Mobile Arbeit setzt sich nur schwer durch in Deutschland. Das hat mit der tradierten Führungskultur zu tun. Selbstbestimmte Formen der Beschäftigung erfordern mehr Vertrauen in die Mitarbeiter, urteilt der StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es sind sonst vornehmlich die Arbeitgeber, die nach mehr Flexibilität für die Betriebe rufen – doch wenn es darum geht, ihren Beschäftigten mehr Freiheiten zu gewähren, stößt die Flexibilität schnell an Grenzen. Mobiles Arbeiten daheim oder wo auch immer ist noch lange kein Dauerbrenner in Deutschland. Dies hat viel mit unserer Führungskultur zu tun.

 

Präsenz zeigen ist selbst in Unternehmen, wo sie nicht immer notwendig wäre, Standard. Das gilt schon für die vielen Sitzungen, obwohl sie bei Lichte betrachtet nicht selten als wenig produktiv einzustufen sind und eine permanente Teilnahme fragwürdig erscheint. Zudem vertreten noch immer viele Vorgesetzte die Haltung: Nur ein Mitarbeiter, der mehr oder weniger unter seinen Augen arbeitet, ist ein effektiver Kollege, denn bei Heimarbeitern weiß man ja nicht so genau, was die tatsächlich machen. Das Vertrauen in die Beschäftigten, souverän mit ihrer Arbeitszeit umzugehen, ist oft nicht besonders ausgeprägt.

Andere Länder – anderes Rollenverständnis

Daraus folgt: Wer Karriere machen will, kommt möglichst vor dem Chef und geht nach ihm. Aufgrund dieser tradierten Verhaltensweise haben Männer die deutlich besseren Aufstiegschancen – weil Frauen, die nebenher eine Familie managen, ihre Arbeitszeit nach dem Privatleben ausrichten müssen. Andere Länder, etwa die Skandinavier, haben längst ein anderes Rollenverständnis in den Betrieben entwickelt – weibliche Vorgesetzte haben es leichter. Sie schalten ihren Computer dann wieder ein, wenn die Kinder im Bett sind.

Es gibt also noch viel zu tun, um der mobilen Arbeit mehr Geltung zu verschaffen. Von ihr können beide Seiten profitieren, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber. Wer selbstbestimmt zu Werke geht, agiert motivierter und liefert bessere Ergebnisse – Eigenverantwortung und Selbstdisziplin vorausgesetzt. Dass mobile Arbeit immer nur eine Ergänzung, nie der Ersatz für die herkömmliche Beschäftigung mit all ihren sozialen und betrieblichen Vorteilen sein sollte, versteht sich von selbst.