SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel bezweifelt die Schadenersatzzahlen des Verkehrsministers für Stuttgart 21. Er sieht keine Schwierigkeiten.

Stuttgart - Claus Schmiedel sieht keine Schwierigkeiten. So bringt es der Chef der SPD-Landtagsfraktion herüber. Wenn der Tiefbahnhof in Stuttgart dereinst wirklich mehr koste als die als Maximum anvisierten 4,5 Milliarden Euro, müsse das die Bahn ausbaden. "Die hat da zwar eine andere Rechtsauffassung", sagt Schmiedel. Doch für ihn ist klar: "Wenn sich die Bahn so eklatant verrechnen sollte", dass die Kosten für Stuttgart 21 auf einmal explodieren, dann sei das ein Problem allein des Schienenunternehmens.

 

Der Kostendeckel ist das letzte Wort, so Schmiedel. Das Land werde nicht mehr für Stuttgart 21 zahlen als die im Finanzierungsvertrag mit den anderen Projektpartnern festgeschriebenen rund 930 Millionen Euro. So stehe es im Koalitionsvertrag zwischen Grünen und SPD. So hätten sich auch die anderen im Landtag vertretenen Parteien erklärt. Und auch die anderen Partner würden für sich diese Haltung einnehmen, das gelte selbst für den Bund.

Eine belastbare Grundlage

Doch Schmiedel glaubt, dass solche Überlegungen "nie zum Tragen" kommen werden. Denn er ist sich sicher: der Kostenrahmen wird eingehalten. Wohl stellen die Grünen und die S-21-Gegner ihre Strategie im Kampf um Stimmen für den Ausstieg jetzt darauf ab, dass genau das nicht passieren werde. Sie sagen, das Limit sei bald erreicht. "Die Kosten steigen und sind kurz davor, den Kostendeckel zu sprengen", hatte etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gesagt.

Dem hält Claus Schmiedel die "offizielle, amtliche Zahl des Finanzministeriums" entgegen. Danach sei man derzeit bei 4,216 Milliarden Euro Aufwand angelangt. "Wir haben noch rund 300 Millionen Euro Puffer", so der SPD-Fraktionsobmann. Dieser Wert basiere auf 50 Prozent fest vergebener Aufträge - "darunter 90 Prozent der Tunnel" - oder schon erfolgter Leistungen. Das sei, sagt Schmiedel, eine belastbare Grundlage. "Die 80 Millionen aus der Schlichtung sind auch drin", also der Aufwand für in dem Mediationsverfahren unter dem Vorsitz von Heiner Geißler für notwendig befundenen Verbesserungen.

Schadensersatz droht

Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann operiert mit etwas anderen Zahlen. So vermisst er in der aktuellen Aufstellung vor allem vorsorglich zu kalkulierende 240 Millionen Euro zum Ausgleich inflationsbedingter Preissteigerungen. Die Bahn habe den Posten unzulässigerweise umdeklariert, sagt Hermann. Er stellt noch einige kleinere Gewerke in Rechnung, sodass bei ihm schon jetzt nur noch 15 Millionen Euro als Risikopuffer übrig bleiben.

Uneins sind die beiden Kontrahenten bekanntlich auch bei der Frage, was der Ausstieg aus dem Projekt kosten würde. An dem Punkt sieht Claus Schmiedel nun ein großes Problem. Der Verkehrsminister hat von dem Beratungsunternehmen Märkische Revision ausrechnen lassen, was an Schadenersatz drohen könnte, wenn das Land aus dem Finanzierungsvertrag mit der Bahn und den anderen Projektpartnern aussteigt. Die Prüfer kamen auf eine Summe von etwa 350 Millionen Euro. Diese Zahl wird von den Projektgegnern und Ausstiegsbefürwortern im Stimmenkampf auch gezielt verwendet.

Keine rechtliche Beurteilung

Schmiedel und an seiner Seite die Projektbefürworter und Ausstiegsgegner halten sie für unrealistisch. Ein Ausstieg würde "gigantische Entschädigungsansprüche nach sich ziehen", sagt Schmiedel. Sie könnten "die Finanzierung zentraler grün-roter Reformprojekte gefährden". Egal, ob es am Ende 350 Millionen, eine Milliarde oder 1,5 Milliarden Euro wären, die das Land Schadenersatz zahlen müsste: "Die liegen ja nicht irgendwo rum." Gerade noch habe die Koalition "bei grandios positiver Steuerkulisse unter Schmerzen" Abstriche an den Ausgabenwünschen der Ministerien beschlossen, um auf eine weitere Verschuldung verzichten zu können. Da gehe jeder für Schadenersatz fällige Euro "zu Lasten von Kultur, sozialen Einrichtungen oder des Sports".

Der Steuer- und Wirtschaftsrechtler Stefan Faiß, hält den Gutachtern der Märkischen Revision vor, sie hätten keine rechtliche Beurteilung vorgenommen. Hier müsse aber auch "die zivilrechtliche Seite beleuchtet" werden. "Geschädigte Parteien müssen so gestellt werden, als wäre das Projekt gebaut worden", sagt er. Darum seien die in der Geißler-Schlichtung dargestellten 1,5 Milliarden Euro als Ausstiegskosten plausibel.