Der unerwartete Tod von Philip Kerr hat vor gut einem Jahr große Trauer in der Krimi-Gemeinde ausgelöst. Jetzt erscheint auf Deutsch sein „Berliner Blau“ – einer der besten Bernie-Gunther-Romane, wie Killer-&-Co.-Kritiker Hans Jörg Wangner meint.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Man muss sich Bernie Gunther als einen sehr unglücklichen Menschen vorstellen. Eigentlich will er nur seine Ruhe habe und seiner Arbeit als Polizist, Hoteldetektiv oder Concierge nachgehen. Rauchen, Schnaps trinken, ab und zu eine Affäre mit einer traumhaften Frau haben – das wäre es. Doch es kann der Anständigste nicht in Frieden leben, wenn ständig die bösen Geister aus der näheren und ferneren Vergangenheit aus ihren Löchern kriechen und ihn zu Himmelfahrtskommandos zwingen wollen.

 

So ist es zu Beginn von „Berliner Blau“, dem zwölften der Bernie-Gunther-Romane von Philip Kerr, der Stasichef und Polizistenmörder Erich Mielke, der an der Côte d’Azur auftaucht. Gunther soll in seinem Auftrag eine britische Agentin töten, den Lesern aus dem „Kalten Frieden“ bestens bekannt. Doch mit List, Courage und einer gehörigen Portion Glück entzieht sich Gunther diesem Druck – um statt dessen als vermeintlicher Mörder quer durch die französische Republik gejagt werden. Nicht nur die Polizei, sondern auch die Stasi im Nacken.

Von der Stasi durch Frankreich gejagt

Parallel dazu schneidet Kerr eine Handlung, die noch ein ganzes Stück spannungsgeladener ist: Im April, wenige Tage vor Hitlers 50. Geburtstag, kommandiert Reinhard Heydrich den alten Sozi Gunther an den Obersalzberg. Dort ist eine Nazigröße mitten auf der Terrasse des Berghofs erschossen worden. Hitler darf auf keinen Fall von dieser Lücke im Sicherheitssystem erfahren, seine untereinander verfeindeten Paladine stehen unter mörderischen Druck.

Gunther macht sich also ans Werk, stets in Gefahr, von dem braunen Sumpf festgehalten und ins Verderben gezogen zu werden. Ihm zur Seite steht ein Kollege, den er später an der Côte d’Azur wieder treffen soll. Allerdings nicht als Kumpel, schon gar nicht als Nazi, sondern als Stasiagent, der ihm ans Leben will.

Gier, Niedertracht und Gewalttätigkeit

Wie schon in „Böhmisches Blut“ zeichnet Kerr wieder ein scharfes Bild der braunen Elite, die in Wirklichkeit von Gier, Niedertracht und Gewalttätigkeit geleitet wird. Im Zweifel ist der eine noch schlimmer als der andere. Diese Verbindung von Fakten, Fiktion und klassischen Whodunnit-Elementen machen das „Berliner Blau“ zu einem der besten Bände aus der Gunther-Reihe.

Das ist natürlich ein schwacher Trost für die Fans von Philip Kerr. Das und der Umstand, dass der 13. Band noch aussteht. Wer wissen will, welche letzten Abenteuer Bernie Gunther noch zu bestehen hat, muss „Greeks Bearing Gifts“ eben im britischen Original lesen.

Philip Kerr: Berliner Blau, Deutsch von Axel Merz, 640 Seiten, Wunderlich Verlag, 23 Euro, auch als E-Book