Der Gemeinderat hat ein gestörtes Verhältnis zur Rathausspitze. Unbelastete Neulinge auf der Bürgermeisterbank seien deshalb ein Segen, meint StZ-Autor Jörg Nauke.

Stuttgart - Im Stuttgarter Rathaus ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Mehrheit im Gemeinderat hält in Folge des Klinikumskandals und dessen schleppender Aufklärung ihr Verhältnis zur Verwaltungsspitze für nachhaltig gestört. Die Angriffe auf Werner Wölfle (Grüne), der sich als Bürgermeister für die aus dem Ruder gelaufenen Geschäfte mit arabischen Patienten und den goldenen Handschlag für Ex-Geschäftsführer Schmitz kritisieren lassen muss, waren zuletzt so massiv, dass er wohl nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Das ist ein beispielloser Tiefpunkt in der Stuttgarter Kommunalpolitik.

 

Der Gemeinderat wurde, wenn überhaupt, dann spät und im Zweifel auch noch falsch informiert. Diese Politik von oben herab, die das Hauptorgan zum Stimmvieh degradiert, hat schlechte Tradition, man denke nur an die Entscheidungen zur Landesbank-Rettung, zu Crossborder-Leasing und dem Verkauf der Wasserversorgung.

Zwei unbelastete Neulinge auf der Bürgermeisterbank

In dieser Situation erscheint es geradezu als Segen, zwei von Skandalen unbelastete Personen im Führungszirkel erwarten zu dürfen. Sowohl Thomas Fuhrmann, der zum Nachfolger von Michael Föll erst intern bestimmt und dann offiziell gewählt wurde, als auch die von den Grünen als Wölfle-Ersatz auserkorene Kandidatin Alexandra Sußmann nähren wegen ihrer Tätigkeit als Sozialrechtler die Hoffnung auf einen Zugewinn an Herz und Verstand. Die Grünen können mit der frühzeitigen Bekanntgabe ihrer ersten Bürgermeisterin sogar etwas von den Problemen mit dem Amtsinhaber ablenken. Und es ist ihnen im Vorfeld gelungen, die Wahl Fuhrmanns und von Fabian Mayer zum Ersten Bürgermeister zur kurzen Randnotiz abzuwerten.

Bodenvorratspolitik und bessere Personalpolitik

Bei Fuhrmann gibt es wegen seiner Unerfahrenheit bekanntlich die Befürchtung, Fölls Fußstapfen könnten zumindest anfangs zu groß sein. Für die Stadt wäre es freilich von Vorteil, der Jurist würde eine eigene, tiefe Spur ziehen, etwa beim geförderten Wohnungsbau. In seiner Rede deutete er dezent eine restriktivere Bodenvorratspolitik an, um allerdings gleich nach der Wahl mit seiner CDU dafür zu stimmen, städtische Grundstücke zu verhökern. Eine ehrliche Bestandsaufnahme wird ihm rasch die Folgen einer überzogenen Sparpolitik beim Personal vor Augen führen: unbesetzte Stellen, hohe Fluktuation und fehlende Attraktivität der Stadt als Arbeitgeberin. Probleme, die auch der Kollege Mayer im Verwaltungsreferat identifiziert hat und als Erster Bürgermeister angehen will. Erstaunlich für einen OB-Stellvertreter: in seiner Rede verlor er nicht ein Wort darüber, wie er sich die Zusammenarbeit mit Fritz Kuhn vorstellt.

Vermessen wäre es anzunehmen, mit einem neuen Kämmerer würde Hand an Fölls milliardenschweres Rücklagenerbe gelegt, um die Stadt in einen zeitgemäßen Zustand zu versetzen. Fuhrmann zitierte in seiner Bewerbungsrede Manfred Rommel – es wird also weiter kräftig gespart.