Erhalt und Ausbau der Infrastruktur im Land ist eine der größten Herausforderungen – auch für die neue Bundesregierung. Es ist jedoch nicht damit getan, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, meint der StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Wenn es um Verkehrswege geht, dann hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Claus Schmiedel, ein einfaches Weltbild: „Wo ein Bagger steht, da ist es gut“, pflegt der Sozialdemokrat zu sagen. Bei seinem grünen Koalitionspartner im Land stößt er mit einem so unverstellten Blick auf die Segnungen der Bautätigkeit zwar stets auf Ablehnung, im Bund dagegen – und konkret: in anstehenden Koalitionsverhandlungen – kann sich die positive Haltung der SPD zur Verkehrsinfrastruktur gleich welcher Art noch als sehr praktisch erweisen. Ideologische Gegensätze sind zwischen Christ- und Sozialdemokraten in dieser Frage jedenfalls kaum auszumachen.

 

So war es auch kein Wunder, dass vor Kurzem die versammelten Landesverkehrsminister – fast ausschließlich Rote und Schwarze – in großer Einmütigkeit eine Reihe von Maßnahmen vereinbarten, um den Sanierungsstau bei deutschen Straßen, Bahnstrecken, Wasserstraßen, Brücken und Schleusen aufzulösen. Allerdings: wie so oft, wenn Länderminister zusammenkommen, einigten sie sich sehr schnell darauf, was der Bund alles so finanzieren müsse. In angelsächsischen Ländern nennt man so etwas „management by other peoples money“.

Die Lkw-Maut wird wohl ausgeweitet

Das ändert freilich nichts daran, dass tatsächlich etwas geschehen muss, um marode Straßen und baufällige Brücken zu sanieren. Die Bildung einer neuen Bundesregierung ist nicht der schlechteste Startpunkt für einen Neuanfang. Nach Expertenschätzungen müsste Deutschland jährlich mehr als sieben Milliarden Euro zusätzlich in die Infrastruktur pumpen, nur um die bestehenden Verkehrswege zu erhalten oder zu sanieren. Die Länderverkehrsminister haben mit ihren Beschlüssen einer neuen Bundesregierung eine Art Instrumentenkasten zur Verfügung gestellt. Danach ist recht eindeutig, dass eine grundlegende Sanierung der Verkehrswege ohne eine Ausweitung von Nutzungsgebühren kaum zu bewerkstelligen ist. Also wird die Lkw-Maut wohl ausgeweitet, und auch die umstrittene Pkw-Maut ist noch lange nicht vom Tisch. Das allein wird jedoch nicht ausreichen. Ohne eine Umwidmung von Geldern aus dem regulären Bundesetat sowie die Einführung eines Sonderfonds sind die Verkehrswege in Deutschland nicht vernünftig zu erhalten.

Allerdings muss auch hier der Finanzierungsvorbehalt gelten. Gleich ob Verteidigungs-, Bildungs- oder Kulturpolitik: ihre Vertreter einigen sich immer schnell darauf, dass sie mehr Geld benötigen. So auch in der Verkehrspolitik. Schon heute stehen zu viele Wunschprojekte auf der Anmeldeliste zum Bundesverkehrswegeplan, die realistisch betrachtet keine Chance auf Umsetzung haben. Bei derzeitiger Finanzierung dauere es mehr als 100 Jahre, um die Liste abzuarbeiten, rechnete der grüne Landesverkehrsminister Winfried Hermann unlängst für den Südwesten vor. Die Verkehrspolitik muss daher zwar sinnvolle, aber nicht zwingende Projekte begraben.

Das Planungsrecht muss gestrafft werden

Zum Realitätsbewusstsein gehört aber auch, die Ineffizienzen des Systems zu beseitigen. So müssen etwa unklare Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern geklärt werden. Und das Planungsrecht muss so gestrafft werden, dass Bürger zwar einerseits frühzeitig mitreden können, andererseits Beschlüsse dann aber auch zügig umgesetzt werden können. Nur wer schnell baut, baut auch kostengünstig.

Sich „ehrlich zu machen“ ist in der Politik ein beliebter Ausdruck geworden. In der Verkehrspolitik wäre es dafür jetzt der richtige Zeitpunkt. Nach mehr Geld für den Erhalt der Verkehrswege zu rufen ist notwendig. Es ist aber nicht die ganze Wahrheit. Wenn die Forderungen an die Infrastruktur und die dafür vorgesehenen Mittel langfristig zueinanderpassen sollen, ist mehr nötig als nur mehr Geld.