Die Grünen wollen in Sondierungsgespräche für eine mögliche Jamaika-Koalition gehen. Beim kleinen Parteitag in Berlin herrscht Zuversicht, eine Koalition aus Union, FDP und Grüne zu bilden.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Vor der Tür der Uferstudios im Berliner Wedding stehen die alten Anti-Atom-Kämpen von „Ausgestrahlt“. Sie kämpfen seit dreißig Jahren gegen Atomkraft und das Endlager in Gorleben und wollen den Grünen für die schwierigen Gespräche über eine Regierungsanbahnung mitgeben, dass sie jetzt unbedingt für die Klimaziele eintreten und keine Handbreit Boden preis geben sollen. Zweifel an der Jamaika-Perspektive mag es im grünen Milieu geben. Aber drinnen im Saal, überwiegt die Zuversicht, dass das nicht nur versucht werden muss, sondern auch gelingen kann.

 

Die Grünen haben sich mit gut achtzig Delegierten zum kleinen Parteitag in Berlin versammelt, um nun auch offiziell den Auftrag zu Sondierungsgesprächen zu erteilen und die 14-köpfige, von den Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt zusammengestellte Sondierungsgruppe zu bestätigen. Änderungsanträge zum Beschlussvorschlag des Vorstands gibt es nicht. „Jamaika – das ist, als ob Borussen und Schalke plötzlich gemeinsam ein Stadion bauen wollten“, räumt Parteichef Özdemir gleich in seiner Auftaktrede ein, um dann zu versprechen, dass es ohne Fortschritte bei allen zehn Punkten aus dem Wahlprogramm keine Jamaikakoalition geben werde.

Es gibt Alternativen zu Jamaika

Zwar gab gleich der erste Redner nach Özdemir ein Delegierter aus Brandenburg seine ganze Skepsis zu Protokoll. „Ich bin nicht bereit über Jamaika auch nur nachzudenken, ehe R2G2 ernsthaft sondiert worden ist.“ Damit meinte er ein Bündnis aus SPD, Linken, FDP und Grünen. Aber sein Auftritt bleibt unter zig Reden ein Solitär. Von den Spitzengrünen formuliert Parteichefin Simone Peter, die die Grünen „vor einer der schwierigsten Reifeprüfungen seit unserer Gründung“ sieht, die stärksten Vorbehalte. „Wir haben Alternativen“ zu Jamaika, betonte sie. „Opposition ist eine davon.“

Zwar ist der Beifall für die Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt nicht berauschend, als sie drei Stunden später in den Saal fragt, wer denn hier wohl Omar Mcleod kenne, und niemand sich meldet. „Das ist der beste Hürdenläufer der Welt. Er schafft hundert Meter in 13 Sekunden“, sagt sie. „Und wo kommt er her? - Aus Jamaika “ Aber mittlerweile ist längst klar, dass nicht nur die Redner, die die Länderrats-Regie gesetzt hatte, sondern auch die gelosten Beiträge, das Wagnis von Jamaika-Verhandlungen eingehen will.

Große Herausforderung für die Partei

Der schleswig-holsteinische Vize-Ministerpräsident Robert Habeck übernimmt den Part, den linken Flügel im Allgemeinen und Jürgen Trittin im Besonderen zu umwerben. „Im Nachhinein muss ich sagen: Politik ist ein scheiß-undankbares Geschäft, und es tut mir leid, dass wir nach der Wahlniederlage 2013 so hart mit Euch umgegangen sind“, sagt er an Trittin gewandt. Habeck macht die Grünen zudem auf eine schwierige Aufgabe für sie selbst aufmerksam. Die Partei habe sich angewöhnt, die große Koalition als Stillstand und sich selbst als Motor des Fortschritts zu sehen. „Wir müssen aber einsehen, dass für viele Menschen nicht zu großer Stillstand, sondern zu große Dynamik das Problem ist“, mahnte er. „Das ist unsere große Herausforderung: Wie verhindern wir, dass unsere grünen Erfolge am Ende den rechten Rand noch stärker machen“, mahnte er. „Wir müssen den Menschen auch Halt geben, und dürfen nicht all diejenigen, die Angst vor Veränderung haben, verunsichern“. Im Übrigen sei die Vorstellung einer Jamaika-Koalition zwar aus der Not geboren. „Aber wir müssen dafür sorgen, dass es keine Notlösung wird.“

Für den linken Flügel wirft vor allem Fraktionschef Toni Hofreiter sich ins Gefecht. „Als ich – noch in der Zeit von Franz-Josef Strauß - zu den Grünen kam, hätte ich mir nicht vorstellen können, einmal mit der CSU Sondierungsgespräche führen zu müssen. Aber der Wähler hat uns diesen Auftrag gegeben“, sagte er. „Selbstverständlich wollen wir regieren – ohne unsere Ideen zu verkaufen. Ich kann Euch versichern: Keiner von uns hat Bock, nur auf Posten rumzusitzen. Dafür ist uns unser Leben zu schade.“ Auch Agniezska Brugger bekannte sich dazu, dass ihr vor der Wahl die Fantasie für Jamaika gefehlt habe. „Aber jetzt geht es darum, die Fantasie eben besonders anzustrengen.“

Kretschmann fordert Kreativität

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, riet allen Grünen mit aktuellem Fantasieproblem, entweder „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende zu lesen, oder „wie ich, in die Oper zu gehen“. Noch seine 21. Zauberflöte sei „völlig anders gewesen, als alle, die ich vorher gesehen hatte. Weil die kreativen Menschen uns zeigen, wie man aus alten Stoffen unentwegt etwas Neues macht.“ Demokratie, so dozierte Kretschmann, sei nur vor der Wahl ein Wunschkonzert. Nach der Wahl „müssen wir annehmen, was die Wähler so zusammengewählt haben“