Im Böblinger Kreistag und im Regionalparlament verabschieden sie Anträge. Um was geht’s da?

Renningen/Böblingen - Allzu viel Geduld hat bei dem Thema niemand mehr. In Calw wollen sie lieber heute als morgen Spaten stechend die Bahnreaktivierung in Richtung Weil der Stadt beginnen. Und ob man am anderen Ende der Schienen die Weiterfahrt bis Renningen noch verhindern kann, bleibt fraglich. Dafür müssten alle Beteiligten, auch der Calwer Landrat Helmut Riegger (CDU), versichern, in den kommenden Jahren für die S-Bahn-Verlängerung nach Calw einzutreten.

 

„Angesichts der Stimmungslage, die ich aus Calw kenne, wird man eine derart verbindliche Aussage dort nicht unterschreiben“, gab sich der Renninger Regionalrat Bernhard Maier (Freie Wähler) vergangene Woche im Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart (VRS) pessimistisch. „Und damit liegt der Konflikt auf dem Tisch.“

Umbau des Renninger Bahnhofs kostet vier Millionen Euro

Das ist der Streit, um den es in diesem Herbst gehen wird. Eigentlich muss die Hermann-Hesse-Bahn von Calw kommend bis Renningen fahren, weil sie Gutachten zufolge nur dann wirtschaftlich zu betreiben ist. Das finden Verkehrspolitiker im Kreis Böblingen und beim VRS nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich. Er könne nicht garantieren, dass die S 6 noch die pünktlichste S-Bahn-Linie bleibt, wenn zwischen Weil der Stadt und Renningen noch ein ganz anderer Zug unterwegs ist, befand im Sommer Jürgen Wurmthaler, der als VRS-Verkehrsdirektor die Verantwortung für das Stuttgarter S-Bahn-Netz trägt.

Vier Millionen Euro kostet es, den Renninger Bahnhof für die Hesse-Bahn auszubauen. Geld, das man besser für die S-Bahn-Verlängerung aufsparen sollte, finden viele. Auch im Stuttgarter Verkehrsministerium gibt man mittlerweile zu, dass das sehr wohl geht. Man würde auch eine verkürzte Hesse-Bahn von Calw nur bis Weil der Stadt fördern – allerdings nur, wenn sich die Beteiligten dazu verpflichten, dass dies nur eine Zwischenlösung ist. Dass später also die S-Bahn verlängert wird.

Das müsse man jetzt schnell verhandeln, fordern daher Politiker aller Parteien. Einstimmig haben die Regionalräte vergangene Woche die VRS-Verwaltung und den Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler aufgefordert, ein Konzept für die S-Bahn-Verlängerung mit Calw zu verhandeln. „Wir sagen seit Jahren, dass die S-Bahn nach Calw die zukunftsfähigste Lösung ist“, erklärte Bernhard Maier. „Mit dem Antrag wollen wir sagen: Wir sind bereit, die S-Bahn bis Calw zu bauen.“

Die Ungeduld wächst

Das unterstützten die Redner der anderen Fraktionen. „Wir setzen ein Zeichen und reichen dem Kreis Calw die Hand“, sagte Jasmina Hostert (SPD). Denn mit einem solchen Konzept sei man dann endlich „einen entscheidenden Schritt weiter“, erklärte Helmut Noë (CDU).

Die Ungeduld wächst auch in den anderen Gremien. Für heute Nachmittag haben die Kreisräte in Böblingen das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. In ihrem Antrag fordern sie ihren Landrat Roland Bernhard auf, aktiv zu werden und „mit Nachdruck“ für die S-Bahn bis Calw und die Express-S-Bahn von Feuerbach bis Weil der Stadt einzutreten. Denn das ist die zweite strittige Frage dieses Herbstes: Hesse-Bahn oder Express-S-Bahn? Der ohnehin schon überlastete eingleisige Abschnitt zwischen Weil der Stadt und Malmsheim verkraftet nur noch einen zusätzlichen Zug.

Welcher das sein soll, ist eine der Fragen der Moderation, die das Verkehrsministerium angekündigt hatte. Dort war der Geduldsfaden gerissen, als der Renninger Gemeinderat Ende Juli eine Klage gegen das Calwer Schienenprojekt erwogen hatte. Er sei auf Terminsuche, sagte Uwe Lahl, der Amtschef und Stellvertreter von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), in dieser Woche. „Mein Büro ist gerade dabei, eine Einladung an die Landräte, den Verband Region Stuttgart und die Bürgermeister zu formulieren.“

„Wir wollen schnell vorankommen“

Das ist die politische Ebene. Parallel sind die Experten auf Fachebene dabei, Unklarheiten beiseite zu räumen. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, ob man für die schnelle Express-S-Bahn den Bahnhof Renningen umbauen muss. Das behaupten zum Beispiel die Verkehrsplaner im Ministerium, verbunden mit der Botschaft: Die Baustelle im dortigen Bahnhof ist auf jeden Fall nötig, ob mit oder ohne Hesse-Bahn. Jürgen Wurmthaler bestreitet das. Ergebnisse kann er nach ersten Runden in der vergangenen Woche freilich noch keine vermelden. „Wir sind im konstruktiven Gespräch“, berichtet er unserer Zeitung. Dabei geht es auch um komplizierte Fahrplandiskussionen.

„Unser Ziel ist es, schnell voran zu kommen“, sagt Wurmthaler. Was schnell heißt, weiß er freilich auch nicht. Dieses Jahr könnte es zu Ergebnissen kommen. Einen Termin, wann der Renninger Gemeinderat über seine Klage spricht, gibt es auch noch nicht.

Es wird kompliziert

Nur eines steht fest: Die Gespräche mit Calw werden kompliziert. Erst vergangene Woche hatte der dortige Landrat Helmut Riegger bei einer Veranstaltung in Ostelsheim für sein wichtigstes Projekt geworben. 3500 Fahrgäste täglich würden mit der Hermann-Hesse-Bahn einmal transportiert – und das würde den Auto-Verkehr deutlich reduzieren. „Allerdings nur, wenn es gelingt, die Hesse-Bahn von Calw über Weil der Stadt bis Renningen zu führen“, erklärte Riegger. Und Winfried Hermann, der ebenfalls in Ostelsheim war, bezeichnete die Renninger Klage als „Kirchturmdenken“. „Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.“ Renningen sei am Stufenkonzept beteiligt gewesen. „Das ist für mich wie ein Vertrag und wenn man den nicht einhält, ist das für mich Vertragsbruch“, zitiert die „Sindelfinger Zeitung“ den Verkehrsminister.

Nicht nur solche Formulierungen sind der Grund für manch pessimistische Stimmen im VRS-Regionalparlament. Dort übrigens war am Mittwoch vergangener Woche auch Uwe Lahl zu Gast, um zu Stuttgart 21 Stellung zu nehmen. Weil er aber schon mal da war, sprach er auch gleich zur Hesse-Bahn. „Jetzt geben Sie mir doch erst einmal eine Chance, zu verhandeln“, mahnte Lahl. Und Bernhard Maier nahm ihn beim Wort. „Natürlich hoffen wir auf Sie“, rief der Regionalrat. „Auf wen sollen wir denn sonst hoffen.“