Will die Ex-Verkehrsministerin Tanja Gönner nach ihrem Rückschlag CDU-Chefin werden und in der Politik bleiben? Anzeichen dafür mehren sich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Tanja Gönner macht es spannend bis zum Schluss. Nein, ließ die frühere Umwelt- und Verkehrsministerin ihr Büro ausrichten, zu ihrer angeblichen Kandidatur für den Vorsitz der südwürttembergischen CDU sage sie nichts. Wenn es etwas zu sagen gebe, werde sie das am Donnerstagabend im Sigmaringer Kreisvorstand tun.

 

Nach der Sommerpause, so hatte die 42-Jährige angekündigt, werde sie sich zu ihrer politischen Zukunft erklären. Nun, da der landespolitische Betrieb wieder anläuft, wird ihre Entscheidung in der CDU mit wachsender Ungeduld erwartet. Vordergründig geht es um die Nachfolge des Ravensburger Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff, der nach einer Trunkenheitsfahrt seinen - angeblich schon zuvor geplanten - Rückzug vom Bezirksvorsitz bekanntgegeben hatte. Vor allem geht es für Gönner darum, ob sie in der Südwestpartei eines Tages wieder eine wichtige Rolle spielen will.

Für die Entscheidung hat sie sich diesmal, anders als nach dem Machtverlust bei der Landtagswahl, richtig viel Zeit genommen. Damals agierte die sonst kühl kalkulierende Juristin einigermaßen kopflos: Partei- und Fraktionsvorsitz wollte sie gleichermaßen erobern - und bekam keines der Ämter. Die Fraktion ließ die engste Vertraute des abgewählten Ministerpräsidenten Stefan Mappus abblitzen, für den Landesvorsitz trat sie folgerichtig erst gar nicht an. Auf allen wichtigen Posten sitzen nun einstige Getreue des Mappus-Vorgängers Günther Oettinger: Thomas Strobl als Parteichef, Peter Hauk als Fraktionschef und Willi Stächele als Landtagspräsident.

Will sie es noch einmal wissen?

Auch der bisher einzige Kandidat für den Bezirksvorsitz, der Zollernalb-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß (36), gilt nicht als Freund Gönners. Die beiden, heißt es, seien sich in tiefer Abneigung verbunden. Würde die Sigmaringerin ihm kampflos das Feld überlassen, käme das auf der Landesbühne einer kompletten Kapitulation gleich. Allenfalls in Berlin hätte sie dann noch eine vage Karrierechance - oder abseits der Politik, als gelernte Insolvenzanwältin, in der Wirtschaft.

Der Absturz nach der Wahl war für Gönner besonders tief. Eben noch galt sie als bester Kopf im Kabinett Mappus, wurde durch ihre Talkshow-Auftritte zu Stuttgart 21 bundesweit bekannt und durfte sich berechtigte Hoffnungen auf das Finanzministerium machen. Als es auch mit der Oppositionsführung nichts wurde, zog sie sich in den Schmollwinkel zurück; in der Landtags-CDU übernahm sie jedenfalls keine hervorgehobene Rolle. Wochenlang leistete Gönner Trauerarbeit, plauderte auf ihrer Facebook-Seite viel über Fußball und Ferienerlebnisse. "Werde länger Zeit brauchen, um wieder die Kraftreserven aufzubauen", hieß es da etwa.

Doch inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass Gönner es noch einmal wissen will - und beim Parteitag am 22. Oktober in Uhldingen-Mühlhofen für den Bezirksvorsitz kandidiert. Erst vor wenigen Tagen machte sich die südwürttembergische Europaabgeordnete Elisabeth Jeggle indirekt für sie stark: In Oppositionszeiten wäre es besser, wenn der oder die Vorsitzende aus dem Landtag käme.

An der Person Gönner scheiden sich die Geister

Das träfe zwar auch für den einstigen Agrarminister Rudolf Köberle zu, der vereinzelt genannt wird, aber der 57-Jährige dürfte Gönner nicht im Weg stehen. Inzwischen will die "Bild-Zeitung aus CDU-Kreisen erfahren haben, dass die Exministerin tatsächlich antrete. Parteikenner attestieren ihr in diesem Fall etwas bessere Chancen als dem einstigen Junge-Union-Landeschef Bareiß, der wohl die schwächeren Bataillone hätte.

Als "Bezirksfürstin" wäre Gönner automatisch wieder im Spiel, wenn es in der Südwest-CDU dereinst um die Rückeroberung der Macht geht. Bis dahin aber könnte ihr Comeback neue Unruhe in Partei und Fraktion entfachen. Die Personalentscheidungen sind dort zwar erst einmal gefallen, doch die Exponenten der unterschiedlichen Lager belauern sich nach wie vor.

Auch an der Person Gönners scheiden sich weiterhin die Geister. Die einen preisen ihren scharfen Verstand und ihr flottes Mundwerk, die anderen sehen eher die mit den Stärken einhergehenden Schwächen: einen gewissen Hang zu Rechthaberei und Hochmut. Alle aber werden es begrüßen, wenn sie am Donnerstagabend über ihre Pläne endgültig Klarheit schafft.