Gefühlt jeden Tag eine neue Hiobsbotschaft zum Klima. Nun brechen die vergangenen zwölf Monate einen Rekord. Und: Der diesjährige Oktober war der wärmste seit 125 000 Jahren. Das Jahr 2023 ist damit auf traurigem Rekordkurs.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Das laufende Jahr wird so gut wie sicher das wärmste bisher gemessene. Das hat der EU-Klimawandeldienst Copernicus mitgeteilt. Demnach war der Oktober 2023 nicht nur der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen, sondern laut Daten des Weltklimarats IPCC sogar der wärmste seit 125 000 Jahren.

 

Deutlicher Temperaturanstieg im Spätsommer

Das bisherige Kalenderjahr von Januar bis Oktober war um 0,1 Grad wärmer als der Zehnmonatsdurchschnitt für 2016, dem bisher wärmsten je gemessenen Kalenderjahr, heißt es in der Copernicus-Mitteilung.

Besonders deutlich war demnach der Ausschlag im September und Oktober. Der vergangene Monat war global gesehen um 0,4 Grad wärmer als der bisher wärmste Oktober im Jahr 2019. Die Messungen gehen bis auf das Jahr 1940 zurück.

Die Copernicus-Zahlen sprechen für sich: Die durchschnittliche Oberflächentemperatur in diesem Oktober von 15,3 Grad Celsius war 1,7 Grad wärmer als der geschätzte Durchschnitt für den Zeitraum zwischen 1850 und 1900, den sogenannten vorindustriellen Referenzzeitraum. Die durchschnittliche Meeresoberflächentemperatur von 20,79 Grad sei die höchste, die seit Messbeginn 1940 für einen Oktober aufgezeichnet worden sei.

Heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

Das hat Auswirkungen auf die Bewertung des gesamten Jahres. „Wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird und derzeit 1,43 Grad Celsius über dem vorindustriellen Durchschnitt liegt“, sagt Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des Copernicus Climate Change Service (C3S), mit Blick auf die ersten zehn Monate.

Damit kommt die Erderwärmung zumindest momentan sehr nah an eine mittlere Erderwärmung von 1,5 Grad über dem vorindustriellen Wert, die gemäß dem Pariser Klimaabkommen möglichst nicht längerfristig überschritten werden soll.

Seit 125 000 Jahren noch nie so warm im Herbst

Ziehe man Daten des Weltklimarats IPCC hinzu, zeige sich, dass der Oktober 2023 der „wärmste Oktober in mehr als 125 000 Jahren“ gewesen sei, schreibt Samantha Burgess. Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist eine Institution der Vereinten Nationen, deren Aufgabe es ist, wissenschaftliche Kenntnisse über den von Menschen verursachten Klimawandel voranzubringen.

„Im Oktober 2023 gab es außergewöhnliche Temperaturanomalien, nachdem vier Monate lang globale Temperaturrekorde gebrochen worden waren“, erklärt Burgess. Mit Blick auf die bevorstehende Weltklimakonferenz in Dubai betont sie: „Die Dringlichkeit ehrgeiziger Klimamaßnahmen für die COP28 war noch nie so groß wie heute.“

US-Studie bestätigt Copernicus-Daten

Die Copernicus-Daten werden von einer Analyse der gemeinnützigen Nachrichtenorganisation Climate Central in Princeton (New Jersey, USA) gestützt. Die Auswertung umfasste Temperaturaufzeichnungen aus 175 Ländern, 154 Bundesstaaten oder Provinzen und 920 Großstädten von November 2022 bis Oktober 2023. Das Expertenteam um Andrew Pershing von „Climate Central“ veröffentlichte die Analyse auf dem eigenen Informationsportal.

Die Hitze betrifft demnach nicht nur ärmere Staaten. „Während die Auswirkungen des Klimas in Entwicklungsländern in der Nähe des Äquators am stärksten sind, unterstreichen die klimabedingten Phasen extremer Hitze in den USA, Indien, Japan und Europa, dass niemand vor dem Klimawandel sicher ist“, hebt Andrew Pershing hervor.

Globale Hitze-Hotspots

Ein besonderer Hitzespot war im untersuchten Zeitraum die Stadt Houston im US-Bundesstaat Texas. Ab dem 31. Juli 2023 herrschte dort 22 Tage lang eine extreme Hitze, länger als in jeder anderen Stadt der Welt. In der Rangliste folgten mit jeweils 17 Tagen extremer Hitze die Städte New Orleans (Louisiana, USA), Jakarta und Tangerang (beide Indonesien).

