Eine gesellige Begegnungsmöglichkeit in geschütztem Raum bietet der Ludwigsburger Verein Tragwerk jetzt für schwule, lesbische, nicht-binäre, trans- oder intersexuelle Menschen an.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Der Verein Tragwerk hat sich die Förderung der Chancengleichheit für alle und auf allen Ebenen der Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben. Die Fahne, die über seinem neuen Angebot in Ludwigsburg weht, ist bunt: Cassandra Finley vom Tragwerk-Vorstand erzählt, was es mit dem Brunch für Regenbogenmenschen auf sich hat.

 

Frau Finley, der Verein Tragwerk lädt erstmals zu einem Brunch für Regenbogenmenschen ein. Warum macht ein Verein, der sich für Inklusion einsetzt, eine Veranstaltung für eine exklusive Gruppe von Menschen?

Tragwerk setzt sich schon sehr lange in sehr vielen Bereichen für Chancengleichheit ein. Trotzdem gibt es nach wie vor Menschen, für die es noch keine Chancengleichheit gibt und die geschützte Räume brauchen. Zum Beispiel geflüchtete Menschen oder Menschen in Gewaltsituationen. Und auch Regenbogenmenschen brauchen diesen geschützten Raum in mancher Hinsicht noch. Manchmal muss man, wenn man ein inklusiver Verein sein will, exklusiv sein.

Wer ist ein Regenbogenmensch? Jeder, der sich zur LGBTQ-Community zählt?

Ich finde solche Festlegungen schwierig. Schwul, lesbisch, bisexuell, asexuell: Es soll nicht der Eindruck entstehen, es seien nur Menschen eingeladen, die sich innerhalb dieses Rahmens definieren. Ich halte grundsätzlich das Regenbogen-Bild für passender. Für diejenigen, die es meint, ist es eindeutig. Und jede und jeder, der das Gefühl hat, damit angesprochen zu sein, ist eingeladen.

Weshalb hat Tragwerk das Angebot aus der Taufe gehoben? Gibt es für Regenbogenmenschen zu wenige Angebote, um sich auszutauschen?

Meiner Meinung nach ja. Wenn ich von meiner eigenen Erfahrung als alleinerziehende, queere, schwarze Frau ausgehe: Als ich im Raum Stuttgart nach Frühstücksgruppen für Regenbogenmenschen suchte, bin ich nicht fündig geworden. Wenn die Krabbelgruppenzeit vorbei ist und alle wieder arbeiten gehen, fallen sowieso viele Begegnungsmöglichkeiten weg. Und wann trifft man zum Beispiel bei Elternabenden mal andere queere Menschen? Also dachte ich mir: Du bist Vorstand eines Ludwigsburger Vereins, der will, dass alle die gleichen Chancen haben. Und wenn es ein solches Angebot in der Nähe nicht gibt, dann schaffen wir es eben. Ich bin ziemlich sicher, dass der Bedarf da ist. Als ich beim „Mut-gegen-rechts“-Festival in Ludwigsburg mit Leuten von der Foodsharing-Gruppe, mit der wir jetzt für den Brunch kooperieren, über die Idee gesprochen habe, war ich gefühlt plötzlich umringt von Regenbogenmenschen. Das hat mich total überrascht. Und alle fanden die Initiative toll.

Viele Leute wissen nicht, wie sie sich im Umgang mit Regenbogenmenschen richtig verhalten sollen. Wäre es nicht richtig, den Brunch für Besucher zu öffnen, die dazu gern mehr wissen würden?

Es ist auch tatsächlich schwierig, weil es keine pauschalen Ratschläge dazu gibt, was man fragen soll oder darf, und es für die Regenbogenmenschen auch nicht immer klar ist, was dahintersteckt. Fragt jemand aus ehrlichem Interesse und Neugierde? Oder womöglich, um sich lustigzumachen? Und die anderen fragen sich: Möchte ein Regenbogenmensch angesprochen werden oder möchte er es nicht? Wie soll man damit umgehen, wenn im Freundes- oder Verwandtenkreis ein Junge plötzlich Mädchenkleider trägt? Darauf gibt es keine allgemeingültigen Antworten. Angst vor der Reaktion zu haben, kann aber nicht der Weg sein. Deshalb ist es tatsächlich angedacht, den Brunch zu angekündigten Terminen zu öffnen, an denen dann alle Menschen dazukommen können, die genau solche Fragen haben. Zu diesen Gelegenheiten sind dann nur die Regenbogenmenschen dabei, die darüber reden möchten.

Zielt der Brunch auf eine bestimmte Altersgruppe ab?

Nein, er ist für Menschen jeden Alters gedacht. Wir haben auch eine Kinderspielecke, wie bei allen Tragwerk-Angeboten. Fehlende Unterbringungs- oder Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder sind es oft, die Menschen daran hindern, an Angeboten überhaupt teilzunehmen. Kinder sind ausdrücklich willkommen. Wer weiß, vielleicht entstehen aus dem Brunch heraus ja sogar neue, andere Angebote für Regenbogenmenschen.

Wie sieht Ihre Kooperation mit den Ludwigsburger Foodsharern aus?

Sie steuern gerettete Backwaren zum Brunch bei. Das Ludwigsburger Foodsharing ist eine tolle Sache, die sehr gut zu unserer Philosophie passt. Großzügigerweise stellt uns außerdem das Psychosoziale Netzwerk seine barrierefreien Räume in der Siegesstraße zur Verfügung. Und die Bürgerstiftung greift uns bei der Finanzierung unter die Arme.

Wer ist die Initiatorin des Brunchs?

Zur Vita
Cassandra Finley ist 31 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Ludwigsburg und Umgebung, Gründungsmitglied des Vereins Tragwerk und seit 2017 im Vorstand. Sie arbeitet im Vertrieb und genießt es in ihrer Freizeit, Zeit mit ihrem Sohn und ihrer Partnerin zu verbringen, laut Musik zu hören oder in Ruhe zu lesen, schreiben oder Filme zu sehen. „Außerdem brunche ich gern“, sagt sie.

Zum Brunch
Der Regenbogenbrunch findet jeweils am letzten Samstag im Monat von 10.30 bis 13 Uhr in der Siegesstraße 3 in Ludwigsburg statt, erstmals an diesem Samstag. Eigenes Geschirr und Besteck sollte mitgebracht werden. Um Anmeldung per E-Mail unter regenbogenbrunch@tragwerk-lb.de oder unter Telefon 0 71 41/133 18 23 wird gebeten. Das Angebot ist kostenlos, der Verein Tragwerk freut sich aber über Spenden, die er für seine Arbeit verwendet.