Die Pocken zählten jahrtausendelang zu den gefährlichsten Krankheiten überhaupt für den Menschen. Impfstoffe brachten die Rettung, seit 1980 gilt die Welt als pockenfrei. Doch die Pockenviren sind in mutierter Form zurückgekehrt.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Nach mehr als einem halben Jahr ohne Nachweise von Mpox (Monkexpox, früher Affenpocken) sind in Deutschland wieder einzelne Infektionen mit dem Virus aufgetreten. In den vergangenen Wochen seien drei Fälle in Berlin gemeldet worden, teilte das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) mit. „Es gibt derzeit keinerlei Anzeichen dafür, dass sich ein größeres Infektionsgeschehen anbahnt, wenngleich mit Einzelfällen stets zu rechnen ist“, erklärte das Berliner Institut.

 

Seit wann ist Mpox wieder in Deutschland aufgetreten?

Laut einer Datenbank des Robert Koch-Instituts (RKI) handelt es sich um die ersten und einzigen Nachweise der Infektionskrankheit in Deutschland seit Ende Januar. Zusammen mit den Fällen vom Jahresbeginn sind dort für 2023 bundesweit bisher 16 Monkeypox-Fälle erfasst, davon 13 in Berlin.

Die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC berichtet mit Stand vom 10. August 2023 von 65 Betroffenen in den vier Wochen zuvor, darunter 40 in Portugal und zehn in Großbritannien.

Was sind Pocken?

Als Pocken, Blattern oder Variola (lateinisch variolae), genannt auch Pockenkrankheit, bezeichnet man eine für den Menschen gefährliche und lebensbedrohliche Infektionskrankheit, die von Pockenviren (Orthopox variolae) verursacht wird. Foto: Imago//Cavalli James/BSIP

Als Pocken bezeichnet man eine für den Menschen gefährliche und lebensbedrohliche Infektionskrankheit, die von Pockenviren (Orthopox variolae) verursacht wird.

Durch ihre hohe Infektiosität und Letalität gehört die Erkrankung zu den gefährlichsten des Menschen. Das für die Erkrankung typische und namensgebende Hautbläschen wird als Pocke oder Blatter bezeichnet.

Gibt ein Heilmittel gegen Pocken?

Pockenimpfung in Frankreich: Titelblatt der Pariser Zeitschrift „Le Petit Journal“ aus dem Jahr 1905. 1905 Foto: Imago/Gemini Collection

Gegen Pocken gibt es kein bekanntes Heilmittel, nur eine vorbeugende Impfung ist möglich. Die Pockenimpfung ist eine Lebendimpfung und ist durch eine Reihe von Impfkomplikationen belastet, so dass nur bei eindeutigen Pockenausbrüchen geimpft werden sollte.

Schützt die Pockenimpfung ein Leben lang?

Pockenimpfungen aus früheren Jahren gewährleisten in der Regel keinen ausreichenden Impfschutz mehr. In Deutschland ist dem RKI zufolge kein Mensch mehr komplett immun gegen Pocken. Zwar könne noch ein restlicher Schutz bestehen, der den schlimmsten Verlauf der Krankheit verhindere. Die Menschen könnte sich dann aber dennoch mit den Pockenviren infizieren und sie weiterverbreiten.

Sollte man sich erneut gegen Pocken impfen lassen?

Laut US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) schützt die Impfung nur bis zu fünf Jahre lang sehr effektiv gegen die Pocken. Danach sinkt die Effektivität kontinuierlich ab.

Wer sich also in Gefahr sieht und bereits eine Pockenimpfung bekommen hat, kann eine Auffrischung in Erwägung ziehen. Die CDC empfiehlt Personen, die mit dem Pockenvirus im Labor arbeiten, alle drei Jahre einen Booster.

Was ist die Pockenimpfung?

Fläschchen mit Impfstoff gegen Affenpocken (Monkeypox vaccine). Foto: Imago//McPhoto/K. Steinkamp

Die Pockenimpfung ist keine einfache Spritze, sondern wird über winzige Stiche in den Körper gebracht. Der Arzt nimmt mit einer winzigen zweizackigen Gabel einen Tropfen des Impfstoffes auf und piekst damit mehrmals in den Oberarm.

Ist die Impfung erfolgreich, so entsteht innerhalb von drei bis vier Tagen eine rote, juckende Beule. Später bildet sich eine eitrige Blase und ein Schorf, der abfällt. Es bleibt eine kleine Narbe.

Welcher Impfstoff wird benutzt?

