Nur ambitionierter Klimaschutz kann der Mittelmeer-Region dramatische negative Veränderungen ersparen.

Stuttgart - Wenn Städte wie Aleppo in Schutt und Asche fallen, Menschen in einem der brutalsten Konflikte der jüngeren Zeit verstümmelt und getötet werden, die Ströme der Flüchtlinge von dort die Nachbarländer überschwemmen und heftig nach Mittel- und Nordeuropa schwappen, gibt es durchaus einen Zusammenhang mit dem Klimawandel, erklärt Dennis Dijkzeul, der an der Ruhr-Universität Bochum humanitäre Konflikte erforscht.

 

Zwischen 1998 und 2010 gingen in Syrien die Niederschläge in den sechs Wintermonaten bis zu 30 Prozent zurück. Diese Dürre-Episoden ließen die Ernte vertrocknen, viele Bauern kamen in Schwierigkeiten und suchten ihr Glück in den Städten. Die Proteste dieser enttäuschten und häufig auch verzweifelten Bauern standen ganz am Anfang des Syrien-Konflikts.

Natürlich spielte auch die Diktatur von Baschar al-Assad und die Armut im Land eine entscheidende Rolle. Aber eben auch die Folgen des Klimawandels. Diese aber werden sich nicht nur im Nahen Osten, sondern im gesamten Mittelmeerraum bis zum Ende dieses Jahrhunderts erheblich verstärken. Wenn nicht einschneidende Maßnahmen den Anstieg der Durchschnittstemperaturen auf dem Globus auf höchstens 1,5 Grad Celsius begrenzen, wird die Natur sich im Mittelmeerraum stärker als je zuvor in den letzten zehntausend Jahren ändern. Das zeigen Joel Guiot und Wolfgang Cramer von der französischen Grundlagenforschungsorganisation CNRS (Centre national de la recherche scientifique) und der Aix-Marseille Université in Aix-en-Provence in der Zeitschrift „Science“.

Südportugal und Südspanien könnten verwüsten

Geht der Klimawandel ungebremst weiter, dürfte dieses „Business as usual“ den Süden Portugals und die angrenzenden Regionen im Südwesten und Süden Spaniens in eine Wüste verwandeln. Das Gleiche steht auch Teilen Siziliens, Kretas, Zyperns und etlichen Regionen in Marokko, Algerien und Tunesien bevor, zeigen die Computer-Modellrechnungen der beiden Forscher in Südfrankreich. Damit bestätigen sie bisherige Studien, die alle einen Rückgang der ohnehin vielerorts bereits heute kargen Niederschläge im Mittelmeerraum signalisierten. Nur stellen sie diese Rechnungen auf eine sehr solide Grundlage.

Diese Basis haben Joel Guiot und seine Kollegen mit Pollenanalysen aus einigen Dutzend Regionen zwischen Südfrankreich und Marokko sowie Portugal und der Türkei gelegt. Diese Pollen verraten den Forschern, welche Pflanzen in der jeweiligen Gegend in einer bestimmten Zeit gewachsen sind. So können die Forscher rekonstruieren, wann in den vergangenen zehntausend Jahren ein Laubmischwald in der Region gewachsen ist, ob dort in dieser Zeit vielleicht auch einmal Zwergbüsche einer Macchia-Landschaft oder sogar eine Wüstensteppe die Landschaft prägten. Mithilfe eines Computermodells, das die Vegetation mit dem Klima verknüpft, haben die Forscher dann für jede der untersuchten Regionen wichtige Daten wie Temperaturen und Niederschläge berechnet.

Mittelmeerraum trifft der Klimawandel besonders stark

Wie in vielen Gebieten auf dem Globus veränderte sich das Klima im Mittelmeerraum in dieser Zeit zwar immer wieder einmal, blieb im Großen und Ganzen aber innerhalb einer gewissen Bandbreite. Mehr als 15 Prozent der Vegetationssysteme im Mittelmeerraum veränderten sich dabei nicht, in den letzten 4200 Jahren sanken diese Schwankungen sogar unter die Zehn-Prozent-Marke.

