Im Zentrum der Sonne könnte sich ein Schwarzes Loch verbergen, wie Astronomen berechnet haben. Damit bestätigen sie eine Theorie des britischen Physikers Stephen Hawking. Und warum die Erde in ferner Zukunft als kosmische Nudelsuppe enden könnte.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Einen extrem großen Anteil am Universum haben zwei Phänomene, über die man bislang so gut wie nichts weiß: Dunkle Materie und Dunkle Energie. Die Dunkle Materie gehört zu den größten Rätseln der modernen Physik. Sie ist nicht sichtbar und wurde noch nie direkt beobachtet.

 

Allerdings wissen die Forscher, dass sie da ist. Denn sie macht sich über ihre Schwerkraft bemerkbar. Ohne die zusätzliche Schwerkraft der Dunklen Materie würden beispielsweise viele Galaxien durch die Fliehkraft auseinander gerissen werden, da sie sich viel zu schnell drehen.

Stephen Hawking und die Idee der Hawking-Sterne

Auf dem Bild ist ein Foto von Stephen Hawking und sein berühmtestes Buch „A Brief History of Time“ in einer Ausstellung des Auktionshauses Christie’s in London (2018) zu sehen. Foto: Imago/Xinhuao

Auf der Suche nach einer Erklärung für Dunkle Materie und andere kosmische Phänomene kam der britische Physiker Stephen Hawking (1942-2018) in den 1970er Jahren auf eine geniale Theorie.

Laut Hawking sind direkt nach dem Urknall sogenannte primordiale – also ursprüngliche – Schwarze Löcher entstanden. Diese winzigen kosmischen Phantome waren unermesslich zahlreich und bevölkerten das noch junge Universum. Der Einfluss ihrer Schwerkraft könnte das Wirken der Dunklen Materie erklären, so die Vermutug von Stephen  Hawking.

Warum werden Hawking-Sterne nicht von Schwarzen Löchern verschlungen?

Kommt ein Stern einem Schwarzen Loch zu nahe, wird er von dessen extremer Anziehungskraft angesaugt und in lange Fäden gezogen. Forscher nennen dieses Zerstörungswerk auch „Spaghettifizierung“. Foto: European Southern Observatory (ESO)/Kommesser

Stephen Hawking zufolge müsste es im gesamte Universum unzählige dieser Miniatur-Schwarze-Löcher geben. Doch bisher wurde noch kein einziges entdeckt. Gibt es sie also  überhaupt? Der Physiker nahm an, dass bei der Entstehung neuer Sterne eines oder mehrere dieser Mini-Löcher in die Sterne hineingeraten. Solche Hawking-Sterne hätten ein Schwarzes Loch in ihrem Zentrum.

Normalerweise ist es so, dass ein Stern, der einem Schwarzes Loch zu nahe kommt,von dessen extremer Anziehungskraft angesaugt und verschlungen wird. Warum geschieht dies nicht auch im Fall von Hawking-Sternen?

Ist die Sonne ein Hawking-Stern?

Die Sonne bildet den Mittelpunkt unseres Sonnensystems. Der aus Gasen bestehende ultraheiße Stern liefert Licht und Wärme, ohne die kein Leben auf der Erde möglich wäre. Foto: Nasa Goddard Space Flight Center

Diese spannende Frage haben Astronomen um Earl Bellinger vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching nun näher untersucht. Dafür simulierten sie mithilfe eines astrophysikalischen Modells die Entwicklung von verschiedenen Varianten von Hawking-Sternen, darunter auch eines Sterns wie unserer Sonne.

Ihre Studie („Solar Evolution Models with a Central Black Hole“) haben sie jüngst im Fachjournal „The Astrophysical Scienes“ veröffentlicht.

Existiert in der Sonne ein Schwarzes Loch von der Größe des Merkur?

3D-Darstellung eines Schwarzen Lochs im Weltall. Foto: Imago/Yay Images

Die Garchinger Forscher glauben, dass ein Hawking-Stern mit einem verborgenen Schwarzen Loch in seinem Zentrum von außen kaum als solcher zu erkennen. „Unsere Sonne könnte in ihrem Zentrum sogar ein Schwarzes Loch von der Größe des Planeten Merkur in ihrem Zentrum haben, ohne dass wir es bemerken würden“, sagt Earl Bellinger.

Voraussetzung dafür ist: Die Masse des eingeschlossenen Schwarzen Lochs muss so gering sein, dass „der Hawking-Stern im Prinzip gar nicht von einem ganz normalen Stern zu unterscheiden“ ist.

Wäre die Sonne ein Hawking-Stern, würde sich ein kleines Schwarzes Loch in ihrem Zentrum verbergen. Foto: © MPI für Astrophysi/k

Verlängern Mini-Löcher die Lebensdauer von Sternen?

Die Lebensdauer eines Sterns wie der Sonne hängt vom Wasserstoffvorrat in seinem Inneren ab. Geht dieser irgendwan zur Neige, bläht sich der Stern erst zum Roten Riesen auf und wird dann zu einem Weißen Zwerg - den Überresten ausgebrannter Sterne, die völlig erloschen sind. Bei unserer Sonne könnte dies in rund fünf Milliarden Jahren soweit sein.

Doch sollte die Sonne tatsächlich ein Hawking-Stern ein, käme es ganz anders. In rund 2,5 Milliarden Jahren hätte das langsam wachsende Schwarze Loch in ihrem Inneren gerade mal rund 0,1 Prozent der Sonnenmasse verschlungen. „Dadurch kühlt sich der Sonnenkern ab und die Fusionsreaktionen hören auf“, schreiben die Garchinger Forscher. „Sterne, die in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch haben, können dadurch erstaunlich lange leben.“

Warum kommt das Ende der Erde später, aber dennoch unausweichlich?

Für die Erde hätte dies einen positiven Effekt. Bei dem geschilderten klassischen Untergangsszenario würde sie sich der Sonne aufgrund ihrer Anziehungskraft und Masse immer mehr annähern, bis sie schließlich in deren Hülle eintaucht und verglüht. Anders beim Hawking-Stern: „Dies würde die Erde davor bewahren, von der aufgeblähten Roten Sonne verschlungen zu werden.“

Dennoch ist das Ende unausweichlich. Das Schwarze Loch im Sonneninneren wächst nämlich immer schneller. In rund sechs Milliarden Jahren könnte es ein Prozent der Sonnenmasse ausmachen. In rund acht Milliarden Jahren wäre es so groß, dass es die gesamte Sonne verschlingt. „Die Sonne wird dann zum Schwarzen Loch“, erklärt Earl Bellinger.

Was das für die Erde bedeutet, kann man sich leicht ausmalen: Unser Planet wird er von der extremen Anziehungskraft des Schwarzen Lochs, das einst die Sonne war, angesaugt und dabei in lange Fäden gezogen. Astrophysiker nennen diesen wenig appetitlichen Vorgang „Spaghettifizierung“. Die Erde könnte also in ferner Zukunft als eine Art kosmische Nudelsuppe enden. Bon appetit!