Für die Pockenimpfung wurde das so genannte Vacciniavirus verwendet. Dieses Virus geht vermutlich auf ein Kuhpockenvirus aus dem 19. Jahrhundert zurück und kommt in dieser Form in der Natur nicht vor. Es ist für den Menschen wesentlich weniger gefährlich als der eigentliche Pockenerreger, das Variolavirus.

Die Pockenimpfung Imvanex ist in der EU seit 2013 zugelassen. Dabei handelt es um einen Lebendimpfstoff, der aus einer abmilderten Form des Pocken-Impfstoffs hergestellt wird. Die Erreger sind so abgeschwächt, dass sie sich nicht vermehren können, sonst könnten immungeschwächte Patienten nicht geimpft werden.

Imvanex wird nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts erst ab einem Alter von 18 Jahren gespritzt. Es wird – im Vergleich zur Impfung gegen Windpocken (Masern-Mumps-Röteln-Vakzine) nicht mehr allen Menschen gegeben, da die Pocken weltweit als ausgerottet gelten.

Seit wann sind Pocken-Erkrankungen bekannt?

Der englische Arzt Edvard Jenner verabreicht 1796 seinen Pocken-Impfstoff. Foto: Imago/Gemini Collection

Die Pocken sind seit über 3000 Jahren bekannt und waren einst eine der verheerendsten Krankheiten der Menschheit. Erste Hinweise auf die Pocken gibt es aus der Zeit um 1500 v. Chr. in Indien und China. Auch der ägyptische Pharao Ramses II. (1290-1224 v. Chr.) soll an Pocken gestorben sein. In Indien, China und der Türkei waren schon früh Impfungen gebräuchlich.

Die Einführung eines Impfstoffs durch den englischen Arzt Edward Jenner Ende der 18. Jahrhunderts nahm der Seuche auch in Europa einigen Schrecken. 1796 wurde die „Kuhpocken“-Inokulation mit einer gewissen Breitenwirkung in England eingeführt. Zur Überprüfung seiner These vom Schutz vor Pocken durch Inokulation mit Kuhpocken infizierte Jenner zunächst den achtjährigen James Phipps mit aus den Pocken der infizierten Kühe gewonnenem Material und, nach Abklingen der Krankheit, mit den echten Pocken. Der Junge überlebte.

Noch im 18. Jahrhundert töteten die Erreger allein in Europa 60 Millionen Menschen. Im 20. Jahrhundert starben 300 Millionen Menschen an Pocken, was einer Sterblichkeitsrate von jedem dritten Infizierten entsprach. Viele Überlebende wurden für immer durch Narben entstellt, blind oder versehrt.

Wann begann die weltweite Impfkampagne gegen die Pocken?

Der Kampf gegen Pocken begann im Jahr 1959, als die Weltgesundheitsorganisation WHO die Ausrottung der Pocken als offizielles Ziel bekannt gab. In den 1960ern erkrankten noch zwei Millionen Menschen an den Pocken, von denen etwa 30 Prozent starben.

1967 startete die WHO eine weltweite Impfkampagne. Viele Menschen tragen davon noch immer die typische Narbe am Oberarm. Außerhalb von Laboren wurden die Viren zuletzt 1977 in Somalia festgestellt. Das letzte Pocken-Opfer starb 1978 in Großbritannien. Der letzte Pocken-Fall in Deutschland trat 1972 auf.

Am 8. Mai 1980 akzeptierte die 33. Versammlung der WHO den „Endgültigen Bericht der globalen Kommission über die Zertifizierung der Ausrottung von Pocken“. Die Pocken galten damit offiziell als ausgestorben.

Wann endete die Impflicht in Deutschland?

Die Impfpflicht gegen Pocken endete in Westdeutschland 1976, bis 1983 erfolgten nur noch Wiederholungsimpfungen (außer für Risikopersonen). In der DDR wurde die Pflichtimpfung gegen Pocken 1982 aufgehoben, bereits ab 1980 fanden keine Erstimpfungen mehr statt.

Wo gibt es heute noch Pockenviren?

Heute werden nur noch wenige lebende Pockenviren im Labor zu Forschungszwecken aufbewahrt. Nach der Ausrottung wurde die Verwahrung des Pockenvirus auf zwei Referenzlabore der WHO beschränkt – eines in den USA und eines in Russland.

Es gibt jedoch Befürchtungen, dass Ressourcen und Expertise auf dem Gebiet der Biowaffen in die Hände von terroristischen Gruppen gefallen sein könnten. Als Folge führen viele Regierungen auf der Welt eine Neubewertung ihrer Fähigkeiten im Umgang mit der Gefahr eines erneuten Ausbruchs von Pocken durch.