägigen Begriffe noch, dass man an der Kulturmeile die „Perlen polieren“ wolle, bis hin zum gedanklich glänzend zum Film- und Medienhaus umgewidmeten Breuninger-Parkhaus? Dejan Perc (SPD) immerhin sieht zukünftig, nicht nur wegen der Opernsanierung, auf die sich, ohne in Details zu gehen, alle bis auf Linke und Piraten einigen konnten, „Monolithen wachsen“. Und wenn er die projiziert, ist er sich so sicher nicht, ob sie „in Jahrzehnten noch bespielt werden“ – und von wem?

Weder im Publikum noch unter den Befragten – Unterfünfzigjährige musste man überall mit der Lupe suchen – konnte darauf jemand kompetent Antwort geben. Denn Kultur in der kulturgesegneten Stadt Stuttgart ist aufs Ganze gesehen immer noch Sache der Altvorderen, Arrivierten, die hauptsächlich den Status Quo bedienen, trotz Zukunftssinn. So rührig sie sein mögen, im Kampf gegen chronische strukturelle Unterfinanzierung und für „mehr Durchlässigkeit“ (Eric Neumann, FDP, forderte größere „Wohnzimmertauglichkeit“ der Stadt) – es fehlt jemand im kulturellem Gesamtgefüge, den Andreas Winter als „Kümmerer“ bezeichnete: eine personelle Schaltstelle im Team, wo die vielfältigen kulturellen Strömungen der Stadt und der Region (und die zwischen Stadt und Land) kanalisiert würden.

Und was ist mit der Relevanz?

Irgendwo dort wäre zu vermitteln zwischen Opernpublikum und kulturellen Aufbrüchen, die an ganz anderen Enden stattfinden: so sub-sub, dass sie manchmal schon marginalisiert sind, ehe eine vor Ort ja doch immer sehr interessierte Öffentlichkeit es groß hätte merken können.

Tim Hülquist hatte wohl Recht, als er nicht nur „mehr kulturelle Bildung“ einforderte – ein Thema, das man der VHS nicht alleine zuschieben kann – sondern simpel viel mehr an „kultureller Relevanz“. Die entstünde, unter anderem, wenn sich zu einer gut vorbereiteten Diskussion wie dieser mit den kulturpolitischen Kandidaten der Gemeinderatsfraktionen mehr als 80, untereinander zumal meistenteils gut bekannte, Szenegänger im Württembergischen Kunstverein einstellten. Allein…