Das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ daran, die gesamte AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“ einzustufen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) daran, die gesamte AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“ einzustufen. Dies ergebe sich aus internen E-Mails und Vermerken des Inlandsgeheimdienstes, berichtete die Zeitung am Sonntagabend.
Bislang wird die AfD nur als sogenannter Verdachtsfall des Rechtsextremismus geführt. Doch sitzt laut „SZ“ ein Team des Bundesamts schon seit Monaten daran, ein neues Gutachten zur AfD zu erstellen. Lediglich aus Rücksicht auf die im März bevorstehende Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster, wo die Partei gegen ihre Beobachtung klagt, wollen die Beamten noch etwas warten.
„AfD-Folgegutachten“ sei in Arbeit – auch Verhältnis zu Russland sei dort Thema
Das derzeit gültige Gutachten des Verfassungsschutzes zur Radikalität der AfD stammt vom Frühjahr 2021. Seit spätestens März 2023 ist laut „Süddeutscher Zeitung“ in internen E-Mails des Bundesamts von einem „AfD-Folgegutachten 2023“ die Rede, an dem gearbeitet werde. Im vergangenen April kursierte demnach in der Behörde ein erster Entwurf einer Gliederung. Das Dokument listet die schon bekannte Kritik des Verfassungsschutzes an Rassismus und Autoritarismus in der AfD auf. Es enthält unter der Überschrift „Entwicklung der Partei seit März 2022“ aber auch einen neuen Punkt: „Verhältnis zu Russland“.
Eigentlich sah der Zeitplan vor, dass die Verfassungsschützer ihr neues Gutachten schon fertig haben sollten. Eine entsprechende interne Absprache wurde nach Informationen der „SZ“ im vergangenen Mai von Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang (CDU) und dessen Stellvertreter Sinan Selen abgesegnet.
Interne Verfassungsschutz-Mails: Verwaltungsgerichtsurteil werde abgewartet
Im Bundesamt ist ein eigenes „Koordinierungsteam“ mit der Bearbeitung der AfD befasst. Unter Haldenwang ist die entsprechende Abteilung für Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren stark vergrößert worden.
Im Dezember 2023 hätte demnach alles fertig sein sollen. Nur die Justiz hat diesen Zeitplan dann offenbar gebremst. Das Oberverwaltungsgericht Münster, das noch über die Berufungsklage der AfD gegen ihren „Verdachtsfall“-Status entscheiden muss, hat seine Verhandlung in der Sache immer wieder verschoben und nun schließlich auf März festgelegt.
In internen Verfassungsschutz-Mails heißt es dazu laut „Süddeutscher Zeitung“, die zu erwartenden „Erwägungen“ des Gerichts sollten im neuen AfD-Gutachten noch „möglichst berücksichtigt werden“. Der Verfassungsschutz will dem laut „SZ“ noch reagieren können, falls das Gericht unerwartete, neue Fragen hat. Falls aber alles dabei bleibt, dass die Justiz – so wie schon in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln im Frühjahr 2022 – dem Verfassungsschutz grundsätzlich beipflichtet, würde dem neuen Gutachten nichts im Wege stehen.
Verfassungsschutz prüfte AfD bereits in 2019, 2020, 2021 und 2023
Auf Anfrage der „SZ“ teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am Sonntag mit: „Zu behördeninternen Arbeitsabläufen nimmt das BfV grundsätzlich keine Stellung. Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutrifft oder nicht.“
Wenn das Bundesamt in der Vergangenheit ein umfangreiches neues Gutachten zur AfD oder einer von deren Gliederungen vorlegte, dann um eine veränderte Einstufung zu verkünden. 2019 war es die erstmalige Einstufung der AfD als „Prüffall“ auf Rechtsextremismus, 2020 die Hochstufung des stramm rechten Flügels der Partei zur „gesichert extremistischen Bestrebung“, 2021 die Hochstufung der Gesamtpartei zum „Verdachtsfall“, 2023 die Hochstufung der Jungen Alternativen zur „gesichert extremistischen Bestrebung“.