Als einzige deutsche Millionenstadt verzeichnete München eine Welle extremer Hitze mit mindestens fünf Tagen in Folge. Insgesamt wurden dort im Untersuchungszeitraum elf Tage extremer Hitze gemessen.

Wie könnte die Welt in zwei Jahrzehnten aussehen?

Ein jüngst erschienene Klima-Studie gibt Einblick in eine Welt, in der das Leben ein ganz anderes sein könnte als heute. Die Untersuchung beschreibt eine Zukunft, in der die globale Erwärmung die Zwei-Grad-Schwelle überschritten hat. Was sind die Folgen – für Deutschland und die Welt? Diese Frage haben sich der Klimaforscher Taejin Park vom Ames Research Center der US-Raumfahrtbehörde Nasa und sein Team auch gestellt.

„Die bei zwei Grad eintretenden Klimaveränderungen und ihre räumliche Heterogenität zu verstehen, ist wichtig, damit Entscheider entsprechende Anpassungen und Maßnahmenpläne vorbereiten können“, schreiben sie in ihrem Report „Earth’s Future. What does global land climate look like at 2°C warming?” Sie ist im Fachmagazin „Advancing Earth and Space Scienes” erschienen.

Globale Erwärmung

Einige Weltregionen werden sich schneller erwärmen als der Rest der Welt – nämlich auf eine Jahresmitteltemperatur von über drei Grad. Foto: Imago//Cavan Images

Das globale Klima wird demzufolge die Schwelle zu zwei Grad Erwärmung bereits in den 2040er Jahren überschreiten, prognostizieren die Nasa-Experten. Ob der Klimaschutz optimiert wird oder nicht, spielt dabei eigentlich keine große Rolle mehr. Selbst mit einem weltweiten Bemühen, die Erderwärmung zu begrenzen, würde die Zwei-Grad-Marke im Jahr 2042 erreicht – statt 2044. „Die globalen Lufttemperaturen über Land werden zu diesem Zeitpunkt schon um 2,33 beziehungsweise 2,79 Grad angestiegen sein“, schreiben die Forscher.

Einige Regionen werden sich schneller erwärmen als der Rest der Welt – nämlich auf eine Jahresmitteltemperatur von über drei Grad. Dazu zählen die Arktis und Antarktis, Grönland, Alaska und Nordasien. Im südlichen Asien, in Afrika und im südlichen Südamerika fällt die Erwärmung dagegen etwas moderater aus.

Mehr Hitzestress-Tage

Bei zwei Grad werden der Mix aus Luftfeuchtigkeit und Hitze häufiger auftreten und die für Menschen noch erträgliche Grenze deutlich überschreiten. „Dies gilt besonders stark für das westliche Nordamerika mit 27 zusätzlichen Hitzestress-Tagen, Ostafrika mit 32 Tagen mehr und die Sahelzone mit 44 zusätzlichen Hitzestress-Tagen“, berichten die Wissenschaftler. In Australien und Südamerika könnte sich der Hitzestress dagegen leicht verringern.

In Mitteleuropa werden die Sommer heißer, feuchter und schwüler. Die Sonneneinstrahlung wird intensiver und länger – vor allem im Mittelmeerraum, in Nordeuropa, im Osten Nordamerikas, in weiten Teilen Afrikas sowie in der Arktis.

Regional deutlich mehr oder weniger Regen

Die Niederschläge werden vielerorts häufiger und heftiger. Allerdings mit großen regionalen Unterschieden: In West- und Ostafrika fallen 82 und 52 Millimeter mehr Regen pro Quadratmeter und Jahr. In Südasien erhöht sich die Niederschlagsmenge um 64 Millimeter pro Jahr – vor allem in Form von Starkregen.

Weniger Regen wird es hingegen im Südwesten Nordamerikas und im Mittelmeerraum, in Australien und im Amazonas geben. Dort wird sich die jährliche Niederschlagsmenge signifikant um 98 Millimeter pro Quadratmeter und Jahr verringern.

„Das Amazonasgebiet wird schwerere Dürren, ein höheres Feuerrisiko und gefährlichen Hitzestress erleben, wenn sich die Erde weiter erwärmt“, stellen die Klimaexperten fest. Der größte Regenwald der Erde könnte sich in eine Savanne verwandeln.

Wetterextreme verstärken sich

„Es ist offensichtlich, dass sich das Ausmaß und die Richtung der Klimaveränderungen je nach Region unterscheidet“, resümieren Taejin Park und sein Team. „Dadurch sind auch die Auswirkungen sehr unterschiedlich.“Insgesamt, so das Fazit der Wissenschaftler, würden sich die schon heute spürbaren Folgen des Klimawandels weiter verstärken.