Die fristlose Kündigung von Führungskräften und die Abfindung für den Ex-Chef werden zum Politikum. Das Thema steht auf der Tagesordnung des Gemeinderats, diskutiert wird wohl dennoch nicht.

Stuttgart - Die Rathausspitze gerät nach den vorerst vom Arbeitsgericht Stuttgart für unwirksam erklärten fristlosen Kündigungen von Führungskräften des Klinikums in Erklärungsnot und verwickelt sich in Widersprüche. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft bewerten die Sachlage völlig anders als Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU) und die Kanzlei BRP Renaud und Partner; sie ist seit Mai 2016 mit der Aufarbeitung umstrittener Geschäfte in der Internationalen Abteilung (IU) des Klinikums betraut. In der Affäre geht es um Verluste durch die Behandlung von 370 libyschen Kriegsverletzten ab 2013 und durch einen 2014 abgeschlossenen Kooperationsvertrag mit dem Gesundheitsministerium Kuwait. Das Klinikum hält ein Defizit von rund 17 Millionen Euro für möglich, den wahren Schaden ermittelt gerade eine Versicherung.

 

Die politische Brisanz ergibt sich aus dem Umstand, dass die Stadt dem damaligen Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz nicht ebenfalls fristlos gekündigt hat, sondern ihm die Trennung mit 900 000 Euro Abfindung und vollen Rentenbezügen vom 60. Lebensjahr an versüßte. Die drei Fälle seien nicht vergleichbar, betont die Stadt. Das sehen einige Stadträte anders. Sie sprechen längst von zwei „Bauernopfern“ für Schmitz und begründen das auch damit, dass sich sogar dessen Anwalt Stefan Nägele über das Entgegenkommen der Stadt wunderte. Das Thema steht auf der Tagesordnung des Gemeinderats am Donnerstag, wird aber wohl zurück in den Krankenhausausschuss verwiesen. Damit werden die Probleme aber nicht kleiner.

Die Stadt hat zu lange mit der fristlosen Kündigung gewartet

Denn die Stadt schließt eine Berufung vor dem Landesarbeitsgericht nicht aus. Die fristlosen Kündigungen des ehemaligen IU-Abteilungsleiters Andreas Braun sowie der Direktorin für Controlling und Finanzen, Antje Groß, waren laut einem Gerichtssprecher in erster Instanz für unwirksam erklärt worden, weil sie nicht „innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden der Vorwürfe“ gegen die Mitarbeiter ausgesprochen worden seien. Das Rechnungsprüfungsamt (RPA) hatte am 18. Dezember 2015 seinen kritischen Bericht der Rathausspitze übergeben. Die Kündigungen waren aber erst mehr als ein Jahr später ausgesprochen worden.

Überraschenderweise widerspricht die Stadt der Darstellung des Gerichts: Die Kammern hätten „gerade nicht“ festgestellt, dass mit dem Bericht die Zwei-Wochen-Frist begonnen habe, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. Entscheidend sei der weitere Vorwurf gewesen, die Stadt habe ihre Ermittlungen nicht zügig genug vorgenommen. Das lasse sich in einer Berufung aber leicht damit erklären, dass die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen die Unterlagen bis Mai 2016 gesperrt habe. Danach seien die BRP-Anwälte aber sofort aktiv geworden.

Staatsanwaltschaft will Akten nicht gesperrt haben

Über diese Erklärung wundert sich nun wiederum die Anklagebehörde. Sie betont, damals von der Stadt nicht über Untersuchungen für außerordentliche Kündigungen informiert worden zu sein. Es sei auch keine „Sperre“ verhängt worden. Vielmehr wäre „selbstverständlich eine Weitergabe des Berichts an eine Rechtsanwaltskanzlei zum Zwecke interner Untersuchungen jederzeit möglich gewesen“. Das gelte auch für Recherchen „zum kündigungsrelevanten Sachverhalt“. Wie eine Ohrfeige mutet auch der Hinweis an, das alles hätten Stadt und BRP-Anwälte „unter dem Gesichtspunkt der Strafvereitlung selbst zu prüfen und zu beachten gehabt“. Die Stadt bewegt sich auch deshalb auf dünnem Eis, weil das Vorgehen im Fall von Antje Groß auch noch die Behauptung widerlegt, die Stadt hätte sich sofort nach der „Freigabe“ der Akten im Mai 2016 ins Zeug gelegt. Tatsächlich war die Betroffene erst im November befragt worden. Unverständlich erscheint auch die Behauptung, der Richter habe „die Kündigungsgründe nicht in Zweifel gezogen“. Tatsächlich ließ es Ulrich Lips „dahinstehen, ob ein wichtiger Grund“ vorliege. In der Verhandlung hatte er lediglich einen von vier Vorwürfen als vermeintliche Pflichtverletzung identifiziert, der aber auch keine Kündigung gerechtfertigt hätte.