Allerdings gingen die Niederschläge in den Zeiträumen vor 6000 bis 5200, vor 4200 bis 4000 und vor 3100 bis 2900 Jahren deutlich zurück. In diesen Zeiten kamen im östlichen Mittelmeerraum einige Zivilisationen in Schwierigkeiten oder brachen sogar zusammen. Die Dürren der jüngeren Vergangenheit in Syrien und der darauf folgende Konflikt könnten also kein Einzelfall gewesen sein.

Ohnehin trifft der Klimawandel den Mittelmeerraum besonders stark. Stiegen weltweit die Durchschnittstemperaturen seit dem Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts um 0,85 Grad Celsius, waren es im Mittelmeerraum in der gleichen Zeit immerhin 1,3 Grad. Auch in Zukunft soll die Region von steigenden Temperaturen und abnehmenden Niederschlägen besonders stark betroffen sein, das zeigten schon bisher Klimamodelle an.

Nur sehr engagierte Maßnahmen können der Natur helfen

In der neuen Studie haben Wolfgang Cramer und Joel Guiot das verknüpfte Modell für Klima und Vegetation daher von der Vergangenheit bis zum Ende des 21. Jahrhunderts rechnen lassen. Dabei eichten die Forscher mit den vorhandenen Daten die bereits verflossene Zeit und stellten das Modell so auf eine sehr solide Basis. Da niemand weiß, welche Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid die Menschheit in der Zukunft in die Luft blasen wird, rechneten die Forscher vier Möglichkeiten für die Zeit bis zum Ende des 21. Jahrhunderts durch: Ohne größere Maßnahmen zum Schutz des Klimas, ein deutlich verringerter Ausstoß von Kohlendioxid, ein tatkräftiges Gegensteuern, das den Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen auf der Erde auf rund zwei Grad Celsius begrenzt sowie einen besonders ambitionierten Klimaschutz, der die Temperaturen weltweit um nicht mehr als 1,5 Grad steigen lässt – wie es das Klima-Abkommen von Paris im Jahr 2015 vorgeschlagen hat.

Nur das letzte Szenario mit sehr engagierten Maßnahmen gegen den Klimawandel kann nach diesen Ergebnissen die Veränderungen der Natur im Mittelmeerraum innerhalb der Schwankungsbreite der vergangenen zehntausend Jahre halten. Bereits ein Begrenzen des Temperaturanstiegs auf zwei Grad Celsius wie es der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) fordert, verändere die Natur stärker als je zuvor in den vergangenen zehntausend Jahren.

Werde weniger gegen den Klimawandel getan, seien die Veränderungen massiver. „In vielen Regionen werden die Laubwälder dann durch Zwergsträucher verdrängt, während sich in etlichen Gebieten Südeuropas und Nordafrikas anstelle der bisherigen Macchia Wüsten ausbreiten würden“, fasst Wolfgang Cramer die Ergebnisse zusammen. 450 Millionen Menschen im Mittelmeerraum wären von ökologischen Umwälzungen betroffen, die erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben können. Damit bergen sie ein erhebliches Krisen-Potential. Und das nicht nur in Syrien.

Bewässerung verschärft die Probleme

Einfluss des Menschen
Die direkten Einflüsse des Menschen haben die Forscher in ihren Berechnungen noch gar nicht berücksichtigt. Dazu zählt zum Beispiel das Ausweiten der Landwirtschaft mit einer verstärkten Bewässerung der Felder oder auch der zunehmende Tourismus. Wasser ist in vielen Gebieten ohnehin eine Mangelware. „Oft beschleunigen solche Entwicklungen die Veränderungen durch den Klimawandel zusätzlich“, sagt der Geograf Wolfgang Cramer. Die Wüsten sind also weiter auf dem Vormarsch.

Südspanien Erdbeeren sind nach Angaben der Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) ein wichtiges Beispiel: Im Süden Spaniens werden diese Früchte oft in Gewächshäusern und auf Feldern angebaut, um als „Früh-Erdbeeren“ in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern Europas verkauft zu werden. Diese Kulturen werden häufig aus illegalen Brunnen bewässert, die wiederum den Grundwasserspiegel absenken.

Nordafrika Marokko verwendet ebenfalls mehr als 80 Prozent seines Süßwassers zum Beregnen von Feldern. Viele der geernteten Zitrusfrüchte und auch Erdbeeren werden dann nach Europa verkauft, während in Marokko die Grundwasserspiegel sinken und die Wüsten sich weiter ausbreiten.