Den „Paten“ kennt jeder. Doch vor 16 Jahren wurde ein Mafia-Epos von Nick Tosches als „Pate der 90er Jahre“ beworben, von dem heute kein Mensch mehr spricht – wie bedauerlich!

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Manche Mafia-Epen sind Klassiker. Manche haben das Zeug dazu, andere hingegen eher nicht. Und dann gibt es da noch einen Band, der definitv in den „Klassiker-Check“ gehört und nicht in die Rubrik „Neues vom Altbuchstapel“: Nick Tosches’ 600-Seiten-Wälzer „Die Meister des Bösen“, auf Deutsch erschienen 1996 bei Kiepenheuer und Witsch.

 

Die Meister des was? Weder der Erstverlag noch Heyne, der den Roman dann als Taschenbuch herausbrachte, listet unter dem Namen des 1949 geborenen Autors noch einen Treffer auf. Und auch sonst ist Tosches keiner, dem man in Killer-&-Co.-Kreisen an jeder Ecke begegnete. Was in dieser literarischen Welt ohne allumfassende Gerechtigkeit ziemlich bedauerlich ist.

Wo gibt’s die besten Kalamari?

Tosches erzählt in seinen „Trinities“ (so der Originaltitel) von den alten, scheinbar müde gewordenen Mafiosi in New York, die zwar schon noch ihr bisschen Verbrechen organisieren, sich aber mit mindestens der gleichen Hingabe um die richtige Zubereitung von Kalamari kümmern wie, sagen wir, um illegale Müllexporte. Da ist der Neffe eines dieser Greise, der hauptberuflich kleinere Killerjobs organisiert und ansonsten ein Ehe- und Alkoholproblem hat.

Und da sind die anderen. Die Neuen auf dem Markt, die Hungrigen. Die Hispanics, genannt Spics, die Afrikaner, die Russen, nicht zu vergessen die Asiaten.

Doch der Alte will der Konkurrenz das Feld nicht kampflos überlassen. Im Gegenteil. Er baut seinen Neffen als Statthalter auf, um ihn in einen aberwitzigen Krieg gegen sämtliche Widersacher, in erster Linie aber gegen die Asiaten zu schicken. Tosches holt weit, sehr weit aus, droht manchmal sogar, sich etwas zu verzetteln in diesem Sittengemälde aus westlichen und östlichen Eigenheiten, an dessen Ende ein gigantisches Milliardenspiel um Drogen und die Vorherrschaft der zumindest nationalen Kriminalität steht.

„Der Pate der 90er Jahre“

Dass die ehrenwerten Herren – Frauen sind bestenfalls Staffage - weitgehend unter sich sind, kaum behelligt von staatlichen Störfeuern, ist nicht nur eine Parallele zu Mario Puzos Klassiker. Nicht zu unrecht wurden die „Männer des Bösen“ seinerzeit mit dem Slogan „Der Pate der 90er Jahre“ beworben.

Dabei geht Nick Tosches einen Schritt weiter. Bei ihm ist die Globalisierung ein Thema, noch ehe bei uns groß drüber diskutiert wurde, und illegale, hochspekulative Bankgeschäfte beschreibt er auch schon (auch wenn die weniger der Gewinnmaximierung gieriger Banker als vielmehr der Geldwäsche eifriger Syndikate dienen).

Und am Ende? Nun, am Ende geht der Held des Bösen erstmal einen heben. Und Leichen pflastern seinen Weg.

Nick Tosches: Die Meister des Bösen, 617 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, derzeit nur antiquarisch erhältlich.